WORT DER WOCHE
- jede Woche ein neues Wort als Musenkuss -
Lyrik, Prosa, Polyphones, Spontanes, Fragmente, Schnipsel, Lockeres, Assoziatives, Experimentelles
- alles zu diesem Wort - keine Kommentare - alles in einem Faden - 7 Tage Zeit -
~ Schenkel ~
WORT DER WOCHE ~ Schenkel ~
Kai und Uwe, meine beiden Brüder, hatten sich nicht nur letzten Weihnachten auf ihre Schenkel geschlagen, als sie sich jeder ein dickes Bein vom Truthahn abgerissen hatten. Sie waren mir auch in der als Bräute in Frage kommenden Auswahl zuvorgekommen, hatten sich zu Treffen verabredet. Mir ließen sie, die ihrer Meinung nach viel zu dünne Maria übrig. Aber da hatten sie sich getäuscht, denn ich mochte zartgebaute große Typen wie Laufstegmodels, mit superschlanken Schenkeln.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)
Bei diesem WdW kam mir die Assoziation 'Hähnchenschenkel' in den Sinn und dies wiederum erinnerte mich an einen Prosalogeintrag von mir vom November 2009, den ich hier einfach mal reinsetze. ,-)
Es waren einmal ein paar Tannenbäumchen
Vor vielen Jahren hatten wir in Chile eine Hacienda, ein paar Hektar groß. Ganz vorne, vor dem großen eisernen Tor mit den vielen metallenen Spitzen darüber (und noch Stacheldraht plus Glasscherben, damit sich Diebe auch wirklich keinen Zugang verschaffen konnten) standen einige Tannenbäumchen, vielleicht zwanzig oder so. Sie waren ganz nett anzusehen, aber gaben eigentlich nicht viel her. Sie standen da halt so herum. Niemand kümmerte sich um sie, auch der Gärtner nicht. José war zu faul. Schließlich musste er ne ziemlich lange Strecke laufen, um dort zu arbeiten. Obwohl das ja eigentlich gut für ihn gewesen wäre, da er da unten nicht im Visier meiner Eltern stand und sich nen schönen Lenz hätte machen können. Aber ich schweife ab.
Es war Weihnachtszeit. In Chile gehört der Dezember zu den heißesten Monaten im Land. 45 Grad Celsius waren an der Tagesordnung. Nachts dafür Minus-Grade. Verrücktes Land. In Chile gab es keine echten Weihnachtsbäume, aber eine ungeheure Auswahl an unechten. Aus Plastik, aus Styropor, aus Aluminium, aus Holz (na klasse, da brennt gleich die ganze Bude ab) und aus noch vielen anderen Materialien. Die aus Aluminium waren sogar zusammenklappbar. Echt ne praktische Sache. Und die aus Plastik konnte man aufblasen. Also, an Phantasie mangelte es den Chilenos nicht. Und die Farbenpracht! Hammermäßig. Von lila, türkis, rot, blau, alles gab es, nur keine grünen. Keine Ahnung, warum es keine grünen gab.
Meine Eltern wollten unbedingt einen echten grünen Tannenbaum im Wohnzimmer aufstellen, so wie wir es auch in Hamburger Zeiten immer taten. Bitte, von mir aus. Eh wurscht, da wir den Abend sowieso mit Cocktails und im Bikini am Pool verbrachten. Weihnachtsstimmung? Ha, ich kipp mich wech. Die gebratene Gans, die gab es aber! Darauf bestand ich. Auch auf einer Gänsekeule! Damals war ich noch nicht Vegetarierin.
Am Tag vor Heiligabend lief mein Vater, die Axt in der Hand, runter zum Tor, um einen der Bäume zu fällen. Mit Zornesröte kam er laut brüllend wieder zum Haus bzw. zum Pool, an dem wir uns in der Sonne braten ließen (so wie die Gans gerade im Ofen).
"Diebe, verdammte Diebe! Sie haben alle Tannen geköpft!", schrie er außer sich.
Wir konnten es nicht glauben und rannten allesamt runter. Man muss dazu sagen, dass wir fünf große, sehr scharfe Schäferhunde hatten, die immer draußen waren und Wache hielten. Ich frag mich heute noch, wie sie die Hunde überlistet haben.
Als wir vor dem Tor standen, sahen wir die Katastrophe. Alle Tannenbäume waren etwa um zwei Meter gekürzt worden. Alle! Da macht sich jetzt jemand einen riesen Reibach in Santiago, dachte ich mir. Es lebten viele Deutsche in Chile und jeder würde ne Menge Kohle für einen echten Tannenbaum zahlen.
Traurig sahen sie aus, die abgehackten Bäume. Vielleicht noch etwa eineinhalb Meter hoch und ihrer Krone beraubt. So richtig würdelos. Leute gibt's!
Weihnachten haben wir natürlich trotzdem gefeiert und die Gans direkt am Pool gemampft (war mir eh lieber so), aber ohne Baum.
An diesem Tag erhielt der Gärtner den Spezialauftrag, sich jeden Tag (jeden!), um die Tannen zu kümmern. Mein Vater legte sogar extra eine Bewässerungsanlage für sie an und begutachtete sie ständig, wie auch den Gärtner (Tja, José, nix mit Lenz machen, die Chance haste vertan).
Jetzt muss man folgendes wissen: wenn man in Chile Pflanzen ordentlich mit Wasser versorgt, wachsen sie so schnell, dass man ihnen dabei zuschauen kann.
Ein Jahr später hatte sich aus den etwa zwanzig geköpften, jämmerlichen Tannen ein herrlicher, unglaublich dichter, richtiger Wald entwickelt. Die Tannen hatten eine Höhe von etwa zehn Metern erreicht! Jeder Nachbar, jeder Gast bewunderte diesen Wald ehrfürchtig.
Mein Vater dankte noch Jahre danach im Geiste den damaligen Dieben für ihre Tat.
Und nie wieder ging er mit einer Axt einer Tanne zuleibe, selbst für Weihnachten nicht.
Es waren einmal ein paar Tannenbäumchen
Vor vielen Jahren hatten wir in Chile eine Hacienda, ein paar Hektar groß. Ganz vorne, vor dem großen eisernen Tor mit den vielen metallenen Spitzen darüber (und noch Stacheldraht plus Glasscherben, damit sich Diebe auch wirklich keinen Zugang verschaffen konnten) standen einige Tannenbäumchen, vielleicht zwanzig oder so. Sie waren ganz nett anzusehen, aber gaben eigentlich nicht viel her. Sie standen da halt so herum. Niemand kümmerte sich um sie, auch der Gärtner nicht. José war zu faul. Schließlich musste er ne ziemlich lange Strecke laufen, um dort zu arbeiten. Obwohl das ja eigentlich gut für ihn gewesen wäre, da er da unten nicht im Visier meiner Eltern stand und sich nen schönen Lenz hätte machen können. Aber ich schweife ab.
Es war Weihnachtszeit. In Chile gehört der Dezember zu den heißesten Monaten im Land. 45 Grad Celsius waren an der Tagesordnung. Nachts dafür Minus-Grade. Verrücktes Land. In Chile gab es keine echten Weihnachtsbäume, aber eine ungeheure Auswahl an unechten. Aus Plastik, aus Styropor, aus Aluminium, aus Holz (na klasse, da brennt gleich die ganze Bude ab) und aus noch vielen anderen Materialien. Die aus Aluminium waren sogar zusammenklappbar. Echt ne praktische Sache. Und die aus Plastik konnte man aufblasen. Also, an Phantasie mangelte es den Chilenos nicht. Und die Farbenpracht! Hammermäßig. Von lila, türkis, rot, blau, alles gab es, nur keine grünen. Keine Ahnung, warum es keine grünen gab.
Meine Eltern wollten unbedingt einen echten grünen Tannenbaum im Wohnzimmer aufstellen, so wie wir es auch in Hamburger Zeiten immer taten. Bitte, von mir aus. Eh wurscht, da wir den Abend sowieso mit Cocktails und im Bikini am Pool verbrachten. Weihnachtsstimmung? Ha, ich kipp mich wech. Die gebratene Gans, die gab es aber! Darauf bestand ich. Auch auf einer Gänsekeule! Damals war ich noch nicht Vegetarierin.
Am Tag vor Heiligabend lief mein Vater, die Axt in der Hand, runter zum Tor, um einen der Bäume zu fällen. Mit Zornesröte kam er laut brüllend wieder zum Haus bzw. zum Pool, an dem wir uns in der Sonne braten ließen (so wie die Gans gerade im Ofen).
"Diebe, verdammte Diebe! Sie haben alle Tannen geköpft!", schrie er außer sich.
Wir konnten es nicht glauben und rannten allesamt runter. Man muss dazu sagen, dass wir fünf große, sehr scharfe Schäferhunde hatten, die immer draußen waren und Wache hielten. Ich frag mich heute noch, wie sie die Hunde überlistet haben.
Als wir vor dem Tor standen, sahen wir die Katastrophe. Alle Tannenbäume waren etwa um zwei Meter gekürzt worden. Alle! Da macht sich jetzt jemand einen riesen Reibach in Santiago, dachte ich mir. Es lebten viele Deutsche in Chile und jeder würde ne Menge Kohle für einen echten Tannenbaum zahlen.
Traurig sahen sie aus, die abgehackten Bäume. Vielleicht noch etwa eineinhalb Meter hoch und ihrer Krone beraubt. So richtig würdelos. Leute gibt's!
Weihnachten haben wir natürlich trotzdem gefeiert und die Gans direkt am Pool gemampft (war mir eh lieber so), aber ohne Baum.
An diesem Tag erhielt der Gärtner den Spezialauftrag, sich jeden Tag (jeden!), um die Tannen zu kümmern. Mein Vater legte sogar extra eine Bewässerungsanlage für sie an und begutachtete sie ständig, wie auch den Gärtner (Tja, José, nix mit Lenz machen, die Chance haste vertan).
Jetzt muss man folgendes wissen: wenn man in Chile Pflanzen ordentlich mit Wasser versorgt, wachsen sie so schnell, dass man ihnen dabei zuschauen kann.
Ein Jahr später hatte sich aus den etwa zwanzig geköpften, jämmerlichen Tannen ein herrlicher, unglaublich dichter, richtiger Wald entwickelt. Die Tannen hatten eine Höhe von etwa zehn Metern erreicht! Jeder Nachbar, jeder Gast bewunderte diesen Wald ehrfürchtig.
Mein Vater dankte noch Jahre danach im Geiste den damaligen Dieben für ihre Tat.
Und nie wieder ging er mit einer Axt einer Tanne zuleibe, selbst für Weihnachten nicht.
Ich hatte immer zuviel Phantasie, oder vielmehr vielleicht auch nicht gerade zuviel, aber jedenfalls eine dominante Phantasie, die mich mit Eindrücken und Assoziationen befeuerte wie eine Ballmaschine beim Tennis, unaufhörlich und penetrant und aus immer neuen Winkeln. Die Bezeichnung "Schenkel des Winkels" hatte einen schönen, freundlich schwebenden Klang, aber das Bild, das mir dabei vor Augen stand, war ein Paar gespreizte Beine in Jodhpurhosen. Der rechte und der stumpfe Winkel waren noch darstellbar (konnte ich notfalls selbst auf dem Fußboden nachsitzen), der gestreckte war eine Zumutung, auch im Hinblick auf die Hose; der überstumpfe war freakig und der "Vollwinkel" sah wie ein grotesker Unfall aus. Dass mich die mathematische Seite meiner Kopfkalamitätenshow nicht wirklich interessierte, müsste jeder verstehen, aber der Mathelehrer verstand es nicht.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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