Was offen blieb (vorher:Vergegnung)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 23.06.2008, 17:21

Nein, ich wollte nicht wissen,
warum du in Indien warst und wie die Namen der Mönche lauteten
auf dem heiligen Berg.

Wie lang du unter den Kranken wohntest
und ihnen das Blut aus den Armen lief
und dein Vater, ja, dass er ein guter Mann war,
schon lange bevor er starb -

Wissen wollte ich, warum deine Hand so warm war,
als sie meine nahm,
warum sie so lang dort verweilte.

Wie der Schnee schmeckte, ja, das hätte ich gern erfahren,
und die Nuancen des Meeres unter dem winternden Himmel.

Und warum deine Augen glänzten
einen Moment nur, als sie in meinen ruhten,
bevor sie weiterwanderten
deinen Worten nach.


Änderung: wohntest, statt weiltest
Zuletzt geändert von leonie am 25.06.2008, 18:55, insgesamt 2-mal geändert.

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 25.06.2008, 20:13

Hallo leonie,

mit Verspätung hab ich den Text auch entdeckt und teils auch einige Komms gelesen. Der neue Titel gefällt mir schonmal, er passt zu dem Text besser als der alte.

Mir gefällt das Resignative, das nicht ins Lamentieren kippt.

Zwei Fragen sind bei mir offen:

Zum einen: müsste es nicht heißen, "wie die Namen der Mönche lauten?" falls da nicht ständig ein steter Wechsel auf dem Berg stattfindet, müssten es doch noch dieselben Namen sein?

"..ihnen das Blut aus den Armen lief" finde ich entweder recht blutrünstig oder ich kapiers nicht. Wenns aus den Armen läuft, seh ich da unwillkürlich abgehackte Hände. Soll das der Text transportieren, oder wie das Blut an den Armen herablief?

Sehr gern gelesen,

Gruß

Sneaky

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 25.06.2008, 20:26

Liebe leonie,

ich meinte mit der Zweiteilung diesen Vorschlag von Max (jetzt nur in Bezug auf das Tempus, nicht ansonsten, da ist die Diskussion ja schon aktueller):

Ich will nicht wissen,
warum du in Indien warst und wie die Namen der Mönche lauten
auf dem heiligen Berg.

Wie lang du unter den Kranken weiltest
und ihnen das Blut aus den Armen lief
und dein Vater, ja, dass er ein guter Mann war,
schon lange bevor er starb -

Wissen will ich, warum deine Hand so warm ist,
wenn sie meine nimmt,
warum sie so lang dort verweilt.

Wie der Schnee schmeckt, ja, das würde ich gern erfahren,
und die Nuancen des Meeres unter dem winternden Himmel.

Und warum deine Augen glänzen
einen Moment nur, wenn sie in meinen ruhen,
bevor sie weiterwandern
deinen Worten nach.


Da bleiben doch einige Passagen (die Rückbezüge") in der Vergangenheit - und ich finde, das schafft Stimmung.

Titelentscheidung steht dem Text gut, finde ich!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 25.06.2008, 22:14

Liebe leonie,

ein guter Titel.

Das Bewegliche der Zeiten würde mir gut gefalllen.

Lieben Gruß
ELsa
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leonie
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Beitragvon leonie » 26.06.2008, 09:45

Liebe Lisa,

für mich ist momentan das Problem an der "Max-Fassung", dass sie so klingt, als fände das "Gespräch" in der Gegenwart statt, als wäre eine Wendung doch noch möglich. Für mich ist aber gerade wichtig, dass es abgeschlossen ist und die Chance vertan...
Ich habe mir sie aber abgespeichert, um zu sehen, ob sich das mit etwas mehr Abstand verändert.
Danke Dir!

Liebe Elsa,

danke, ich denke, so lasse ich es (erstmal).

Liebe Grüße und nochmal danke an alle!

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 26.06.2008, 11:24

Liebe leonie,

ohja, das ist ein wichtiger Unterschied in der Intention -so habe ich den Text nicht gelesen - klar, wenn du nicht möchtest, dass die Wendung noch möglich ist, dann ist Max Alternative keine Option. Wobei ich finde, dass für das Erzählte die Dynamik, die aus einer offenen Situation entsteht, durchaus gelungen wäre. Aber ich verstehe, was du möchtest - auch so fein .-)

liebe Grüße,
Lisa
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leonie
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Beitragvon leonie » 26.06.2008, 11:49

Lieber sneaky,

gerade fällt mir auf, dass ich Deine Fragen gar nicht beantwortet und mich noch nicht bei Dir bedankt habe. Entschuldige!

Also, für mich muss es "lauteten" sein, als Hinweis, dass das sehr lange her ist. Das Du redet über lang vergangene Vergangenheit, das soll ruhig rauskommen.

Und mit den Armen: Ich hatte an Suizidenten gedacht, die sich die Pulsadern geöffnet haben, das erläutert die "Kranken" für mich ein wenig...

Danke Dir und liebe Grüße

Liebe Lisa,

die Chance ist definitiv vorbei. Ich denke, deshalb passt der Titel auch wirklich. Es blieb offen.
Ich glaube, ich muss es einfach so lassen wie es ist, es stimmt so für mich...

Liebe Grüße

leonie

aram
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Beitragvon aram » 14.07.2008, 16:51

liebe leonie,

ein text über unaufgelöstes, lange her. das ist gut zu spüren - wesentliches, flüchtiges kriecht durch die zeilen.

manche details scheinen mir noch 'rankendes beiwerk' um eine schlanke, berührte melancholie -

die erschütterung, die das "nein" zu beginn erzeugt (und das "ja" - die versicherungen, die sich das erinnernde lyr.ich gibt), die vielen 'unds', satzzeichen, glänzende augen - sicher ist all das bloß mein persönlicher geschmack - danach klänge der text etwa so:


ich wollte nicht wissen
warum du in Indien warst
wie die Namen der Mönche lauteten
auf dem heiligen Berg

wie lang du unter den Kranken wohntest
ihnen das Blut aus den Armen lief
dass dein Vater ein guter Mann war
schon lange eh er starb

wissen wollte ich
warum deine Hand so warm war
als sie meine nahm
warum sie verweilte

wie der Schnee schmeckte
hätte ich gern erfahren
die Nuancen des Meeres
unter dem winternden Himmel

warum deine Augen
für Momente in meinen ruhten
bevor sie weiterwanderten
deinen Worten nach


sehr gern gelesen. liebe grüße.
Zuletzt geändert von aram am 14.07.2008, 16:55, insgesamt 2-mal geändert.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 14.07.2008, 16:54

Gefällt mir sehr, diese verschlankte Version

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leonie
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Beitragvon leonie » 14.07.2008, 22:21

Lieber aram,

ich danke Dir. Ich würde mir Deine Version gerne abspeichern. Ich habe im Moment soooo viel um die Ohren, dass ich ungern auf die Schnelle ändern würde. Außerdem brauche ich immer eine Weile Abstand bevor ich weiß, was ich selber will....

Auch Dir vielen Dank, Xanthippe!

Liebe Grüße Euch beiden

leonie


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