Schlafstörung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 27.07.2008, 17:23

Hörfassung


Schlafstörung


Wenn die Nacht um mich knackst
oder summt und der Tinnitus pfeift,
halt ich die Lider geschlossen
und steige ins Träumen.

Pfeif nicht so laut!
Das Pochen hinter dem Brustbein:
Bumh, brrrumpum, brubbrubbrub!
Sollte zur anderen Seite mich drehen.

Wie ich schnaufe.
Hinter einem Wagen,
einem winzigen mit lachenden Spöttern,
laufe ich her,
keuche und springe.
Sprünge,
die sich von den Sohlen
ablösen.

Höher,
aber ich stoße schon an,
denn der unendliche,
gewölbte Himmel
ist so tief.

Mit meinen blutigen Nägeln
kratz ich den Kalk
aus seinen Fugen,
suche seine Türe,
die Luke, ein Fenster
einzudringen
hinter diese Himmelswand,
unter der ich sticke,
ersticke ,
ersticke..

bis der Tinnitus
die Pause läutet
und die Nacht wieder um mich knackst.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 13.08.2008, 20:42

Ich weiß ja, daß du mich garnicht magst.

Aber dieser Text hier, auch noch so vorgetragen, scheint dich selbst davon abgebracht zu haben, wie du dir die Welt denkst.

Nicht nur deshalb habe ich hier eine große Symphatie.

Moshe

aram
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Beitragvon aram » 16.08.2008, 00:03

gefällt mir sehr. (bloß der titel...hm, weiß nicht. etwas eng?)

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 17.08.2008, 23:28

Lieber Moshe,

Auch im Sommerurlaub schaue ich zeitweise in die Netze und so fand ich deine Kurznotiz, die mich erstaunte, befremdete und selbst ein wenig kränkte, da ich nicht weiß, wie du zu dem Schluss gekommen bist, dass ich dich „nicht mag“: nach längerer Überlegung glaube ich , dass diese Meinung sich aus der Lektüre meiner langatmigen Kritik zu einem quasi-politischen Text entwickelte, in der ich meine, zugegebenerweise überholt klingende Meinung ausdrückte, dass sich ein Text auch ohne Detailwissen von seiner Entstehensgeschichte dem Leser eröffnen sollte. Selbst wenn ich jedoch den inkriminierten Text nicht besonders liebte, so ist die Übertragung meiner Gefühle auf den dahinter stehenden Schöpfer absolut unkorrekt und ich bedauere sie.

Nun aber auch zu der Reaktion auf meine "Schlafstörung", in der ich mehrere Elemente vermischt präsentiere (Schlaflosigkeit, Ohrensausen, Albträume) und mich in der Interpretation ein wenig gehen lasse. Anstoßen kann eine herrliche Sache sein z.B. mit Freunden und einem guten Glas, doch wenn es der Schlag gegen die Weltbegrenzung ist, die Himmelsübermauerung, dann ist selbst der Tinnitus willkommen, der wie ein Schiedsrichter ein Spiel abpfeift, den Träumenden aus der Verzweiflung, der Ausweglosigkeit in eine zwar nicht unbedingt ideale, aber doch weniger bedrohliche Welt aufschrecken lässt.

Sehe ich daher die Welt anders? Ich versuche mich von den Texten zu lösen, und, ach! Welche Erlösung! Da finde ich deine Sympathie...

Danke, Moshe:

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 17.08.2008, 23:35

Lieber Aram,

danke für deine Ermunterung.

Zur Titelfrage:
vielleicht ist der Titel in seiner Banalität nicht anziehend, doch das Durchlaufen eines Albtraums, der sich wie die Zangenglieder eines angina pectoris Anfalls erdrückend auf den Schlafenden legt, verträgt wohl nicht noch mehr Gewalttätigkeit. Oder? Ich lasse mich gerne beraten.

Schöne Grüße. Schwarzbeere

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 29.08.2008, 20:17

Die Lesung finde ich sehr gelungen
sehr plastisch
Und auch den Titel kann ich gut mit dem Vortrag in Verbindung bringen, diese Störung kommt ja lesend auch gut an.
Ich finde es ziemlich spannend, wie Du ein übles medizinisches Phänomen in Lyrik zu übersetzen versucht hast.

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 31.08.2008, 10:32

Liebe Xanthippe,

danke für deinen Kommentar, der mich zu der Überlegung bringt, ob Angstträume auch unter medizinische Phänomene einzuordnen sind bzw als psychopathologische Erscheinungen gelten. Dies gilt freilich nicht für den Tinnitus, der derzeit zwar unheilbar zu sein scheint, doch von sich selbst aus zu bestimmen fähig ist, wann er mit welchen Belästigungen seine Opfer überfällt. Ob man dies bei jenen, die daran glauben, nicht als eine Manifestation der Besessenheit betrachten könnte?

Freundliche Grüße. Schwarzbeere


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