WORT DER WOCHE ~ Wolkenkratzer ~

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birke
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Beitragvon birke » 07.07.2017, 14:32

WORT DER WOCHE

- jede Woche ein neues Wort als Musenkuss -
Lyrik, Prosa, Polyphones, Spontanes, Fragmente, Schnipsel, Lockeres, Assoziatives, Experimentelles
- alles zu diesem Wort - keine Kommentare - alles in einem Faden - 7 Tage Zeit -


~ Wolkenkratzer ~
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 07.07.2017, 17:42



Da steht er nun mit seiner Mistgabel. Hat sie hoch über seinen Kopf gereckt. Auf Zehenspitzen steht er. Wankt ein wenig. Reicht nicht hin. Reicht nie hin wie es sein soll. Will die Wolken kratzen. Dass sie sich wohlig räkeln. Dass sie ihm vor der Sonne bleiben. Auf dass es grau bleibt. Grau in Grau. Und sich darin auflösen. Er zupft an seiner Hose, seufzt, kennt alle Schattierungen beim Namen. Elisabeth. Ein Grollen. Was tut er jetzt. Er fürchtet sich vor ihrer Wut. Ihr Gesicht. Sein Blick wird scheu, er senkt ihn zu Boden, die Lider flattern. Auch sein Arm wird zögerlich. Die Hand klammert sich an den alten Stiel. Da ist ein Riss im Holz, da klemmt sich die Haut rein. Bis sie blutet. Sie blutet. Er duckt sich unter dem Donner. Blinzelt hinauf. Die ersten Tropfen fallen. Dick. Er hat sie angestochen. Denkt er. Jetzt hat er sie wieder verletzt. Jetzt löst sie sich auf. Und danach wird alles ins Gelb getaucht, wie in flüssiges Wachs. Konserviert. Als hätte es sie nie gegeben. Und dann zieht man die Haut ab in kleinen Fetzen und sieht die Fingerabdrücke an. Und dann werden sie beweisen, dass er schuldig ist, dass er sie berührt hat mit seiner rostigen Seite. Seine Abdrücke hat man festgehalten auf dem Amt. Die liegen in den Archiven, schwirren durch die Tiefen irgendeines verf verf verfluchten Computers. Grün flackerte das Licht unter seinen Rillen. Sie müssen ruhig bleiben, Herr. Pause. Die Frau hatte ihn längst vergessen. Wie alle immer an ihm vorbeisehen. Auf ihrem Schild stand: Frau Grau. Das glaubt doch keiner. Darüber muss man den Kopf schütteln. Und er schüttelte. Und da hatte sie ihn angesehen, für einen Moment, als wäre er ein Flüchtling. Nein, ein Entflohener. Ein Flehender. Elisabeth. Er geht nach Haus. Die Mistgabel ruht auf seiner Schulter und in einem Anfall von Mut zückt er den Spiegel. Fängt ihr Bild ein für die Nacht. Und wie schön sie darin schweigt. Fast meint er, sie lächelt ihm zu.

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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