WORT DER WOCHE ~ Zeitlupe ~

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birke
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Beitragvon birke » 12.02.2021, 08:14

WORT DER WOCHE

- jede Woche ein neues Wort als Musenkuss -
Lyrik, Prosa, Polyphones, Spontanes, Fragmente, Schnipsel, Lockeres, Assoziatives, Experimentelles
- alles zu diesem Wort - keine Kommentare - alles in einem Faden - 7 Tage Zeit -


~ Zeitlupe ~
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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birke
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Beitragvon birke » 12.02.2021, 09:52

ein schillernder tropfen
fällt
und zerbricht
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 16.02.2021, 00:14

Im Gedächtnis schlummerndes Aufgeschnapptes schnippt schnurstracks aus dem Schnabel und prompt ertönt Dahingesagtes. -- Lasset uns. Langsamer tun. Jene stracken Schnüre aufdröseln. Näher hinsehen. Mit der Lupe. Entspinnen und erkennen: Nicht jeder aufgeschnappte Gedanke ist allanwendbar.

Beispiel. Da meint ein Kalenderspruch: Wenn ein Angegriffener sich empört, offenbare dies einen Treffer auf einen bereits vorhandenen wunden Punkt. Hm. Ist das immer so? Eine so dahingesagte Kalenderweisheit heiligt doch jeden Angriff. Als erhellte dieser etwas, das schon lange repariert gehört.

Aber der Spruch klingt einleuchtend, also schnappt man ihn auf: Man schraubt die gleiche Lampe unter die eigene Hirnkuppel, auf dass sie angehe, wann immer die Geräuschkulisse "Verletzung" ruft. Dieses Angehlicht verbalisiert sich dann zu: "Oje, tut mir leid, wenn ich dich angegriffen habe. Hätte ich nur meinen Mund gehalten. Andererseits war da schon ein wunder Punkt bei dir; darüber solltest du mal grundsätzlich nachdenken."

Langsam.

Möglicherweise war der Angegriffene eben noch ganz gesund. Frei von Wunden.

Man stelle sich vor, wo das hinführte, wenn man jedem sich angegriffen Fühlenden eine vorherige Wunde unterstellte. "Ich schlage dir die Fresse ein und du weinst? Oh, da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen."

Nun, man kann ja durchaus immer einen wunden Punkt unterstellen. Demnach ist der Mensch insgesamt ein wunder Punkt. Diese Erkenntnis ist aber banal; natürlich platzt der Ballon wenn man ihn sticht. Damit ist das Leben im Großen Ganzen eine Wunde der Natur. Und weil das Finger-in-die-Wunde-legen immer so gerechtfertigt daherkommt, wäre prinzipiell jede Lebensbeschädigung berechtigt, allein der Wundenanzeige wegen. Jemanden vergewaltigen, etwa, hieße dann: Bloß den Finger in die Wunde legen.






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