WORT DER WOCHE ~ Schlange ~

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birke
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Beitragvon birke » 11.09.2015, 13:33

WORT DER WOCHE

- jede Woche ein neues Wort als Musenkuss -
Lyrik, Prosa, Polyphones, Spontanes, Fragmente, Schnipsel, Lockeres, Assoziatives, Experimentelles
- alles zu diesem Wort - keine Kommentare - alles in einem Faden - 7 Tage Zeit -


~~~ Schlange~~~
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.09.2015, 18:24

Er schlängelt sich durch's Leben. Keine festen Pläne, keine festen Wohnsitze. Er lebt von dem, was sich spontan ergibt. Man nennt ihn Lebenskünstler.

Er spart schon als Jugendlicher, hat einen Bausparvertrag, macht eine Lehre, studiert anschließend und besitzt mit Mitte 30 ein Haus mit Garten. Man nennt ihn Spießer.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 13.09.2015, 23:53

Unkontrollierbare Ängste: Ich war gerade im Safaripark in Sigean. Da war im Schlangenhaus ein Terrarium, in dem sich eine Python an der Glasscheibe aufgerichtet hatte. Protzig drückte sie ihren weißen Bauch an die Scheibe, mindestens eine Armlänge hoch. Vor mir her lief eine deutsche Familie durch das Gebäude, das mit niedriger Decke und gewölbtem Eingang wie eine Grotte wirkte. Ich hörte spitze Schreie, eines der Kinder rief: "Dann mach doch die Augen zu und geh schnell vorbei!"
Ich habe keine Schlangenängste und sah mir die Schlange genau an. War irgendwie stolz auf mich, absurderweise, denn es ist kein Verdienst, von archaischen Ängsten frei zu sein.

(Schlangen, die sich an der Glasscheibe aufrichten, machen mir nichts aus. Überhaupt habe ich nichts gegen ehrliche dicke Schlangen. Aber wenn mehrere lange, dünne Exemplare so verknotet in einer Ecke liegen, dass ich nicht erkennen kann, wo die eine anfängt und die andere aufhört, überkommt mich ein unkontrollierbarer Ekel.)
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.09.2015, 19:58

Auch wenn ich ein Parselmund wäre, würde ich mich wohl nicht auf einen Plausch mit einer Boa constrictor einlassen. Vielleicht gäbe es ein Missverständnis und sie begänge, mich langsam und genüsslich zu erwürgen.
Was ich allerdings an Schlangen faszinierend finde (eigentlich beneide ich sie darum), ist ihre Fähigkeit der kompletten Häutung. Tolle Vorstellung: einfach mal das Natternhemd zurücklassen und wie aus der Haut gepellt geht's weiter.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 14.09.2015, 23:19

Und ich bewundere die Fähigkeit, die Beute im Ganzen zu verschlingen und zu verdauen ...
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.09.2015, 12:46

*würg* das finde ich so schrecklich, Zefi. Wenn man das in Tierdokus sieht, halte ich immer die Luft an. *kicher*

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birke
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Beitragvon birke » 20.09.2015, 15:58

(ich hatte mal vor einiger zeit ein schlangengedicht für kinder geschrieben, poste es hier mal, weils so schön passt :))



schlangenlied

/zischend und züngelnd, auch im chor/

schlangengedicht
schlangengesicht
schlangen schlängeln
ums schlangengedicht
tsssssssssssssssssssss
blind schleichen
blindschleichen
(gar nicht blind)
in schlangenlinien
falsche schlange
brillenschlange
giftschlange
(häutet sich)
klapperschlange
schlacke, schlamm
schlanke schlange
luftschlange?
schlappe schlange
autoschlange
warteschlange
(warte lange)
schlangengedicht
schlangengesicht
falsche schlangen
beißen nicht!
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.09.2015, 20:06

Heute hat sie zugebissen, die Giftschlange. Ich sah sie heranschleichen, sah, wie sich ihr Maul öffnete und ließ es geschehen. Nun bin ich vergiftet und doch winde ich mich nicht. Ich höre weder Schreie im Kopf noch Aufruhr im Herzen. Also, was soll's.
Vielleicht häute ich mich gerade.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.09.2015, 19:00

Das 'Vielleicht' hat sich bewahrheitet. Heute habe ich einen großen Fetzen, etwa einen Meter lang, hinter mir gelassen. Durchsichtig und doch erstaunlich robust liegt dieses Stück meines alten Ichs da, rollt sich nicht ein. Aufheben werde ich es, als Erinnerung und Wegweiser zugleich.
Ich fühle, wie der Zugvogel, der immer in mir gelebt hat, beginnt, mit den Flügeln zu schlagen. Es fehlt noch ein wenig, aber ich spüre bereits freudig die Vorwehen des Windes.

Patrick
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Beitragvon Patrick » 28.09.2015, 21:33

»Wie soll ich euch denn unterscheiden? Ihr unterscheidet euch nur durch die Namen, sonst seid ihr einander ähnlich wie« - er stockte, unwillkürlich fuhr er dann fort -, »sonst seid ihr einander ja ähnlich wie Schlangen.«

Kafka, Das Schloss
Viele Grüße


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