alles umnachtet mich

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Anonymus
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Beitragvon Anonymus » 06.07.2014, 16:09

Im schwarzen wohnzimmer
lichtkegelt eine lampe.
während ich um mein leben schreibe
weiß ich nicht ob die nacht
sich bereits verabschiedet hat.
in diesem haus verändert sich nichts.
die dinge stehen an ihrem platz
sind schal um die augen.
geflüchtet wäre ich besser
als ich noch fliegen konnte.
nun sind die knochen schwer.
alles umnachtet mich.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 07.07.2014, 00:14

"Umnachten", als Verb, gibt es ja nicht.

Hier ist es wohl dieses Wort im Sinne von: "Alles verwirrt mich" verwendet.

Der Autor spielt mit dem Wort "Nacht", mit der Dunkelheit, die ihn umgibt, trotz Lampe.

Weit davon entfernt, umnachtet zu sein, das Gedicht vermittelt den Eindruck von akkurater Selbstbeobachtung.

Die Botschaft ist klar: Der Dichter wäre lieber woanders, jetzt ist aber zu spät dazu. Die Wirklichkeit hat ihn fest im Griff.

Die Realität, symbolisiert durch dieses Haus, in dem sich nichts verändert.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 07.07.2014, 10:07

"Umnachten", als Verb, gibt es ja nicht.


Das stimmt wohl nicht ganz. "Umnachtet" als Adjektiv hat gewissermaßen ein Eigenleben, ähnlich wie "gutaussehend". Aber das kann doch nicht bedeuten, dass es kein Verb dazu gibt. Jemand, der "geistig umnachtet" ist (das ist der übliche Gebrauch), muss vorher einen Prozess durchgemacht haben, der ihn umnachtet hat.
Probleme habe ich eher mit dem Verb "lichtkegelt", aber das ist möglicherweise eher mein eigenes Problem, ich sehe das Wort eine eindeutige Geste machen, die mit dem Gegenstand Lampe einfach nicht zusammenpasst.
"schal um die augen" ist wieder interessant, da sehe ich wirklich einen Schal um die Augen, nicht nur das adjektivische "schal" im Sinne von matt.
Das Gedicht ist sehr bildhaft, hat aber zugleich einen leicht weinerlich-anklagenden Ton, der mir weniger gefällt als die Sprache, die es gebraucht.

Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Anonymus
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Beitragvon Anonymus » 10.07.2014, 09:34

Stimmt! Vielleicht könnte man die Zeile mit den Knochen ersetzen oder ergänzen, die ist mir auch zu "weinerlich". Sonst eigentlich nicht.

"Lichtkegelt" bezog sich auf funzeliges, wackeliges Licht, ich finde es ganz passend.


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