was prägt

Niko

Beitragvon Niko » 05.10.2006, 23:35

was prägt


hinter jeder mauer
und den gestoßenen häuserwinkeln
ein scharfrichter
vor den kerkern
gewande(l)t als friedenstifter
moral
schreien sie
über den kirchturmshahn
vor dem gang
zu den freuden
mädchen verlieren
die horizonte in nächten
wenn bauern
die keimende saat zerpflügen

normal ist dies:
die hundertjährige Kastanie
am zerbrochenen dorfkrug
die vielen wege
hin zur mitte
wo heute noch
der pranger mahnt
normal das zerlegen
an der fleischertheke
kopfmorde
und vorgehaltene hände
mädchen
vorblühtig verwelkt
das verderben
die vielen schatten
heimlich im dunkeln
bloßgestelltes

und täglich
beerdigungen
Zuletzt geändert von Mucki am 07.07.2011, 12:12, insgesamt 4-mal geändert.
Grund: Nach Absprache mit Niko Text von Gabriella wieder eingesetzt am 7.7.2011

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 05.10.2006, 23:52

Lieber Niko,

eine Rückmeldung rein vom Gefühl her:
mädchen verlieren
die horizonte in nächten
wenn bauern
die keimende saat zerpflügen

... hier ist mir das "horizonte in nächten" zu weit geworfen - zu breitwürfig, sagt man wohl in Gärtnerkreisen, oder ...? Jedenfalls bin ich an dieser Stelle sehr gestolpert, weil alle anderen Bilder so konkret sind.

Ich bin nicht so recht sicher, ob ich "ein richter ein henker" gut finde. Das ist eine Formulierung, die sehr stark besetzt ist, man deucht sich auf der Stelle in der Schweiz. Ich jedenfalls.

Davon abgesehen finde ich es großartig, besonders die zweite Strophe mit dem Metzgerthema.

Herzliche Grüße
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Niko

Beitragvon Niko » 05.10.2006, 23:59

hallo zefi!

danke für deine schnelle rückmeldung. die dürrenmatt stelle (der richter und sein henker) hab ich jetzt umgewandelt. von den horizonten mag ich mich (noch nicht) trennen.

lieben gruß: Niko

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 06.10.2006, 00:12

Wie ist es denn nun gemeint? Könnte es sein, dass die angesprochenen Mädchen über die Enge des Ortes hinausdenken (horizonte) und diesen Traum einbüßen über dem, was in den Nächten geschieht?

Dann muss es wohl breitwürfig sein - trotzdem, irgendwas stört mich daran. Heute las ich in einem Kommentar zu einem anderen Text: "Das ist mir zu pathetisch, oder zu wenig pathetisch." Kann sein, dass es mir gar nicht zu weit gefasst ist, sondern im Gegenteil zu beengt.

Ist natürlich mein Problem und nicht Deins, wenn ich selbst nicht weiß, was mich eigentlich stört ... :icon_redface2:

Nichtsdestotrotz ein Gedicht, das in Kopf und Bauch geht.

lG Zefi
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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(Ikkyu Sojun)

Max

Beitragvon Max » 08.10.2006, 17:48

Lieber Niko,

das finde ich eine sehr eindrückliche Beschreibung von Heimat. Ehrlich gesagt kommt mir die zweite Strophe dabei allerdings noch deutlich lesbarer vor. Bei der ersten kämpfe ich zum teil mit den Zeilenübergängen und versuche (hoffentlich nicht vergeblich) den richtigen Sinn darin zu finden.

Liebe Grüße
max

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 09.10.2006, 20:10

Lieber NJ,

ein sehr dichter Text. Ich lese ihn als Kritik an einer viel zu engen und von Doppelmoral geprägten Kleinstadt- (Dorf-) Heimat, in der die soziale Kontrolle so eng ist, dass kaum Freiheit bleibt, anders zu sein, als die anderen.

Könnte aber auch an meinem derzeitigen Wohnort liegen...

Grüße

Paul Ost

Niko

Beitragvon Niko » 09.10.2006, 20:11

Bei der ersten kämpfe ich zum teil mit den Zeilenübergängen und versuche (hoffentlich nicht vergeblich) den richtigen Sinn darin zu finden.


der weg ist das ziel, max! :pfeifen:

aber du hast schon recht: die zweite strophe ist klarer strukturiert als die erste. ein überarbeiten finde ich aber sehr schwierig. dazu müsste ich dann warten, bis mich wieder der lyrische hafer sticht. aber im moment piekst mich nix...

lieben gruß: Niko


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