Verehrter Anonymus,
normaler Weise schreckt mich die Länge eines Textes wie dem deinen hier ab und ich flüchte gleich wieder. Warum ich das bei diesem nicht tat, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich ein schönes Stück (furchtbares Wort in diesem Zusammenhang, gell?) verpasst hätte, wäre ich meinem Fluchtinstinkt gefolgt.
Was mir besonders gefällt, ist der feine, leise Humor, der mal verdeckt aufblitzt, mal offen in Erscheinung tritt. Das geht bis in die Wortwahl hinein; Dank deines Textes ist mein Sprachschatz nun um einige Worte erweitert.

Dieser Humor passt hervorragend zum Inhalt, dem Leben eines alten Mannes und seiner Angst vor Einsamkeit, Alter und Tod, von dem du eine kurze Spanne schlaglichtartig beleuchtest. Dabei bringen Motive wie der Geburtstag und der Tod des Papageis, das Moment der Stille und das Gespräch mit dem Sohn thematische Tiefe in den Text ohne aufdringlich oder belehrend zu sein.
Bei alledem ist der Text steigernd gebaut und sehr anschaulich geschrieben – was sich alleine schon daran zeigt, dass ich nach den ersten Zeilen nicht mehr aufhören konnte zu lesen.
Die einzige Stelle, mit der ich ein sprachliches Problem habe, ist die folgende:
"Die Scheibe war alsbald verzehrt, nicht aber der Tag."Hier passt nach meinem Empfinden das Verb nicht zu beiden Subjekten. Das ist ungefähr wie "Er hob den Blick und ein Bein gen Himmel"
Ein Text, der zum Nachdenken ebenso wie zum Schmunzeln anregt
Davon wünsche ich mir mehr.
Sehr gerne gelesen!
Herby
edit: um nochmal eben auf die oben zitierte Textstelle zu kommen... Ich kenne die umgangssprachliche Formulierung "etwas ist gegessen", aber "Die Scheibe war alsbald gegessen, nicht aber der Tag" klingt - entschuldige bitte - irgendwie wie Durchfall.