Der Autor des Gedichtes ist keineswegs naiv
Das hat auch niemand behauptet. Und die Feststellung, das Gedicht sei naiv, stammt von jemanden, der es eigentlich verteidigen wollte.
Und das Gedicht kann keinesfalls aus einem landläufigen Poesiealbum oder vom Grabbeltisch stammen. Ich erspare mir aber die Erklärung, weil die Kritiker sowieso kein Intresse daran zeigen, einem Text gerecht zu werden, der ihnen nicht gefällt.
Schade, vielleicht würde es ja den Autor interessieren, warum dir das Gedicht gefällt. Und mich im Übrigen auch. Das romantische Sprachgewand kann ja nicht allein der Grund sein, warum dir das Gedicht gefällt. Also raus mit der Sprache!
Dass sie aber nicht unterscheiden können zwischen ihrem subjektiven Gefühl und einem begründeten Urteil, finde ich eher peinlich.
Die Mischung macht es. Das subjektive Urteil begründen.
Mein subjektives Urteil kann man oben lesen. Die Begründung:
Wo ist der Traum geblieben,
den wir im Juni träumten?
Wo die Sterne schienen,
uns den Mond umsäumten?
Das muss ein ganz besonderer Traum sein und vor allem ein ganz besonderer Juni. Stünde da anstatt eines Monatsnamens wenigstens "Sommer". Dann gäbe es dem ganzen eine allgemeinere Richtung. So aber wird es von Anfang an spezifisch, ohne diesem irgendeine Bedeutung zukommen zu lassen.
Das WO in der dritten Zeile ist m.E. Umgangsprachlich und im Zusammenhang grammatikalisch falsch.
Am Fuße der Platane,
auf weichem Wiesengras. . .
Nach Zeitangabe nun noch der Standort beschrieben. Am Fuße DER Platane. Ein bestimmter Monat und ein bestimmter Baum.
Zusammenfassend weiß der Leser dies: ein Traum wurde verloren, der noch im Monat Juni unter einem monderleuchteten und sternenübersäten Himmel geträumt wurde. Und zwar unter einer ganz bestimmten Platane.
Gespannt liest man die letzten Zeilen, um wenigstens einen kleinen Hinweis zu bekommen, um was es hier wirklich geht.
Doch dann kommt dies:
Verloren sind die Jahre
ohne Raum, Zeit und Maß.
Zuerst wird die Aufmerksamkeit auf einen ganz bestimmten Monat gelenkt, auf einen ganz bestimmten Ort, und plötzlich wird alles wild aufgefächert und verlorene Jahre bedauert.
Romantische Sprache hin und her. Hier passt so gut wie überhaupt nichts.
Es ist ja schön, dass viele die Partei der armen Poeten und Poetinnen ergreifen. Ich ergreife eben lieber die Partei des armen Lesers, der sich ja, laut den Statuten dieser Rubrik, ernsthaft mit den Texten auseinandersetzen soll. Das macht aber bei solch lyrischem Fastfood keinen Spaß.
LG
Sam