madonna

carl
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Beitragvon carl » 28.06.2006, 14:55

wenn ich dein gesicht betrachte
zieht mich alles zu dir hin!
was besseres ist mir nicht eingefallen.
wenn ich dein gesicht betrachte
bin ich mein herz los
du hast den zuschlag.

braune irisse ganz asymmetrisch
machen deinen blick
entwaffnend und verletzbar
wecken gleich vertrauen und zeigen dich
ja – ernsthaft – wie du bist
wenn du nicht grinst wie jetzt!

dann fall ich von der rolle...
aus falten rund um deine augen
lugt ein junges mädchen
mit einer lücke in den zähnen
das lacht und überstrahlt ganz
dein gesicht.

so überaus lebendig ist der mund
ein gegenspieler deiner ruhigen augen.
als die mich damals klassisch keusch
nach meinen absichten befragten
nahm der sich gleich den ersten kuss
begierig mir den atem.

ich hab auch hier kein bessres wort
denn so ist es gewesen:
den atem nahmst du mir
bis in den beckenboden ab –
und hast doch nichts
gar nichts von dir zurückgehalten...

und sollten wir noch hundert mal
zusammen schlafen, wird's nicht mehr
als dieser eine atem
der stark und tief im kuss
durch unsre beiden körper
stieg und fiel.

seither hör ich die brandung rauschen
bei dem gewissen zucken deiner lippen –
jetzt muss ich aber aufhörn
dich mit worten zu ertasten
wie mit blicken sonst wenn
mehr nicht ging (der andern wegen):

damit du nicht erkannt wirst
und man nicht in den straßen auf dich zeigt!
ich bin ja nicht der erste und der letzte
der dich liebt und keiner
bleibt für immer.
vielleicht sein bild.

wenn immer ich dein bild betrachte
fällt mein herz dir zu.
es bleibt nur dieses wort.
Zuletzt geändert von carl am 01.07.2006, 13:12, insgesamt 1-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 28.06.2006, 15:38

carl,
auf den ersten Blick ein sehr guter Wurf!

Ich verhake mich in der ersten Strophe, deshalb ein Vorschlag:
was besseres fiel mir nicht ein
wenn ich dein gesicht betrachte,
bin mein Herz nun los
und du hast den ersten Zuschlag

Mit der Stelle:
'wie mit blicken sonst wenn
mir nicht ging (der anderen wegen):'
lande ich restlos im Dickicht.

moshe.c

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 28.06.2006, 20:45

Hallo carl,

das gefällt mir. Der Gedanke am Schluss verunsichert mich natürlich. Du bleibst auch nicht der Letzte, der sie liebt. Was für ein schrecklicher Gedanke...

Meine erste Frage gilt dem Titel: Soll das Italienisch sein? Soweit ich mich an meine zahlreichen Italienischlehrerinnen erinnere, die mich alle für unbegabt hielten, heißt "ma" doch soviel wie "aber". Meine Frau wäre dann. La mia donna? Oder? Ist das gemeint? "Aber Frau". Oder hat das was mit Madonna zu tun?

Grüße

Paul Ost
Zuletzt geändert von Paul Ost am 01.07.2006, 15:44, insgesamt 1-mal geändert.

carl
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Beitragvon carl » 01.07.2006, 13:17

Hallo Paul,

ich dank Dir für den Hinweis! Habs schon berichtigt...

Lieber Moshe,

da liegt wohl ein Lesefehler vor:

"jetzt muss ich aber aufhörn
dich mit worten zu ertasten
wie mit blicken sonst wenn
mehr nicht ging (der andern wegen):

damit du nicht erkannt wirst!"

Gemeint ist: Jemanden mit Blicken, ja, in sich aufnehmen?, ausziehen? (sicher auch), jetzt mit Worten die Verbindung zu ertasten suchen...
Wenn mehr nicht ging (z.B. das konkrete Ausziehen, um der andern Beziehungen willen)...

Liebe Grüße, Carl

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 01.07.2006, 13:43

Hall0o Carl,
das 'mir' war ein einfacher Schreibfehler von mir, pardon.

Mit Dickicht meine ich, daß ich die Stelle beim Lesen überhaupt nicht hinbekomme. Den Inhalt verstehe ich wohl.

moshe.c

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.07.2006, 09:36

Die Stimmung gefällt mir, viele Bilder sind wieder einmal außergewöhnlich neu und trotzdem voller Wärme und Treffischerheit (eine seltene Kombination). Auch wenn Duras Liebhaber eine ",leicht" andere geschichte erzählt, so ist für mich die Stimmung (Buch und Film zusammen genommen) eine ganz ganz ähnliche wie in diesen beiden Werken. Ein stechender schmerz in einer heißen Welt, trotzdessen die Frau schon lange Fältchen um die Augen hat, ist ihre Gestalt des jungen Mädchens viel gegenwärtiger als alles andere.

Dieser Text berührt mich mehr als der "Ritatext", obwohl er gleichauf von sehnsucht handelt, vielleicht, weil Phantasie und Schilderungen dichter beieinander liegen für das Ich.

ich kämpfe etwas mit der Form, der Rhythmus liest sich wirklich extrem wie ein Prosatext...ich kann schwer damit umgehen...wahrscheinlich ist es von dir ganz bewusst gewählt, aber ich komme nicht darüber hinweg...(soll man das nicht?)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

carl
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Beitragvon carl » 03.07.2006, 12:05

Liebe Lisa,

Dank für Deine Rückmeldung! Die Wärme stammt wohl aus der Beteiligung des Herzens und die Bilder aus der Meditation des "Urbildes" (dem Anblick des geliebten Menschen). Es sind übrigens Lachfalten...
Den Duras (welchen?) kenne ich nicht...
Für mich liest sich der Text ziemlich rhythmisch und flüssig, (fast) immer eine Hebung und eine Unbetonte, also ziemlich weit entfernt von Prosa.
Deinem Kommentar entnehme ich, dass das nicht rüberkommt...
Das war mir wichtig zu hören!
Ich habe Moshe so verstanden, dass es ihm ähnlich geht (zumindest auf der inhaltlichen Ebene).

Liebe Grüße an euch beide, Carl


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