Hymne eines todessüchtigen Einsiedlers

Der Publicus ist die Präsentationsplattform des Salons. Hier können Texte eingestellt werden, bei denen es den Autoren nicht um Textarbeit geht. Entsprechend sind hier besonders Kommentare und Diskussionen erwünscht, die über bloßes Lob oder reine Ablehnungsbekundung hinausgehen. Das Schildern von Leseeindrücken, Aufzeigen von Interpretationsansätzen, kurz Kommentare mit Rezensionscharakter verleihen dem Publicus erst seinen Gehalt
Sebastian

Beitragvon Sebastian » 15.11.2007, 16:37

Es ist vielleicht ein letzter Gnadenakt der Ehrlichkeit
dass der Schatten, den ich werfe
schwarz erscheint und nur beizeiten
wenn die Sonne günstig steht
sich in ein tristes Grau zerlegt

Ehrlicher nur wäre es
meinen Körper dem Lichte zu entwöhnen
in dem illusionär die Früchte wuchsen
die noch heute in verstaubten Kisten warten
darauf, dass meine Hand ihr Innerstes ertastet

Dich, ja dich
habe ich noch nicht mit einer Hülsenhaut umgeben
du scheinst noch wirklich
dein Schatten bunt
ein wenig deines Lichtes trifft auch mich

Es ist vielleicht ein letzter Gnadenakt des Selbstbetrugs
dass der Schatten, den ich werfe
wenn ich bei dir bin bunt erscheint und nur beizeiten
wenn die Sonne untergeht
sich in ein tiefes Schwarz zerlegt

Gast

Beitragvon Gast » 15.12.2007, 12:59

Eine Selbstreflektion mit Todessehnsucht

Der im Titel verwendete Begriff „Hymne“ stimmt mich bei Lesen dieses Textes falsch ein.
Das ist das Negative.
Hymne: Festgesang, Lobgesang (ursprünglich an Gott gerichtet)
Eine Hymne ist weder an Versmaß noch an Reime gebunden, mit der Ode verwandt.

1. Sie sollte Begeisterung, Freude, Lobpreisung ausdrücken. Diese Merkmale einer Hymne vermisse ich alle.

2. Ich lese den selbstreflektierenden Text, eines die Einsamkeit Suchenden, oder in der Einsamkeit lebenden Lyrichs, das Sehsucht hat nach dem Tod aber auch nach einem Du.
Weder wird Einsamkeit oder Tod gepriesen noch das Du.

3. Auch dem herbeigesehnte Tod wir keine Überhöhnung oder Lobpreisung zuteil.

Lyrich versucht seine Situation zu analysieren sich selbst zu erklären, aber das macht den Text nicht zu einer Hymne.

Nun wäre es aber falsch, zu glauben, der Text an sich habe keine Substanz, denn diese hat er wohl und das ist das Positive, würde er den Leser nicht schon mit dem Titel irreleiten, würde sich der Leser, dem Inhalt anders ´nähern können und eigene Schlüsse ziehen können.

Die (durch den Titel) vorgegebene Intention ist für mich nicht nachzuvollziehen, dennoch habe ich den Text gern gelesen, beschreibt er doch anhand der Schatten eindrucksvoll, was im Lyrich vor sich geht und wie es von Selbstzweifeln zernagt, eigentlich weiß, dass das dass es sich allein wegen der Wertschätzung des Dus nicht auf und davon machen sollte.
Andererseits scheint die Todessehnsucht überwältigend, Lyrich scheint nur so zu sich zu finden.


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