Wachsweiche Eier kochen mit dem Siemens C62
Verfasst: 23.06.2006, 11:34
thomas milser
Wachsweiche Eier kochen mit dem Siemens C62
<p align="justify"> xx Ein sanftes Stöhnen, nein, ein tiefes, geräuschvolles Ausatmen war es wohl, das mich an diesem Vormittag erwachen ließ, ein unbekanntes Geräusch in meinem Gemach, dem Schlafgemach, dem Ort der Einkehr und der Stille. Sie war wunderschön, trug nur das Nötigste, und roch nach Frau, wie Frauen am Morgen zu riechen haben. Es war nichts geschehen am Abend; wir hatten uns nur aneinander geschmiegt, wie sich das für die erste Nacht ja auch geziemt. Denn anscheinend kam sie aus gutem Hause; soviel hatte ich heute Nacht noch verinnerlicht, bevor ich dem Rotwein in einen unruhigen Schlummer gefolgt war. Und nun, als ich erwachte, schlief das teure Kelchglas friedlich in stabiler Seitenlage am Kopfende des Bettes auf dem Teppich und hatte - wohl im Traum - ein ebenso ansprechendes wie unauswaschbares Aquarell in bestattungsunternehmenfarbenem Purpur auf den ohnehin schon violetten Kurzflor erbrochen. Dass ich den Teppich noch kurz zuvor frisch geschäumt und gefönt hatte, auf dass es nett und frisch im Raume röche, nützte da jetzt wohl auch nichts mehr, und ich würde meine raumpflegerischen Ambitionen vermutlich nicht mehr ins Poesiealbum der jungen Dame einkalligraphieren können. Sie wird's wahrscheinlich schäbig finden. Aber sie schlummert ja noch. Das leere Glas kann ich ja schonmal entsorgen.
xx Dem Baby musst du was bieten, schießt es mir durch das schlaftrunkene Gestirn, und ich entschließe mich, ihr das perfekte, mit traumwandlerischer Sicherheit auf den Punkt gebrachte Frühstücksei zu servieren. Sowas kommt immer gut. Den Kaffee schön frisch aufgebrüht im Bodum, und das Brot knusprig leckör. Den Piccolo würde ich erst anschließend aus dem Hut zaubern, wie es uns Dramaturgen anheim ist, nach dem Frühstück, rechtzeitig zu dem schon jetzt längst überfälligen Mittagsschlummer.
xx Ich öffne den Kühlschrank. Soso, Bio-Eier Güteklasse 0, also voll dick und sauoval. Geschätzt: Fünf Minuten dreißig bis zum Nicht-mehr-schlabbrig-Sein. Das Weiße fest, das Gelbe spermatös. Einfach mal anders rum als sonst. Aber womit soll ich die Eier jetzt timen? Mein Blick schweift umher, aber ich weiß schon, dass er nicht das erhaschen kann, was jetzt so nötig wär': Ein absolut präzises Zeiteisen.
xx Weil ich sowas nämlich gar nicht besitze. Keine Küchenuhr, keine Sand- oder Eieruhr, der Wecker hat auch keinen Sekundenzeiger, nur den ungefähren Sonnenstand hab ich. Südsüdost. Auffrischende Winde. Normalerweise ist das genau genug. Aber die Eier. Die Eiaoweiadieeia.
xx Na klar: Das Mobiltelefon! Das hat doch allerhand Funktionen, da sollte was Passendes dabei sein. Also: Wie war das hier mit dem Menü? Uhr und Wecker mit Sekundenanzeige (schon mal gut), Stoppuhr (ah!), und dann noch Countdown. Countdown? Yeah! Wie cool ist das denn? Ich lass jetzt die Eier digital runterzählen. Cape Canavarel für die Frühstücksrakete. Powered by Siemens.
xx Ich höre sie hinter mir die Treppe hochtapsen. Jetzt schnell noch die Eier anpieksen. Kein Eierpiekser da. Natürlich nicht. Ich hatte ja auch noch nie einen. Ich erwische in letzter Sekunde die olle, verrostete Reißnadel aus der Schublade, bohre sie vorsichtig aber fordernd in die Unterleibe der Hühnerbrut, die ich dann elegant über den güldenen Löffel in die brodelnde Brühe kullern lasse, als mich ihre Arme auch schon von hinten zart und noch ganz schlafschlaff umkraken, meine allerliebste Oktopussi.
xx Magst du Fisch, Süße, hmm? bonvivante ich. Sie atmet in meinen Nacken und schnurrt leise, sagt aber nichts. Aus den Eierlöchern ergießen sich weiße Fäden in die Eiersuppe. Ich versuche, nicht den Faden zu verlieren. Ich hab Lachs da und Meerettich, wie wärs? Ja. Sie fläzt sich auf den Küchenstuhl. Sie hat einen alten Schlabberpulli von mir übergeworfen. Sie guckt. Der Tisch ist natürlich schon gedeckt. Stolz präsentiere ich meinen Edelstahl-Eierknipser. Ein Metallring mit zwei Scherengriffen dran, die bei Betätigung ein obszönes Haifischgebiss ins Innere des Ringes und somit in die Schale des Eis schnappen lassen, über das man das Gerät zuvor gestülpt hat. Danach kann man damit unter leichtem Ruckeln das Köpfchen abheben. Als Mann denkt man dabei unweigerlich an Folterkeller des finstersten Mittelalters.
xx Die Eier sind total schlabberig. Mir wird schwarz vor Augen. Welche Schmach! Es dämmert mir. Ich hatte im Tran 3:30 eingestellt. Das reicht für dicke Eier nicht. Sie lächelt, setzt das Ei an den Mund und schlürft das Weiße weg. Und löffelt dann mit viel Salz das Gelbe aus. Ein bisschen davon tropft ihr aus dem Mundwinkel. Ich mache ihr einfach alles nach.
xx Sie beißt ein einziges Mal herzhaft in den zart verkohlten Vollkorntoast mit der geschmolzenen Butter und schüttet noch rasch einen tiefen Schluck vom kochend heißen Kaffee hinterher. Scheiß auf den EINGEPACKTEN Fisch sagt sie und steht langsam auf und geht aus der Küche und dreht sich in der Türe noch einmal zu mir um und guckt dabei ganz seltsam.
xx Beim Verlassen der Küche fische ich noch geschickt die Sektflasche aus der Kühlschranktüre, zum Glück mit Schraubverschluss; da kann so schnell nichts rausspritzen beim Öffnen. Aber entschuldigt mich jetzt bitte, ich muss runter ins Unterdeck zum Austernschlürfen. Vielleicht finde ich ja eine Perle.</p>
1*geändert nach Moshe
1*geändert nach Leonie
1*geändert nach Gerda
Wachsweiche Eier kochen mit dem Siemens C62
<p align="justify"> xx Ein sanftes Stöhnen, nein, ein tiefes, geräuschvolles Ausatmen war es wohl, das mich an diesem Vormittag erwachen ließ, ein unbekanntes Geräusch in meinem Gemach, dem Schlafgemach, dem Ort der Einkehr und der Stille. Sie war wunderschön, trug nur das Nötigste, und roch nach Frau, wie Frauen am Morgen zu riechen haben. Es war nichts geschehen am Abend; wir hatten uns nur aneinander geschmiegt, wie sich das für die erste Nacht ja auch geziemt. Denn anscheinend kam sie aus gutem Hause; soviel hatte ich heute Nacht noch verinnerlicht, bevor ich dem Rotwein in einen unruhigen Schlummer gefolgt war. Und nun, als ich erwachte, schlief das teure Kelchglas friedlich in stabiler Seitenlage am Kopfende des Bettes auf dem Teppich und hatte - wohl im Traum - ein ebenso ansprechendes wie unauswaschbares Aquarell in bestattungsunternehmenfarbenem Purpur auf den ohnehin schon violetten Kurzflor erbrochen. Dass ich den Teppich noch kurz zuvor frisch geschäumt und gefönt hatte, auf dass es nett und frisch im Raume röche, nützte da jetzt wohl auch nichts mehr, und ich würde meine raumpflegerischen Ambitionen vermutlich nicht mehr ins Poesiealbum der jungen Dame einkalligraphieren können. Sie wird's wahrscheinlich schäbig finden. Aber sie schlummert ja noch. Das leere Glas kann ich ja schonmal entsorgen.
xx Dem Baby musst du was bieten, schießt es mir durch das schlaftrunkene Gestirn, und ich entschließe mich, ihr das perfekte, mit traumwandlerischer Sicherheit auf den Punkt gebrachte Frühstücksei zu servieren. Sowas kommt immer gut. Den Kaffee schön frisch aufgebrüht im Bodum, und das Brot knusprig leckör. Den Piccolo würde ich erst anschließend aus dem Hut zaubern, wie es uns Dramaturgen anheim ist, nach dem Frühstück, rechtzeitig zu dem schon jetzt längst überfälligen Mittagsschlummer.
xx Ich öffne den Kühlschrank. Soso, Bio-Eier Güteklasse 0, also voll dick und sauoval. Geschätzt: Fünf Minuten dreißig bis zum Nicht-mehr-schlabbrig-Sein. Das Weiße fest, das Gelbe spermatös. Einfach mal anders rum als sonst. Aber womit soll ich die Eier jetzt timen? Mein Blick schweift umher, aber ich weiß schon, dass er nicht das erhaschen kann, was jetzt so nötig wär': Ein absolut präzises Zeiteisen.
xx Weil ich sowas nämlich gar nicht besitze. Keine Küchenuhr, keine Sand- oder Eieruhr, der Wecker hat auch keinen Sekundenzeiger, nur den ungefähren Sonnenstand hab ich. Südsüdost. Auffrischende Winde. Normalerweise ist das genau genug. Aber die Eier. Die Eiaoweiadieeia.
xx Na klar: Das Mobiltelefon! Das hat doch allerhand Funktionen, da sollte was Passendes dabei sein. Also: Wie war das hier mit dem Menü? Uhr und Wecker mit Sekundenanzeige (schon mal gut), Stoppuhr (ah!), und dann noch Countdown. Countdown? Yeah! Wie cool ist das denn? Ich lass jetzt die Eier digital runterzählen. Cape Canavarel für die Frühstücksrakete. Powered by Siemens.
xx Ich höre sie hinter mir die Treppe hochtapsen. Jetzt schnell noch die Eier anpieksen. Kein Eierpiekser da. Natürlich nicht. Ich hatte ja auch noch nie einen. Ich erwische in letzter Sekunde die olle, verrostete Reißnadel aus der Schublade, bohre sie vorsichtig aber fordernd in die Unterleibe der Hühnerbrut, die ich dann elegant über den güldenen Löffel in die brodelnde Brühe kullern lasse, als mich ihre Arme auch schon von hinten zart und noch ganz schlafschlaff umkraken, meine allerliebste Oktopussi.
xx Magst du Fisch, Süße, hmm? bonvivante ich. Sie atmet in meinen Nacken und schnurrt leise, sagt aber nichts. Aus den Eierlöchern ergießen sich weiße Fäden in die Eiersuppe. Ich versuche, nicht den Faden zu verlieren. Ich hab Lachs da und Meerettich, wie wärs? Ja. Sie fläzt sich auf den Küchenstuhl. Sie hat einen alten Schlabberpulli von mir übergeworfen. Sie guckt. Der Tisch ist natürlich schon gedeckt. Stolz präsentiere ich meinen Edelstahl-Eierknipser. Ein Metallring mit zwei Scherengriffen dran, die bei Betätigung ein obszönes Haifischgebiss ins Innere des Ringes und somit in die Schale des Eis schnappen lassen, über das man das Gerät zuvor gestülpt hat. Danach kann man damit unter leichtem Ruckeln das Köpfchen abheben. Als Mann denkt man dabei unweigerlich an Folterkeller des finstersten Mittelalters.
xx Die Eier sind total schlabberig. Mir wird schwarz vor Augen. Welche Schmach! Es dämmert mir. Ich hatte im Tran 3:30 eingestellt. Das reicht für dicke Eier nicht. Sie lächelt, setzt das Ei an den Mund und schlürft das Weiße weg. Und löffelt dann mit viel Salz das Gelbe aus. Ein bisschen davon tropft ihr aus dem Mundwinkel. Ich mache ihr einfach alles nach.
xx Sie beißt ein einziges Mal herzhaft in den zart verkohlten Vollkorntoast mit der geschmolzenen Butter und schüttet noch rasch einen tiefen Schluck vom kochend heißen Kaffee hinterher. Scheiß auf den EINGEPACKTEN Fisch sagt sie und steht langsam auf und geht aus der Küche und dreht sich in der Türe noch einmal zu mir um und guckt dabei ganz seltsam.
xx Beim Verlassen der Küche fische ich noch geschickt die Sektflasche aus der Kühlschranktüre, zum Glück mit Schraubverschluss; da kann so schnell nichts rausspritzen beim Öffnen. Aber entschuldigt mich jetzt bitte, ich muss runter ins Unterdeck zum Austernschlürfen. Vielleicht finde ich ja eine Perle.</p>
1*geändert nach Moshe
1*geändert nach Leonie
1*geändert nach Gerda