Pianissimo/ Neu: Klangkörper

Gerda

Beitragvon Gerda » 23.08.2010, 07:39

Version II - Neuer Titel

Klangkörper


Er lauscht. Konzentriert. Fährt sich mit der der linken Hand durch das pomadisierte Haar, das glatt nach hinten gekämmt ist. Dann klopft er mit dem Taktstock gegen das Pult.
„Wenn eine pianissimo steht geschrrieben, warum isch hörre dann keine?“
Sein Deutsch ist auch nach zwei Jahren als Generalmusikdirektor noch sehr spanisch gefärbt. Es verleiht aber dem, was er Orchester und Chor zu sagen hat, Expressivität, eine gewisse Wucht und Bestimmtheit.
„Wiederrholen … und machen sie die Lippen zu, meine Damen und Herrren, ich will die pianissimo, nix piano, bitte sehrr …“. Die linke Hand geht jetzt hoch zu seinem Mund. Mit Zeigefinger und Daumen fasst er seine Lippen, um der Anweisung Nachdruck zu verleihen.

Stolz aufgerichtet, mit durchgedrücktem Rücken hat er etwas von einem Torero. Er strafft die Schultern, klopft erneut gegen das Pult, blättert die Seiten der Partitur zurück und hebt den Taktstock. Rascheln im Orchester im Chor, dann Stille, Auftakt. Die Streicher entwickeln das Thema des Kyrie. Silbrig hell und zart. Beim Einsatz des Chores singt er mit, rollt beim „requiem aeternam“ das „R“: Das „E“ gurgelt aus seinem Mund wie ein „Ä“, schaurig und mitreißend zugleich. Er singt falsch. Niemanden irritiert das. Er führt, verführt, benutzt. Die Sänger überlassen sich ihm.

©GJ20100910


Er lauscht. Konzentriert. Dann klopft er mit dem Taktstock gegen das Pult.
„Wenn ein pianissimo steht geschrrieben, warum isch hörre dann keins?“
Sein Deutsch ist auch nach zwei Jahren als Generalmusikdirektor noch sehr spanisch gefärbt. Es verleiht aber dem, was er Orchester und Chor zu sagen hat Expressivität, eine gewisse Wucht und Bestimmtheit.
„Wiederrholen … und machen sie die Lippen zu, meine Damen und Herren, ich will die pianissimo, nix piano, bitte sehrr …“.
Er klopft erneut gegen das Pult, blättert die Seiten der Partitur zurück und hebt den Taktstock. Rascheln im Orchester im Chor, dann Stille, Auftakt. Die Streicher entwickeln das Thema des Kyrie. Silbrig hell und zart. Beim Einsatz des Chores singt er mit, rollt beim „requiem aeternam“ das „R“: Das „e“ gurgelt aus seinem Mund wie ein „ä“, schaurig und mitreißend. Die Sänger überlassen sich ihm. Er führt, verführt benutzt. Sie sind sein Klang- und Klagekörper, mit dem er seiner Passion Ausdruck verleiht.

©GJ20100823


Edit: Berichtung Tempus: Klopfte in klopft Z1
Zuletzt geändert von Gerda am 11.09.2010, 00:18, insgesamt 4-mal geändert.

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Beitragvon Zefira » 10.09.2010, 10:24

Liebe Gerda,
jetzt ist es wirklich runder. Noch eingehender beschreiben solltest Du wirklich nicht, das nach hinten gekämmte Haar ist mir beinahe schon etwas zu viel.
Was mir jetzt sehr gefällt, ist die nuancierte Gestik. Der seltsame Widerspruch, wenn man seine Anweisungen wortgetreu nimmt (den Yorick erwähnt hat), gibt der Figur ein unverwechselbares Gesicht.
In "führt, verführt, benutzt" fehlt ein Komma (hinter verführt).
Dass er falsch singt, ist gelungen! Klasse.
Lieben Gruß von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Gerda

Beitragvon Gerda » 10.09.2010, 10:58

Vielen Dank, liebe Zefira, Komma ist eingefügt.
Ja, ich hoffe, dass das genau jetzt so rüberkommt
Der seltsame Widerspruch, wenn man seine Anweisungen wortgetreu nimmt (den Yorick erwähnt hat), gibt der Figur ein unverwechselbares Gesicht.

Ich wundere mich, dass das alles wieder so lebendig wird ... in mir.

Liebe Grüße
Gerda

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Beitragvon Lisa » 10.09.2010, 21:36

Liebe Gerda,

also für mich hat der Text auch sehr gewonnen! Die letzten Sätze sind vielleicht immer noch ein bisschen hinweisenden Charakters, aber sie klingen sprachlich doch mit, finde ich OK so. Ansonsten finde ich die Änderungen sehr fein!

Ein Komma fehlt noch vor "Expressivität".

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gerda

Beitragvon Gerda » 11.09.2010, 00:17

Liebe Lisa,

vielen Dank für das nochmalige Feedback und das Komma ... ist ergänzt.

Liebe Grüße
Gerda


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