kamaskerade
kinder lernen wenn sie klein sind unsere
gesichter zu erkennen und benennen böse
liebe männer frauen aber wenn sie nicht
unter zum beispiel den chinesen leben
lernen sie nicht in chinesenmienen lesen
raben merken sich grimassen unterlass es
einen raben zu erschlagen seine kameraden
hassens und sie tragen es dem missetäter
jahre später nach
kameraben schärfen sich gesichter ein von
deinen kameraden und verwandten machen
sie dir datenbanken scannen und benennen
wen du kennst sie haben freund und feind in
hunderstelsekunden gefunden
kamerurgen fokussieren retuschieren
optimieren die gesichter der gelichter werden
glatter und der smilyshutter bannt nie miese
petermienen auf die platte
ja die kamerasken masken lächeln rosig frisch
geliftet blitzgesichter ohne blinzeln zähne pulen
stirne runzeln keiner stiehlt sich unscharf aus
dem bild streckt dir die zunge deine lieben
hast du endlich mal in voller harmo n i e
kamaskerade (alle Gesichter)
Liebe fenestra,
toll, was du auf deine Art mit den Bildern machst - mich hat dieser Text am meisten überzeugt (big sister ist watching you finde ich vom Ansatz mindestens so spannend, aber irgendwie geht mir das noch nicht ganz auf sprachlich), weil du hier wieder in deinem gekonnten Sprachspiel, das frei aber nicht beliebig zugleich, eine Idee/Assoziation/ein Thema zum Ausgangspunkt wählst und die Sprache (ich will fast eher sagen der Mund) fängt an darüber zu sprechen und das Sprechen verselbstständigt sich, ist lebendig und dadurch kraftvoll, verliert aber gar nicht den Faden, wenn man sich auf diese Art freies Sprechen einlässt, sondern sagt es, nur eben . Mir fällt auf, dass die verkopfte Variante deiner Textkompositionen vielleicht der Dekonstruktion zugeschrieben würden, durch das sinnliche-Mundelement aber braucht es diesen selbstreflektiven Moment gar nicht, wodurch der Text ohne Mühe scheint wie auch die Natur selbst (also die Idee, die wir im Vergleich zu uns haben) ohne Mühe fortläuft. Dabei stellt es sich eben nur so dar (wie es sich auch für uns eben nur mühevoll darstellt, klar).
Und durch diese Sprache scheint der Text auch inhatlich vertrickt angelegt: Zunächst scheint er ja das kurios ablaufende Züchtung von "normalen Anpassungserscheinungen (Mimikdeuten konditionieren etc.) bis zu den hochgezüchteten Abläufen (liften, scannen durchleuchten etc.) darstellen zu wollen, durch die Variationsspiele der Klänge und die Art des Strophenbaus hat der Text dafür auch die geeignete Dynamik und steigert sich analog zum Grad der Perversion. Zugleich aber ist dabei die Sprache so eigenmächtig, dass die Perspektive auf das Ganze ist: beobachten wir mal das irre Treiben und drücken auch aus wie extreme Auswüchse dies hat, aber dem Ganzen wird auch ein wenig die Wichtigkeit/Bedeutung enthoben, so wie wenn jemand bei all der Ausbeutung der Natur etwa vor Augen hat, wie irgendwann die Menschen nicht mehr da sind und sich die Pflanzen über die Hochhäuser, Dixi-Klos und modernen Skulpturen ranken, vielleicht bis zur Rakete am Mars. Und diese Perspektive mag ich. Sie verharmlost nicht, aber sie holt einen doch ein wenig raus aus der allzu eingeprägten Hetzigkeit des menschlichen Treibens, was einem die natürliche Umgebung scheint.
liebe Grüße,
Lisa
toll, was du auf deine Art mit den Bildern machst - mich hat dieser Text am meisten überzeugt (big sister ist watching you finde ich vom Ansatz mindestens so spannend, aber irgendwie geht mir das noch nicht ganz auf sprachlich), weil du hier wieder in deinem gekonnten Sprachspiel, das frei aber nicht beliebig zugleich, eine Idee/Assoziation/ein Thema zum Ausgangspunkt wählst und die Sprache (ich will fast eher sagen der Mund) fängt an darüber zu sprechen und das Sprechen verselbstständigt sich, ist lebendig und dadurch kraftvoll, verliert aber gar nicht den Faden, wenn man sich auf diese Art freies Sprechen einlässt, sondern sagt es, nur eben . Mir fällt auf, dass die verkopfte Variante deiner Textkompositionen vielleicht der Dekonstruktion zugeschrieben würden, durch das sinnliche-Mundelement aber braucht es diesen selbstreflektiven Moment gar nicht, wodurch der Text ohne Mühe scheint wie auch die Natur selbst (also die Idee, die wir im Vergleich zu uns haben) ohne Mühe fortläuft. Dabei stellt es sich eben nur so dar (wie es sich auch für uns eben nur mühevoll darstellt, klar).
Und durch diese Sprache scheint der Text auch inhatlich vertrickt angelegt: Zunächst scheint er ja das kurios ablaufende Züchtung von "normalen Anpassungserscheinungen (Mimikdeuten konditionieren etc.) bis zu den hochgezüchteten Abläufen (liften, scannen durchleuchten etc.) darstellen zu wollen, durch die Variationsspiele der Klänge und die Art des Strophenbaus hat der Text dafür auch die geeignete Dynamik und steigert sich analog zum Grad der Perversion. Zugleich aber ist dabei die Sprache so eigenmächtig, dass die Perspektive auf das Ganze ist: beobachten wir mal das irre Treiben und drücken auch aus wie extreme Auswüchse dies hat, aber dem Ganzen wird auch ein wenig die Wichtigkeit/Bedeutung enthoben, so wie wenn jemand bei all der Ausbeutung der Natur etwa vor Augen hat, wie irgendwann die Menschen nicht mehr da sind und sich die Pflanzen über die Hochhäuser, Dixi-Klos und modernen Skulpturen ranken, vielleicht bis zur Rakete am Mars. Und diese Perspektive mag ich. Sie verharmlost nicht, aber sie holt einen doch ein wenig raus aus der allzu eingeprägten Hetzigkeit des menschlichen Treibens, was einem die natürliche Umgebung scheint.
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Liebe Lisa, liebe Gabriella,
wie schön, zu hören, dass der Text doch zumindest von euch beiden gern gelesen wurde! Es war ein inhaltlicher Entwurf dahinter, Recherche zum Thema Gesichtserkennung und dann eben ein Spiel damit, was sich daraus entwickeln lässt. Für mich ist das immer eine Gratwanderung: Wie leicht darf der ursprünglich logisch aufgebaute Inhalt noch herausragen, wie sehr darf ich das verschlüsseln, verwandeln, verkleiden, verspielen, damit es nicht platt und eindimensional daher kommt, aber der von mir hineingelegte Gedanke dennoch überspringt? Aus Lisas Kommentar mag ich heraushören, dass ich hier vielleicht die richtige Mischung gefunden habe.
Bei "little sister" hatte ich ein ähnliches Problem, auch wenn der Inhalt dort von Anfang an nicht "logisch" sondern bereits metaphernhaft angelegt war. Little sister nimmt nacheinander die Gestalt von vier Tieren an, um denjenigen zu beobachten, auf den sie "ein Auge geworfen" hat. Eigentlich wollte ich am Anfang jeder Strophe das Tier beim Namen nennen, fand das aber dann zu platt. Nun habe ich aber Bedenken, dass vielleicht gar niemand gemerkt hat, welche Wesen dort vorkommen ...
Leider wird ja über solche Dinge derzeit im Lyrikbereich weniger diskutiert, als früher - bilde ich mir jedenfalls ein. Vielleicht liegts an der Urlaubszeit (wo sind z.B. leonie, Bilbo?). Aber ich darf mich nicht beschweren, bin selbst auch dauernd unterwegs und habe leider wenig Zeit fürs Forum.
Euch beiden jedenfalls herzlichen Dank, dass Ihr ein Auge auf diese kamaskerade geworfen habt!
Liebe Grüße
fenestra
wie schön, zu hören, dass der Text doch zumindest von euch beiden gern gelesen wurde! Es war ein inhaltlicher Entwurf dahinter, Recherche zum Thema Gesichtserkennung und dann eben ein Spiel damit, was sich daraus entwickeln lässt. Für mich ist das immer eine Gratwanderung: Wie leicht darf der ursprünglich logisch aufgebaute Inhalt noch herausragen, wie sehr darf ich das verschlüsseln, verwandeln, verkleiden, verspielen, damit es nicht platt und eindimensional daher kommt, aber der von mir hineingelegte Gedanke dennoch überspringt? Aus Lisas Kommentar mag ich heraushören, dass ich hier vielleicht die richtige Mischung gefunden habe.
Bei "little sister" hatte ich ein ähnliches Problem, auch wenn der Inhalt dort von Anfang an nicht "logisch" sondern bereits metaphernhaft angelegt war. Little sister nimmt nacheinander die Gestalt von vier Tieren an, um denjenigen zu beobachten, auf den sie "ein Auge geworfen" hat. Eigentlich wollte ich am Anfang jeder Strophe das Tier beim Namen nennen, fand das aber dann zu platt. Nun habe ich aber Bedenken, dass vielleicht gar niemand gemerkt hat, welche Wesen dort vorkommen ...
Leider wird ja über solche Dinge derzeit im Lyrikbereich weniger diskutiert, als früher - bilde ich mir jedenfalls ein. Vielleicht liegts an der Urlaubszeit (wo sind z.B. leonie, Bilbo?). Aber ich darf mich nicht beschweren, bin selbst auch dauernd unterwegs und habe leider wenig Zeit fürs Forum.
Euch beiden jedenfalls herzlichen Dank, dass Ihr ein Auge auf diese kamaskerade geworfen habt!
Liebe Grüße
fenestra
Huhu, hier bin ich! Noch ziemlich im Nachurlaubsgewusel...
Mir gefällt Dein Text auch ausnehmend gut und ich finde, die richtige Mischung ist Dir genau gelungen. Faszinierend, diese Spielerei mit den Worten und dem Klang ohne dabei abzugleiten ins Überdrehte. Und platt kommt da gar nichts daher, Du hast soviel eingearbeitet an Infos, kritischer Betrachtung, etc, das ist wirklich klasse!
Liebe Grüße
leonie
Mir gefällt Dein Text auch ausnehmend gut und ich finde, die richtige Mischung ist Dir genau gelungen. Faszinierend, diese Spielerei mit den Worten und dem Klang ohne dabei abzugleiten ins Überdrehte. Und platt kommt da gar nichts daher, Du hast soviel eingearbeitet an Infos, kritischer Betrachtung, etc, das ist wirklich klasse!
Liebe Grüße
leonie
Noch ziemlich im Nachurlaubsgewusel...
Dann hoffe ich, dass du gut erholt bist und neue Inspirationen mitgebracht hast! Schön, dass du wieder da bist!
Ja, und ich freu mich auch, dass dir diese Mischung hier gefällt. Ich hatte mich mit dem Gesichterthema erst ein bisschen schwer getan, aber nach und nach stößt man dann doch auf verschiedene Fährten, die sich zu verfolgen lohnen.
Liebe Grüße
fenestra
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