Liebe Renee,
ich kenne diese Darstellung der Melancholie als Frau auch, vorzugsweise habe ich sie auf Bildern gesehen, ohne dabei jetzt konkrete Maler nennen zu können, oft sind es auch Stiche gewesen, immer aber, soweit ich mich entsinne, sehr alte Abbildungen (?)
Ich weiß, dass das jetzt wahrscheinlich krude anmutet oder "hinterhergesagt", aber ich meine das ernshaft so: Für mich kann die Melancholie durchaus weiblich sein, ich sagte ja nur, dass sie ein Mann ist (und damit meine ich eben die Figur/das, worin sie sich niederschlägt). Für mich fallen diese älteren Darstellungen in die aktuellen hinein - und mit aktuell meine ich: das, was ich jetzt unter den Begriff "Melancholie" ordne, was evoziert/abgerufen wird, wenn ich das Wort höre/betaste und dergleichen. Denn natürlich mache ich was neues draus (sofern man neues machen kann)...(und mit hineinfallen meine ich: ich sehe (ich / heute, früher und für jemand anderen mag das ganz anders sein) die alten Bilder und empfinde das auf ihnen dargestellte, wie einen "bösen Geist ("schwarze Galle"), der befällt. Und dass kann für mich durchaus ein weiblicher sein...der dann Männer befällt. würde doch gut passen diese Art Heimsuchung. (Hm, hier hör ich jetzt mal inhaltlich auf und mache bei Flora weiter
)
zu den Kommata: Ich habe nur Binnenkommata gesetzt, die äußeren musst du dir also denken, falls du sie brauchst
, es gibt (wenige) Texte von mir, in denen ich das so mache (auch die gemäßigte Kleinschreibung dann oft, für mich sind die Texte irgendwie vom Tonfall dadurch für mich anders...phlegmatischer, in sich geschlossener, erkrankteres Kondensat))
heilsam schlecht: hm, da kann ich wiederum keine ERklärung zugeben, fürchte ich, nicht, weil ich es nicht könnte, sondern weil das eine Stelle ist, die entweder funktionieren muss oder es eben nicht tut - die
Kombination von heilsam und schlecht in Bezug auf das Stehen vorm Spiegel soll jedenfalls in Bezug auf das, was über Frauen ausgesagt werden soll, schon eien Art Schlüsselausdruck sein.
Liebe Flora,
danke für deine vielen Gedanken! Das ist immer schön, dass du bereit bist, soviel dazuzugeben!
Deine Antwort finde ich schwierig, weil sie scheinbar absolut in ihrem Wahrheitsanspruch gesetzt ist. Mir wird eine Wahrnehmung (auch vom Frausein/Mannsein) präsentiert, die aber nicht meine ist und doch werde ich mit hineingesprochen.
Ich glaube nicht, dass das Problem ist, dass ich eine Wahrnehmung zu stark präsentiere - ich glaube, das Problem taucht nur auf, weil du es anders siehst, als der Text evozieren möchte
. Denn alle Texte arbeiten doch so, dass sie etwas aufstellen/behaupten, ganze Welten erschaffen, in denen sich dann die Worte befinden und die dann auch in der Bewegung alle Menschen, die die Texte lesen, vereinahmen. Es kommt eben nur drauf an, ob einem die Vereinnahmung auffällt, ob sie einem angenehm oder falsch erscheint..ob der Text es eben schafft, den leser mitzunehmen. Und das scheint hier nicht der Fall. Meine Erklärungen hinterher jedenfalls sollten deinen Eindruck nicht ändern - der Text stand und steht ja für sich und ich hatte einfach diesmal nur Lust etwas zu erklären und häng da an nichts und will damit nicht überzeugen oder irgendwas nachliefern, was der Text nicht schafft - ich hatte wirklich einfach Lust dazu.
Ansonsten glaube ich, kann es an zweierlei liegen, dass der Text nicht funktioniert:
Zum einen kann es sein, dass das ganze tatsächlich nicht so funktioniert, alos meine Konstruktionsidee. Ich bin mir das selbst nicht sicher und hatte ähnliche Zweifel wie etwa bei dem Text, wo ich von "mein Chamäleon vor dem Mond" schrieb - da befürchtete ich auch, ob denn dieses zusammengsprochene überhaupt für mehr Menschen als mich Sinner gibt - da war es aber so. Hier bei meiner Beschreibung, die Melancholie sei ein Mann, hab ich auch gezweifelt und ich glaube, meine Wahrnehmung des konkreten Bildes, schon allein das Clownbild, ist einfach nicht so massentauglich. Es muss aber eine gewisse Menge an Lesern ansprechen, weil der Text die Verankerung in einer Wahrnehmung braucht, die von vielen geteilt wird. Kann gut sein, dass das nicht funktioniert!
Zum anderen ist der Text etwas anders konstruiert, als du ihn wahrgenommen hast. Für mich ist die Erzählinstanz im Text eine ganz dominante. Ist der Mann/Clown auch aktiver wie oben beschrieben, so ist er doch bis ins Nackte hinein der Erzählstimme ausgeliefert - so war es von mir gedacht, zumindest. Nicht dem Clown ist mehr oder weniger zufällig die rote Nase vors Geschelcht gerutscht, sondern die Erzählstimme lässt dieses geschehen, ähnlich wie man mit Puppen spielt, sie anzieht, das Gesicht anmalt und dergleichen. Das "rutscht" ist also wie der Rest der Stimme schon sehr ironisch oder wie du sagst: distanziert.
Melancholie würde ich (vermutlich ziemlich klassisch?) niemals mit Nacktsein, Frontalbegegnung, Distanzlosigkeit, oder hängenden Armen verbinden. Melancholisch ist man (Frau eher als Mann .-)) in meinem Kopf angezogen und (noch) Haltung wahrend, einnehmend. Melancholie, vielleicht als eine Art Zwischenzustand, dem auch ein gewisser Reiz und eine traurige Bezauberung innewohnt, die aus und durch die Distanz, einer Unerreichbarkeit heraus wirken. Das Ziehen einer spürbaren Abgewandtheit in einer Weite, "Landschaft", nicht der Enge eines Zimmers, die ich hier wahrnehme.
Das passt vielleicht ein wenig zu deinem Gedanken, dass es eine eingenommene Haltung ist? (Narzisstisch würde ich es jedoch nicht nennen.) Die Melancholie ist für mich schon in diesem Anblick durchbrochen, aufgehoben und somit nicht mehr sichtbar, oder spürbar. Aber auch das Gedicht wendet sich ja einem ganz anderen Thema zu, die Melancholie bleibt für mich im Titel hängen.
Ich habe die Melancholie eben nicht derartig beschrieben, wie du es im ersten Abschnitt tust, weil es mir, wie du im zweiten richtig sagst, als eigentliches Thema gar nicht um die Melancholie geht. (Der Titel enthält ja auch mehr als Melancholie, warum muss er behaupten, dass das Gedicht von Melancholie erzählen will? Ich finde, man kann die Zeile durchaus schon als eigenwillig erkennen). Ich nutze quasi das, was ich unter melancholisch verstehe (was durchaus mit deinem mitgeht), um etwas über die Frau zu erzählen (indem die Erzählinstanz einen Mann vor dem Spiegel inzeniert). Die Behauptung, die Melancholie sei ein Mann ist dabei nur Mittel zum Zweck und keine Behauptung, die der Text dann einlösen soll.
Zudem verstehe ich nicht, warum sie auf das Geschlecht zielt, der Blick (vom Gesicht) darauf gerichtet werden soll? Vielleicht steh ich da auch auf der Leitung, es sagt mir zumindest nichts.
Weil für mich eine Clownnase auf dem Geschlecht für mich einfach ein gutes Bild dafür ist, was das Problem des melancholischen Mannes ist bzw. wie er damit umgeht (unter anderem eben genau diese gezielte Betonung, dieses in Szene setzen des Geschlechts, das nicht ernst genommen wird in seinen Ansprüchen, die es erhebt, seinen Anwandlungen und dergleichen. Ich finde schon, dass viele Männer dazu neigen, daraus dann eine
Szenezu machen, in eine Art warmen Trotz verfallen, die fast schon wieder in einer (überzogenen, schmerzvollen) Liebkosung ihrer abgelehnten Teile mündet, während den Frauen eine derartige Gestaltung nicht bleibt, sondern meist nur die tatsächliche und grundsätzliche Ablehnung bestimmter Teile von ihnen. So eben meine Wahrnehmung. Wie auch eben Männer sich ebenso wie Frauen in Abhängikeit vor dem erbarmungslosen Spiegel befinden, aber in dieser Abhängikeit sich ihnen ein anderer Raum öffnet als Frauen.
Aber ich kann verstehen, wenn du die Wahrnehmung nicht teilst, dass es Frauen und Männern in Bezug auf die Abhängigkeit vom anderen anders geht bzw. so anders geht, wie ich es anzusprechen versuche, dass du dann mit dem Text nicht mitgehen kannst. Die Intention des Textes war jedenfalls nicht, diesen Unterschied zu prognostizieren, er muss ihn (wie zu Anfang erklärt) aber einfach als Annahme nehmen, um davon erzählen zu können. Natürlich muss das aber nicht so sein! Für mich ist es eben so
(Etwas in mir sträubt sich auch gegen das Klischee des melancholischen oder traurigen Clowns, das dann doch auch wieder nur ein verzerrtes Bild in den Spiegel malt.)
Hm, ich habe dieses Klischee eigentlich sehr bewusst extra so aufgefasst, wie es dasteht (es gibt ja nun mal dieses Bild), es ist für mich gerade wichtig, dass der Ausgangspunkt dieses "Klischee" ist.
Am Ende natürlich die Frage, warum sollte die "Frau an sich" überhaupt von irgendetwas geheilt werden müssen, und in Bezug zu deiner Erklärung gar von ihrem verfraulichten Körper oder ihrem weiblichen Wesen?
Ja, ich bin sehr zufrieden damit, wenn diese Frage am Ende der Lektüre des Textes steht, genau da wollte ich hin, gern auch mit dieser Unwilligkeit mit dabei, dass es doch vielleicht seltsam ist, dieses Vokabular wie "heilsam" etc. (für mich ist das Wort durchaus ebenso vom ironisch-distanziertem Sprachgebrauch des ganzen Textes beeinflusst, es ist zwar ernst gemeint, aber eben
so ernst gesprochen, dass es sich selbst schon wieder angreift) zu benutzen und solche großen Thesen aufzustellen.
Für mich stellt sich das alles so dar...aber ich bin immer wieder aufs Neue nicht in der Lage dazu, vorab einschätzen zu können, ob ein Text von mir, das auch für andere zeigen kann oder ob das eben nicht mehr nachzuvollziehen ist - habe ich noch nicht rausgefunden, was das entscheidet
.
Ja, soweit erstmal...
Liebe Zefi,
ja, da sehe ich auch überall einen Mann. Ich überlege gerade, ob es auf dieser Ebene, in dieser Größenordnung vom Empfindung überhaupt Bereiche gibt, die sich in Frauenfiguren ausdrücken...
liebe Grüße,
Lisa