Juistskizze (2)
Verfasst: 14.06.2009, 11:06
11/VI/2009
Juistskizze (2)
In den Prielen sammeln sich die letzten Träume der Muscheln wie liegengebliebene Kronkorken von leergetrunkenen Flaschen einer Zeit, in der es noch kein Gestern gab, und in den Spiegelungen sehen wir kein Wasser, wir sehen nur die Idee von Wasser, wie sie im Schlick versickert, so wie das Leben kein Tun mehr ist, sondern nur der Gedanke daran. Es gibt keine neuen Träume mehr; wir wiederkäuen zigfach dagewesenes, ernähren uns davon, und an den Brüsten einsamer Frauen weinen wir uns in die heile Welt der Kindheit zurück, als alles noch eins war, es keine Überlegungen gab, keine Rückschauen, so wie das Wasser fließt, ohne darüber nachzudenken wohin, und die Liebe und die Brüste und die Schöße sind nichts weiter als die Sehnsucht danach. Unser Motor verbrennt unsere eigenen Fossilien, Energieträger aus tropischen Zeiten, mit Teer und Dreck und Rauch aus den unzähligen Lagerfeuern der Tabakzigaretten, erstickt, verpresst und versteinert unter Luftabschluss und der eigenen Last, und Schweröl tropft aus den Dichtungen.
Im Sand können wir die winzigen Teerklumpen erkennen, ausgespuckt und geronnen aus den Weltmeertankern, die einst durch unsere Adern fuhren, und alles vibrierte in uns im Rausch, im Schlingern, als wir von dem verlausten Marokkaner am Bahnhof neuen Stoff bekommen hatten, dunkelrot in Leinen eingenäht, 100 Gramm und Papers dazu, und die Rauchglocke aus den Bambusbongs durch unsere Lungen strömte und Erkenntnis läutete und die Lebenstore weit aufstieß, mit gleißendem Licht und sphärischen Farben dahinter, und wir sie durchschritten, mit lebensdurstig aufgerissenen Augen, oder wir mit den Nachbarmädchen in den Haustüren knutschten und unter den Nylonpullis fummelten, und auf den grauen Garagenhöfen, hinten zum Walzwerk raus.
Das Sickern des breiigen Wattschlicks durch die Zehen fühlt sich an wie immer, aber das Öl in uns ist nicht mehr bernsteinfarben und viskos, der Film ist gerissen, und wir kriegen die Teile nicht mehr zusammen, keinen Rundlauf mehr wie damals, als wir auf Bonanzarädern die flachen Wiesenhügel im Böninger Park runterbretterten, und uns alles so vorkam, als wären wir in den hohen Bergen, auf dem Dach der Erde, des Himmels, wo die Horizonte so fern scheinen, dass das Dazwischen endlos ist, bis Mutter zum Essen rief, so wie die Zeit, als wir den Mädchen zum ersten Mal den Slip runterwerkelten, mit fiebriger Vorahnung und zittrigen Fingern, und uns fast in die Hose spritzten, bevor es losging, so wie alles immer vom Fieber getrieben war, wir infiziert waren von dem Feedback unserer ersten elektrischen Instrumente, dem Obertonsingen der D-Seite und dem Brummen der Röhren in den Verstärkern, und wir uns einen Vibratorhebel aus Messing von Rockinger an die Gitarre schraubten, damit man die Rückkopplung modulieren konnte, sie schweben lassen, sie unter den Halbton bringen, wo es schmerzt und Angst einflößt, bis alles kochte im Körper, und dann zitterten die Finger der wilden Mädchen, wenn sie unseren Hosenstall aufmachen durften, auf versifften und vollgepissten Matratzen vom Sperrmüll im Proberaumbunker, und das umgedrehte, mannsgroße Kreuz aus milchigem Plexiglas, in das wir kaltweiße Leuchtstoff- und Stroboskoplampen geschraubt hatten, illuminierte die schummrige Kälte der dicken Mauern in der Verneinung von Glauben, denn wir hatten nur unsere Höllenmusik und diese stinkende Wolldecke und unsere heißen trunkenen Körper darunter.
Ein Mann am Strand scheint einen kleinen Schwarm Seemöwen fernzusteuern, die über ihm im Nordwest stehen, ohne Flügelschlag, und am Kalfamer lagern sich Dünen an wie schiffbrüchige Gedanken, die im Westen am Billriff abbrachen und den Schöpfungsplan überflößten an den neuen Ort, Wunden hinterließen am alten, dem Blanken Hans die Tore öffneten, wie damals zur Petriflut, als die Dorfkirche versank.
Doch heute haben sie Maschinen, die die Erde aufwühlen, den Grund bewegen, das Muschelsediment ausheben, es auch an neue Orte bringen und Wälle und Gefängnisse und Behausungen und Brücken daraus bauen, so wie damals in den Baggerlöchern am Rand der Großstadt, wo wir an den Förderbändern der Pontons runtertauchten, ins ungewisse Dunkelgrün, bis wir den Schlick am Boden mit Händen greifen konnten, den Druck der Tiefe auf den Ohren, und nachts betrunken mit dem Schlauchboot zu den kleinen Inseln paddelten, drei Kammern leck, und uns unter Malerfolie den Sommergewittern ergaben, ganz nackt, und der Ginster roch dunkelgrün, alles war dunkelgrün, bis zum stahlblauen Morgen, und dann hatten wir das Schlauchboot mit dem Boden nach oben auf den See gelegt und sind in die Luftblase darunter getaucht, mit einer zugeknoteten Plastiktüte, und haben beinestrampelnd und japsend und lachend unter dem Boot das Shillum mit gestopftem Kopf ausgepackt und entfacht mit unserer Lebensflamme und einen durchgezogen, bis nur noch Rauch darunter war, und wir atemlos immer wieder in den Hohlraum tauchten und inhalierten, bis keiner mehr konnte, und wir das Boot umkippten, und der ganze See voll Qualm war, und alle anderen Leute am See sich wunderten oder kicherten.
Der frühe Morgen schmeckt nach Ardbeg und Zwiebeln und Fisch und dem Mösensaft der letzten Nacht, und eine tote Robbe liegt am Strand, endgültig und wunderschön in ihrer Endgültigkeit, die eingefallenen Augen mindern diese Schönheit nicht, so wie die Warze zwischen den Schenkeln einer schönen Frau dies nicht tut, und die Wolken geben das fahle Licht der Dämmerung frei, während mein Schwanz hart wird in Gedanken an etwas, was es nicht mehr gibt, und ich bücke mich nach einer Muschel ...
Juistskizze (2)
In den Prielen sammeln sich die letzten Träume der Muscheln wie liegengebliebene Kronkorken von leergetrunkenen Flaschen einer Zeit, in der es noch kein Gestern gab, und in den Spiegelungen sehen wir kein Wasser, wir sehen nur die Idee von Wasser, wie sie im Schlick versickert, so wie das Leben kein Tun mehr ist, sondern nur der Gedanke daran. Es gibt keine neuen Träume mehr; wir wiederkäuen zigfach dagewesenes, ernähren uns davon, und an den Brüsten einsamer Frauen weinen wir uns in die heile Welt der Kindheit zurück, als alles noch eins war, es keine Überlegungen gab, keine Rückschauen, so wie das Wasser fließt, ohne darüber nachzudenken wohin, und die Liebe und die Brüste und die Schöße sind nichts weiter als die Sehnsucht danach. Unser Motor verbrennt unsere eigenen Fossilien, Energieträger aus tropischen Zeiten, mit Teer und Dreck und Rauch aus den unzähligen Lagerfeuern der Tabakzigaretten, erstickt, verpresst und versteinert unter Luftabschluss und der eigenen Last, und Schweröl tropft aus den Dichtungen.
Im Sand können wir die winzigen Teerklumpen erkennen, ausgespuckt und geronnen aus den Weltmeertankern, die einst durch unsere Adern fuhren, und alles vibrierte in uns im Rausch, im Schlingern, als wir von dem verlausten Marokkaner am Bahnhof neuen Stoff bekommen hatten, dunkelrot in Leinen eingenäht, 100 Gramm und Papers dazu, und die Rauchglocke aus den Bambusbongs durch unsere Lungen strömte und Erkenntnis läutete und die Lebenstore weit aufstieß, mit gleißendem Licht und sphärischen Farben dahinter, und wir sie durchschritten, mit lebensdurstig aufgerissenen Augen, oder wir mit den Nachbarmädchen in den Haustüren knutschten und unter den Nylonpullis fummelten, und auf den grauen Garagenhöfen, hinten zum Walzwerk raus.
Das Sickern des breiigen Wattschlicks durch die Zehen fühlt sich an wie immer, aber das Öl in uns ist nicht mehr bernsteinfarben und viskos, der Film ist gerissen, und wir kriegen die Teile nicht mehr zusammen, keinen Rundlauf mehr wie damals, als wir auf Bonanzarädern die flachen Wiesenhügel im Böninger Park runterbretterten, und uns alles so vorkam, als wären wir in den hohen Bergen, auf dem Dach der Erde, des Himmels, wo die Horizonte so fern scheinen, dass das Dazwischen endlos ist, bis Mutter zum Essen rief, so wie die Zeit, als wir den Mädchen zum ersten Mal den Slip runterwerkelten, mit fiebriger Vorahnung und zittrigen Fingern, und uns fast in die Hose spritzten, bevor es losging, so wie alles immer vom Fieber getrieben war, wir infiziert waren von dem Feedback unserer ersten elektrischen Instrumente, dem Obertonsingen der D-Seite und dem Brummen der Röhren in den Verstärkern, und wir uns einen Vibratorhebel aus Messing von Rockinger an die Gitarre schraubten, damit man die Rückkopplung modulieren konnte, sie schweben lassen, sie unter den Halbton bringen, wo es schmerzt und Angst einflößt, bis alles kochte im Körper, und dann zitterten die Finger der wilden Mädchen, wenn sie unseren Hosenstall aufmachen durften, auf versifften und vollgepissten Matratzen vom Sperrmüll im Proberaumbunker, und das umgedrehte, mannsgroße Kreuz aus milchigem Plexiglas, in das wir kaltweiße Leuchtstoff- und Stroboskoplampen geschraubt hatten, illuminierte die schummrige Kälte der dicken Mauern in der Verneinung von Glauben, denn wir hatten nur unsere Höllenmusik und diese stinkende Wolldecke und unsere heißen trunkenen Körper darunter.
Ein Mann am Strand scheint einen kleinen Schwarm Seemöwen fernzusteuern, die über ihm im Nordwest stehen, ohne Flügelschlag, und am Kalfamer lagern sich Dünen an wie schiffbrüchige Gedanken, die im Westen am Billriff abbrachen und den Schöpfungsplan überflößten an den neuen Ort, Wunden hinterließen am alten, dem Blanken Hans die Tore öffneten, wie damals zur Petriflut, als die Dorfkirche versank.
Doch heute haben sie Maschinen, die die Erde aufwühlen, den Grund bewegen, das Muschelsediment ausheben, es auch an neue Orte bringen und Wälle und Gefängnisse und Behausungen und Brücken daraus bauen, so wie damals in den Baggerlöchern am Rand der Großstadt, wo wir an den Förderbändern der Pontons runtertauchten, ins ungewisse Dunkelgrün, bis wir den Schlick am Boden mit Händen greifen konnten, den Druck der Tiefe auf den Ohren, und nachts betrunken mit dem Schlauchboot zu den kleinen Inseln paddelten, drei Kammern leck, und uns unter Malerfolie den Sommergewittern ergaben, ganz nackt, und der Ginster roch dunkelgrün, alles war dunkelgrün, bis zum stahlblauen Morgen, und dann hatten wir das Schlauchboot mit dem Boden nach oben auf den See gelegt und sind in die Luftblase darunter getaucht, mit einer zugeknoteten Plastiktüte, und haben beinestrampelnd und japsend und lachend unter dem Boot das Shillum mit gestopftem Kopf ausgepackt und entfacht mit unserer Lebensflamme und einen durchgezogen, bis nur noch Rauch darunter war, und wir atemlos immer wieder in den Hohlraum tauchten und inhalierten, bis keiner mehr konnte, und wir das Boot umkippten, und der ganze See voll Qualm war, und alle anderen Leute am See sich wunderten oder kicherten.
Der frühe Morgen schmeckt nach Ardbeg und Zwiebeln und Fisch und dem Mösensaft der letzten Nacht, und eine tote Robbe liegt am Strand, endgültig und wunderschön in ihrer Endgültigkeit, die eingefallenen Augen mindern diese Schönheit nicht, so wie die Warze zwischen den Schenkeln einer schönen Frau dies nicht tut, und die Wolken geben das fahle Licht der Dämmerung frei, während mein Schwanz hart wird in Gedanken an etwas, was es nicht mehr gibt, und ich bücke mich nach einer Muschel ...