Punkt

Peter

Beitragvon Peter » 06.06.2008, 22:35

Die Straße. Im aufkommenden Licht eines sich nähernden Autos
scheint sie eine Schlafdecke, so sanft ziehen ihre Unebenheiten auf.
Dabei geht ein kalter Wind, in den Gärten zittern die Schatten.
Hui, machen die Fenster. Dieses sanfte Grauen.
Der Kirchturm im anderen Fenster vor dem weiten, weiten Horizont.
Lichtgrau; Täuschung aus Stein; zu vermutende Leichtigkeit.
Skizzenhaft die Ferne dahinter. Die einzelnen Lichter.
Ein Wolkengrau oben, das zu Sternen wird.
Ist das wohl die Stunde, die von der Turmuhr schlägt?
Verweht; Hui. Fällt sie so durch die Kälte?
Oder geht sie nur scheinbar vorüber; weiß vom Winter nichts?
Mir will es kaum anders gehen.
Nur selten nimmt das Dasein das Dasein auf.
Da reibt es sich hinein, wie heute, man bringt die Kälte heim,
aber was sie denn war, und der Weg, und der Tag, und doch jedes,
was sich nur wie Zeichen niederschlägt in dir,
will nie sichtbar sein.
Du hast eben deines, das um dich grenzt (wie auf Wärmebildern),
deine Farben, in die der Wind schlägt, dein Auge.
Aber was es denn ist, was da reibt, schlägt, verliert sich in Windungen.
Du, deine weiße Flamme, in deinem Irrgarten, in deinen Windungen
verschiedner, wie es scheint, hoher und tiefer Ebenen,
bleibst dem Dasein verborgen.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 16.06.2008, 09:48

Lieber Peter,

es zieht ein Rhythmus auf in diesen Zeilen, der mich mitnimmt, als würden die Worte mich an der Hand nehmen und ein Hinschauen ermöglichen. Hui. Das habe ich sehr gern gelesen und darüber nachgedacht.

liebe Grüße smile

Peter

Beitragvon Peter » 19.06.2008, 12:35

Liebe Smile,

(schade, dass du deine Fragen gelöscht hast. Sie kamen mir vor, als würdest du dich innerhalb des Textes umsehen. Eigentlich ist alles da, aber es bleibt trotzdem eine Frage.)

Der Rhythmus ist bestimmt das eigentliche Anliegen des Textes. Es gibt ein Bild für ihn, meinem Lesen nach: die Schlafdeckenstraße.

(Möchtest du die Fragen nicht wieder einstellen?)

Liebe Grüße,
Peter

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 20.06.2008, 09:28

Lieber Peter,

Fragen? :pfeifen:

( :icon_redface: Ich würde sie ja schon wieder einstellen, aber sie sind mir in die Leere zwischen Weg und Punkt gefallen. .-) Und ich glaube die Bewegung darin kann ich nicht noch einmal beschreiben, nachvollziehen, weil sie wirklich wie du sagst ein Umsehen im Text war, der erste Eindruck einer neuen Landschaft und der lässt sich nicht wiederholen.)

Was ich aber sagen kann, ist dass das Gedicht bei jedem lesen an Selbstverständlichkeit gewinnt, als könne es gar nicht anders geschrieben sein. Oder anders, als würde sich der Rhythmus des Gedichtes langsam in einem selbst ausbreiten. Die Fragen sinken in die Worte und langsam entsteht, wächst daraus (seltsamerweise) eine Ruhe. "Zu vermutende Leichtigkeit"?

liebe Grüße smile

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 29.06.2008, 15:19

Lieber Peter,

weißt du was? Ich habe wirklich lange gebraucht, um unterschiedliche Texte von dir als unterschiedlich lesen zu können - so wie das Ohr an manche Musik nicht gewöhnt ist und ihm deshalb vieles gar nicht wahrnehmbar ist, aber inzwischen kann ich die Nuancen glaube ich ein bisschen lesen - der Text erinnert mich ein bisschen an den mit der schrägen Straße, es scheint mir dieselbe Gegend, aber dann ist es doch ein andere Laune. So wie wenn man Freude daran hat, wenn man die Schultern im Wetter hochzieht (hui). Die Perspektive hat diesen weichen Reiz des Kindlichen, aber eben nur, weil kein Kind spricht.

Dann erinnert mich der Text an zwei andere Texte - einen kleinen Text von Kafka "Gibs auf" (http://www.textlog.de/32105.html) und einen von Goethe oder Schiller, dessen Namen ich nicht mehr weiß - es handelte von einem Skelett, das fast nicht mehr pünktlich zum ende (uhrenschlag) der geisterstund zurückfindet - beide in der Schule gelesen. Passt das nicht - dein Text ein Zwischen zwischen aufgeben und es als warmes skelett doch zu schaffen? ich finde, nimmt man es nicht zu schwer, ja.

Das "du hast eben deines" finde ich fein gesetzt, weil es sich auf alle bezieht, ein Selbstansprache ist und zugleich auch eine Anrede an ein Gegenüber - das schafft eine dichte Stimmung und ich glaube diese Position ist überhaupt eine Haltung deiner Sprache, die sie ausmacht.

(Vielleicht würde ich diese Zeile streichen (in einem längerem Erzähltext würd sie Raum haben, hier fände ich es aber ohne sie offener, weniger herbeigedacht, räsonierend))

verschiedner - verschiedener?

Am Ende dann nimmt der Text noch eine schöne Öffnung zum Titel und Monatsthema.

Ich freu mich immer Texte von dir hier im Forum..
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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