Seite 1 von 1
Morgenstund
Verfasst: 15.09.2009, 18:17
von Charly
VERSION 2
Irgendwo schreit ein Baby.
Sanft streicht der Wind durch das Laub. Entlockt ihm leises Rauschen, das sich anhört wie abertausend glänzende Fischleiber unter der Wasseroberfläche.
Ein Fuchs schleicht an ihm vorbei.
Taufrisches Gras wiegt sich hin und her, versucht die ersten Sonnenstrahlen des Tages einzufangen.
Schüchtern erheben sich vereinzelt Nebelschwaden.
Verschlafen liegt das Dorf zu seinen Füßen, verträumt das Haus, in dem er geboren.
Vögel begrüßen den Tag, stimmen ein in den Lobgesang namens Leben.
Die endlose Weite der Wiesen und Wälder ist nur einen Knacks entfernt von der Unendlichkeit des Universums. Überwunden durch Hölzer, die unter seinen Füßen nachgeben.
VERSION 1
Irgendwo schreit ein Baby.
Sanft streicht der Wind durch das Laub. Entlockt ihm leises Rauschen, das sich anhört wie abertausend glänzende Fischleiber unter der Wasseroberfläche.
Taufrisches Gras wiegt sich hin und her, versucht die ersten Sonnenstrahlen des Tages einzufangen.
Schüchtern erheben sich vereinzelt Nebelschwaden.
Verschlafen liegt das Dorf zu seinen Füßen, verträumt das Haus in dem er geboren.
Vögel begrüßen den Tag, stimmen ein in den Lobgesang namens Leben.
Die endlose Weite der Wiesen und Wälder ist nur einen Knacks entfernt von der Unendlichkeit des Universums. Überwunden durch Hölzer die unter seinen Füßen nachgeben, einen den Strick zwischen Ast und Genick.
Verfasst: 15.09.2009, 19:23
von Mucki
Hi Charly,
da hab ich ja mit allem gerechnt, aber nie im Leben mit so einem morbiden Schluss! Hui! Das kommt wirklich überraschend. Ich bin regelrecht zusammengezuckt. ,-)
Ich würde übrigens den letzten Satz nach "nachgeben" beenden. Das ist raffinierter. Das "einen Strick zwischen Ast und Genick" braucht es gar nicht mehr. Dafür könntest du diese sechs Worte noch oben im Text unterbringen.
Gelungen, Charly, das Drabblen liegt dir im Blut, keine Frage!
Saludos
Mucki
P.S: Ich dachte zuerst, dass das "einen Knacks entfernt" ein Tippfehler wäre und und du "Klacks" schreiben wolltest. Aber als ich den Schluss las, passte es natürlich, und wie!
Verfasst: 15.09.2009, 21:04
von Charly
Vielen Dank liebe Gabriella!
Ich war mir nicht sicher ob das Ende deutlich genug rüberkommt, deshalb noch der Strick.
Ich versuche es zu ändern.
Dieser Drabble entstand nach der Frage ob Drabbles am Ende abgelacht werden müssen. Nicht zwangsweise, würde ich sagen ...
Verfasst: 15.09.2009, 21:23
von Mucki
Hi Charly,
klar kommt auch ohne den Zusatz mit dem Strick das Ende deutlich rüber!
Dein Drabble ist ein gutes Beispiel für eine völlig überraschende Pointe, die kein Lacher ist, sondern einem sozusagen der Schluss im Halse stecken bleibt. Finde ich klasse!
Saludos
Mucki
Und wenn ...
Verfasst: 15.09.2009, 21:25
von DonKju
... dann blieb einem hier das Lachen wohl im Halse stecken; Schön auf die idyllische Naturfährte gelockt und dann trocken, aber ziemlich heftig in die Realität zurückgeholt - auch von mir : Gelungen ! Allerdings würde ich den Strick ruhig im Text lassen, vielleicht nur das "einen" durch "den" ersetzen, mal so als mein Vorschlag dazu ...
Und 'nen lieben Gruß an Charly von Hannes
Verfasst: 15.09.2009, 21:30
von leonie
Lieber Charly,
hm, ich weiß nicht so recht, ob ich das gut finde. Natürlich werden Drabbles auf den Überraschungseffekt hin geschrieben, aber hier steht mir das zu sehr in einem Unverhältnis zum Inhalt.
Das mag damit zusammenhängen, dass am Schluss für mich nur das letzte gruselige Bild hängen bleibt.
Da ich leider Menschen kenne, die auf genau diese Weise einen Angehörigen verloren haben, kann ich das als Drabble-Text vermutlich einfach nicht gut ertragen, geschweige denn würdigen.
Ich rage mich gerade, wie ein Text sein müsste, damit ich ihn angemessen finde für dieses Thema...Eine Antwort habe ich aber auch noch nicht.
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 15.09.2009, 21:54
von Charly
Hallo Bilbo, hallo Leonie, vielen Dank euch für eure Meinung.
Ich habe in Version 2 den Schluß geändert und noch mehr Leben reingepackt. In Version 1 ein Wort geändert.
Allgemein bemerkt: Warum sollte jemand, der aus welchem Grund auch immer - freiwillig - aus diesem Leben scheidet nicht SEINEN Frieden und Einklang mit sich und der Natur gefunden haben? In dem Moment wo alle Last von ihm abfällt?
Nein, ich bin kein Befürworter von Suicid. Und für die Hinterbliebenen ist es auch bestimmt nicht besonders angenehm.
Ich will auch diesen Vorgang nicht beschönigen. Andererseits denke ich aber, dass die Möglichkeit einer solchen Situation nicht auszuschließen ist.
Das Leben ist nun einmal nicht einseitig.
Verfasst: 15.09.2009, 22:12
von Mucki
Hi Charly,
ja, die Version 2 finde ich so sehr gut. Nur zwei peanuts:
verträumt das Haus in dem er geboren.
Komma vor, "in dem " ...
Überwunden durch Hölzer die unter seinen Füßen nachgeben.
Komma vor "die unter seinen" ...
Sorry, war mir vorhin nicht aufgefallen.
Saludos
Mucki
Verfasst: 15.09.2009, 22:29
von leonie
Lieber Charly,
ich kann das ja nur von mir sagen: Ich nehme die Außenperspektive wahr (also den Kontrast zwischen Natur und Suizidant beobachtend), und so hast Du es ja auch geschrieben. Da ist das Ende ein ziemlicher Schock, der üble Bilder und Erinnerungen weckt (kein angenehmer Kitzel oder so). Letztlich bleiben die dann hängen und es ist die Frage, ob Du als Autor das beabsichtigst.
Wie es vom Betroffenen wahrgenommen wird, wissen wir ja nicht. (Für mich kann ich nur sagen, dass die Schönheit der Natur ein Grund ist, der mich am Leben hält und ich weiß von einer Freundin, bei der eine schöne Klaviermusik letztlich den Gedanken an Suizid vertrieben hat...)
Ich habe Deinen Text aber überhaupt nicht als Befürwortung von Suizid verstanden. Es ist nur die Frage, ob ein Drabble dieser Thematik gerecht werden kann. Ja, auch, was Dein Anliegen mit diesem Text ist und ob er das erreicht, was Du möchtest.
Aber meine Wahrnehmung ist nur eine und hängt eben auch mit meinen Erfahrungen dazu zusammen.
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 16.09.2009, 19:48
von Charly
Vielen Dank, Gabriella, ich habe es geändert. Das kapiere ich nie, das Ding mit dem Kommasetzen.
Hallo Leonie, ich denke wir verstehen uns.
Es ist nur die Frage, ob ein Drabble dieser Thematik gerecht werden kann.
Kann ein Drabble überhaupt einem Thema gerecht werden?
Im Moment habe ich keine Antwort darauf.