ersttagsbrief

Der Publicus ist die Präsentationsplattform des Salons. Hier können Texte eingestellt werden, bei denen es den Autoren nicht um Textarbeit geht. Entsprechend sind hier besonders Kommentare und Diskussionen erwünscht, die über bloßes Lob oder reine Ablehnungsbekundung hinausgehen. Das Schildern von Leseeindrücken, Aufzeigen von Interpretationsansätzen, kurz Kommentare mit Rezensionscharakter verleihen dem Publicus erst seinen Gehalt
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 06.11.2011, 02:17

ersttagsbrief



es liegen blätter
im flur

ich verkaufe
deine lederhose, ja

aber das
laub

hab ich
gefegt

und jetzt
noch

den
ersttagsbrief
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Eule
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Beitragvon Eule » 06.11.2011, 02:26

Hallo Thomas, gefällt mir gut, dieser "Ersttagsbrief". Lakonisch in der Sprache, drücken die Worte doch eine ganze Menge an Gefühlen aus und wirken dadurch authentisch.
Zuletzt geändert von Eule am 06.11.2011, 23:52, insgesamt 1-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 06.11.2011, 08:39

Tolles Wort Ersttagsbrief, steht für eine Generation (oder zwei).

Die Situation kenne ich, ist ja wie meine - und ich finde sie sehr gut eingefangen, und das mit spärlichster "Information".

Ich habe nur ein kleines grammatisches Problem: aber das laub hab ich gefegt (klar) und jetzt noch den ersttagsbrief (gefegt??? - nee, verkauft doch wohl, oder weggeworfen). Ich weiß nicht, ob ich da zu pingelig bin, aber mich störts ein wenig.

Gerda

Beitragvon Gerda » 06.11.2011, 11:18

Schlussstrich

Mir gefällt die lakonische ungewöhnliche Herangehensweise in Monologform.
Das Laubkehren ist nur der Aufhänger für den (endgültigen) Schlussstrich unter eine Beziehung.
Für mich entscheidend und frisch, anders eben als bekannt, sind der Verkauf der Lederhose und der des Ersttagsbriefs.
Ich empfinde das Laubkehren hier wie einen Einschub. Wahrscheinlich blieb das Laub früher liegen und war möglicherweise Anstoß von Mißhelligkeiten in der Beziehung.

Das Lyrich erinnert sich daran und möchte damit vielleicht auch zum Ausdruck bringen: Ich habe mich geändert.
Ein kleine Klippe hat der Text am Ende durch eben den "Einschub" des Laubkerhens zu überwinden.
Natürlich geht es nicht darum den Ersttagsbrief wegzukehren. Das ist nicht die Frage.
Ich meine der Autor könnte die Setzung ein mal mehr überdenken. Er hätte mit einem Gedankenstrich arbeiten, oder den "Kehrvorgang" etwas einrücken können; dann wäre der Bezug auf den Verkauf klarer.

Allerdings gehe ich davon aus, dass der Autor sich genau solche Fragen bereits vor der Veröffentlichung gestellt hat, sich dann auf das Risiko eingelassen hat.

Es ist nun am Leser zu entscheiden, ob das Gedicht an dieser Stelle eine Schwäche hat oder ob es dennoch in seiner intendierten Bedeutung gelesen werden kann.

Jelena

Beitragvon Jelena » 06.11.2011, 21:04

Das Laub wird jedes Jahr wieder im Flur liegen, um dann gefegt zu werden. Wie ein Sommer oder eine Zeit oder eine Liebe, die zuende gegangen ist. So wird der Briefbogen jedes Jahr wieder auftauchen, egal, ob man ihn irgendwann verkauft hat. Ich denke, man muss das Laub hier symbolischer lesen. Das Fegen wäre das Bleibende.


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