Psst

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 27.10.2010, 14:55

Psst!
Sie sind wieder da.
Hörst du ihr
leises Husten?

Das schlurrende Zirpen
wenn sie ihre winzigen
Glaskrallen wetzen.
Spürst du das hässliche
Flirren und Schlappen
wenn ihre Lufthäute
heiß deinen Nacken streifen,
riechst du den Hauch
den sie giftig hecheln?
Mit schmatzendem Schwall
werfen sie ihre Gewölle
auf Teller und Tisch.
Kannst du die
krausen Linien sehen
die sie so wild
durch die Zimmer tanzen
wenn ihre Flügelknochen
fletschend zerbrechen?

Hörst du nicht
dieses rohe Krachen?

Was sagst du da?
Alles ist still?







bezieht sich auf den Text einer Unbekannten im Internet, wahrscheinlich mit Borderline-Persönlichkeitsstörung;
Juli 2010

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.10.2010, 16:19

Hallo Amanita,

könntest du hier den Link zu dem Text der Unbekannten im Netz dazustellen?
Fände ich ganz interessant.

Saludos
Gabriella

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 27.10.2010, 16:28

"Ich habe nichts dagegen dass sie hier den ganzen Tag rumlaufen. Sie sitzen neben mir wenn ich fernsehe, koche, schreibe, bügel und auch jetzt wo ich das hier tippe. Das stört mich garnicht. Aber ich möchte nicht, dass sie in die Kinderzimmer gehen. Die Kleinen können sie ja so oder so sehen, aber das Kinderzimmer sollte so ein Tabu sein.
Wie bekommt ihr das hin das sie auf euch einigermaßen hören?

Vom Einkaufen habe ich sie nun schon wegbekommen. Es ist gruselig wie sie mich anstarren während ich das tippe. Ich glaube es passt ihnen nicht. Aber was wollen sie machen? Obwohl ich möchte nicht drüber nachdenken. Es ist schon schrecklich wenn sie mich berühren mit ihrer kalten Lufthaut. Schrecklich. Ich bin nun 39 Jahre alt und sie sind seit 27 Jahren bei mir."


Es gibt glaube ich keinen Link (mehr), aber da ich mit dem Text arbeiten wollte, habe ich ihn mir gesichert. - Amanita

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 27.10.2010, 18:08

für mich der bislang beklemmendste und intensivste text zum angst-thema, amanita!


"irrsinnig" gut - in jeder bedeutung des wortes.
da ist nichts zuviel und nichts zuwenig!


(allerdings beschreibt der von dir im nachhinein angefügte text der internet-userin eher ein typisch schizoides verhalten und kein borderline-syndrom. mittlerweile (offiziell seit 2004) trennt die psychiatrie da eindeutiger und führt schizoides verhalten separat und verbindet mit borderline nunmehr folgendes:

Unter Zugrundelegung dieser beiden, heute etablierten Diagnoseschemata läßt sich folgendes über die Charakteristika von Borderline-Störungen sagen: die betreffenden Personen neigen zu starken Stimmungsschwankungen (von quälender Angst und Verzweiflungsgefühlen bis hin zu zorniger Erregung), deren Intensität mitunter soweit gehen kann, daß Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen ausagiert werden. Von außen werden Borderline-Patienten deshalb häufig als unberechenbar erlebt. Beim Vorausplanen haben sie Schwierigkeiten (phasenweise wird dies durch viel Planungsaktivität zu kompensieren versucht), und beim Ausbrechen intensiven Ärgers kann es fallweise zu explosivem, in Einzelfällen sogar gewalttätigem Verhalten kommen. Oft richten die Betroffenen ihre aggressiven Impulse aber jedoch gegen sich selbst statt gegen andere - Selbstverletzendes Verhalten (SVV) ist ein Symptom, das verhältnismäßig oft kombiniert mit einer Borderline-Störung auftritt.

Das eigene Selbstbild, die persönlichen Ziele und inneren Präferenzen (einschließlich der sexuellen) sind meist unklar und gestört. Es fällt den Betroffenen schwer, Entscheidungen zu treffen oder ihr Leben so zu planen, daß sie sich auf ihren selbst gewählten Pfaden dauerhaft sicher fühlen und diese längerfristig verfolgen können. So empfinden sie oft auch ein chronisches Gefühl innerer Leere, unbestimmter Angst oder Traurigkeit. Ihre Neigung zu intensiven, aber unbeständigen Beziehungen kann zu wiederholten emotionalen Krisen mit übermäßigen Anstrengungen, nicht verlassen zu werden, führen, und mit Suiziddrohungen oder - siehe oben - selbstschädigenden Handlungen (die aber auch ohne äußerlich erkennbare Auslöser vorkommen können) einhergehen. Beziehungspartner erleben mit den Betroffenen oft "Heiß-Kalt-Duschen" - ein sich wiederholendes Wechselspiel zwischen Phasen großer Leidenschaft, Nähe und sehnsüchtiger Bindung auf der einen, und harschen Zurückweisungen, Rückzügen und energiezehrenden Konflikten auf der anderen Seite.


quelle: http://www.psychotherapiepraxis.at/


das nur bezogen auf deine fußnoten-randbemerkung unter dem text)




der text ist - mit oder ohne hintergrundwissen - jedenfalls von einer qualität, die zwischen surrealem alptraum- und ur-angst-charakter pendelt, ohne dabei jemals an dichte zu verlieren.

ich find ihn einfach toll!


lieber gruß,

keinsilbig

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 27.10.2010, 18:11

Hallo Amanita,
kleine kurze sprachliche Anmerkung: fletschend klingt mir eher nach Zähnen denn Flügelknochen.
Grüße
H

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 27.10.2010, 18:18

Weiß ich, aber ich fand den Klang des Verbs gut/ passend.

@keinsilbig: Die nuancierten Unterschiede solcher Erkrankungen kenne ich nicht + finde sie in diesem Fall auch nicht so wichtig, denn den Menschen hinter dem Text habe ich ja nie kennen gelernt bzw. es geht um keine Diagnose. Ich fand nur die kurze Erläuterung wichtig, dass ich mich auf einen nicht-literarischen Text beziehe.

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 27.10.2010, 19:29

Amanita hat geschrieben:Die nuancierten Unterschiede solcher Erkrankungen kenne ich nicht + finde sie in diesem Fall auch nicht so wichtig, denn den Menschen hinter dem Text habe ich ja nie kennen gelernt bzw. es geht um keine Diagnose. Ich fand nur die kurze Erläuterung wichtig, dass ich mich auf einen nicht-literarischen Text beziehe.



warum verwendest du dann überhaupt in deiner erläuterung einen fachbegriff, wenn du ihn
a) als ohnehin nicht wichtig erachtest,
b) ihn nicht korrekt zuordnest (und somit eine falsche diagnose triffst oder andeutest)
und c) genügt hätte, allgemeiner formuliert auf die art des bezugs hinzuweisen?

falsch ist nun mal falsch - und mehr, als am rande darauf hinzuweisen, hab ich nicht getan (ich selbst bin (meistens*gg) froh, wenn mich jemand auf einen irrtum hinweist). egal, wie "relevant" es letztlich für den text selbst ist. der wird ja nicht schlechter dadurch.
im gegenteil: je öfter ich ihn lese, umso besser finde ich ihn. (und frage mich mitterweile eigentlich überhaupt, ob es diesen hinweis überhaupt braucht...und wozu).


gruß,

keinsilbig

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Beitragvon Amanita » 27.10.2010, 19:50

Bitte keine Aufregung. Ich hatte ohnehin wahrscheinlich geschrieben, weil ich a) nicht sicher war, ob die Auskunft, die von jemandem zu dem "Ur-Text" bekam, korrekt ist und ich b) keine Diagnose stellen will und wollte.


Die Genese meines Textes bleibt ja die selbe - und darauf kommt es mir an.

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 27.10.2010, 20:16

aber ich reg mich doch überhaupt nicht auf. :blink2:

für mich gehören anmerkungen, wenn sie da stehen, zum text. also nehme ich sie gleichwertig wichtig wahr wie alles andere, das ev. irgendwann mal seinen weg in eine veröffentlichung findet.

wenn du im umgekehrten fall also jemals etwas bei meinen postings oder texten entdecktest, das ich tatsächlich falsch "verwende" oder irrtümlich annehme, von dem du selbst weißt, wie es korrekt wäre, würdest du mich doch (hoffentlich) auch darauf hinweisen, oder? und dann wäre es auch keine große sache für dich, nehme ich an.

um mehr gehts hier doch gar nicht. aber da es "öffentlich" steht, sollte es m.E. auch hieb- und stichfest sein, wenn man schon fachbegriffe verwendet.


lieber gruß,

keinsilbig
Zuletzt geändert von keinsilbig am 27.10.2010, 20:29, insgesamt 3-mal geändert.

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Beitragvon leonie » 27.10.2010, 20:25

Liebe Amanita,

ich finde das auch einen sehr guten Text, der die Beklemmung richtig spürbar macht. Auch die Bilder sind für mich neu und die Laute malen sie aus.
Einzig mit dem fletschend habe ich auch ein Problem, es wirft mich raus, weil ich es gar nicht mit den Flügelknochen zusammenbringen kann. Wenn es in erster Linie um die Laute geht, würde ich eher dazu neigen, ein Wort zu erfinden.

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon Amanita » 27.10.2010, 21:09

Ursprünglich bedeutete das Wort fletschen "breit schlagen, ausbreiten" - und daher lasse ich es stehen.

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Beitragvon Zakkinen » 27.10.2010, 21:54

Muss mal in der Etymologier kramen. Da tsch m.E. eine Lautverschiebung von tz ist, wäre fletschen wie fletzen, und das heiß ja schon sich ausbreiten. Hmm. Nun gut.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.10.2010, 22:38

Hallo Amanita,

ja, das kommt wirklich sehr beklemmend rüber. Ich denke auch, dass hier eine schizoide Persönlichkeit beschrieben wird, aufgrund der optischen und akustischen Halluzinationen.
Deine Anmerkung unten könntest du meines Erachtens einfach weglassen.
Es braucht sie gar nicht, da dein Text sehr eindringlich ist und diese Anmerkung nur irritiert oder ablenkt.

Saludos
Gabriella

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Beitragvon Amanita » 27.10.2010, 22:41

Anmerkung zur Anmerkung: Die habe ich nur für Euch notiert.
Sie gehört NICHT zum eigentlichen Text.


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