Grenzgänge '84
Auf Klassenfahrt in Travemünde war
grad Grenzbesichtigung auf dem Programm,
doch ehe man zu Zaun und Wachturm kam
ging es am Strand entlang - hier FKK.
Für uns war sowas neu und - sonderbar.
Wir gingen brav in Zweierreihen, stramm
den Blick nach vorn. Wir fühlten beinah Scham -
An jeder Düne lauerte Gefahr:
Jetzt blos nicht auffall'n - "Glotz da nicht so hin!",
begannen erst im Lager aufzutauen.
Da lagen manche lockren Sprüche drin.
Wir feixten über diese Nackedeis:
"Was die im nahen Wald wohl tun? - Wer weiß!"
und neideten doch fast, was die sich trauen.
Grenzgänge '84
Lieber Zaunkönig,
ein rein inhaltiche Anmerkung, eine neidische noch dazu: Ich denke, Ihr habt Glück gehabt, diese "menschliche Seite" des real existierenden Sozialismus kennen zu lernen. Wir haben damals nur Todesstreifen und Grenzsoldaten anschauen dürfen ... Dafür haben wir im Politikunterricht, das ist mir erst kürzlich wieder eingefallen, die verfassung der DDR samz Zusammensetzung der Volkskammer gelernt - im Westen - Grundgesetz und Bundestag hingegen waren nie Thema ...
Liebe Grüße
Max
PS: Hoffentlich kommen noch qualifiziertere Kommentare als meiner.
ein rein inhaltiche Anmerkung, eine neidische noch dazu: Ich denke, Ihr habt Glück gehabt, diese "menschliche Seite" des real existierenden Sozialismus kennen zu lernen. Wir haben damals nur Todesstreifen und Grenzsoldaten anschauen dürfen ... Dafür haben wir im Politikunterricht, das ist mir erst kürzlich wieder eingefallen, die verfassung der DDR samz Zusammensetzung der Volkskammer gelernt - im Westen - Grundgesetz und Bundestag hingegen waren nie Thema ...
Liebe Grüße
Max
PS: Hoffentlich kommen noch qualifiziertere Kommentare als meiner.
Hallo Max,
Wir haben in der Schule ein Exemplar des Grundgesetzes ausgehändigt bekommen und auch das Wahlrecht angesprochen. Zeitlich kann ich es allerdings nicht mehr einordnen. Zumindest gab es keine parallele Gegenüberstellung, was ja Sinn gemacht hätte.
Der FKK-Strand war übrigens auf der Westseite in Sichtweite der Grenzer.
ich nehme an ihr habt einen anderen Grenzabschnitt besucht?
Gruß
ZaunköniG
Wir haben in der Schule ein Exemplar des Grundgesetzes ausgehändigt bekommen und auch das Wahlrecht angesprochen. Zeitlich kann ich es allerdings nicht mehr einordnen. Zumindest gab es keine parallele Gegenüberstellung, was ja Sinn gemacht hätte.
Der FKK-Strand war übrigens auf der Westseite in Sichtweite der Grenzer.
ich nehme an ihr habt einen anderen Grenzabschnitt besucht?
Gruß
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck
Hallo ZaunköniG,
Du schriebst:
Klar - Travemünde lag westlich der Zonengrenze, und Ihr wart eine Klasse pubertierender Wessis. Es muss mal klar gesagt werden, dass der Nudismus keine Erfindung der DDR war und es ihn auch nicht nur dort gab. Heute könnte man manchmal den Eindruck gewinnen, die wären in der DDR alle nackt herumgelaufen.
Die erzählte Geschichte ist nett, zeigt die Unsicherheit der Jungen beim Umgang mit Nacktheit. Der Lehrer könnte ein 68er gewesen sein - hat der dazu nichts gesagt?
Was mich stört, ist die Form. Das Sonett ist ideal, um Gedanken, vor allem Gefühle betreffende Gedanken auszudrücken.
Werden Geschichten in Sonettform erzählt, entsteht der Eindruck, der Autor ist dieser Form so verfallen, dass er sich nur noch in ihr ausdrücken mag und kann.
Gruß
Quoth
Du schriebst:
Der FKK-Strand war übrigens auf der Westseite in Sichtweite der Grenzer.
Klar - Travemünde lag westlich der Zonengrenze, und Ihr wart eine Klasse pubertierender Wessis. Es muss mal klar gesagt werden, dass der Nudismus keine Erfindung der DDR war und es ihn auch nicht nur dort gab. Heute könnte man manchmal den Eindruck gewinnen, die wären in der DDR alle nackt herumgelaufen.
Die erzählte Geschichte ist nett, zeigt die Unsicherheit der Jungen beim Umgang mit Nacktheit. Der Lehrer könnte ein 68er gewesen sein - hat der dazu nichts gesagt?
Was mich stört, ist die Form. Das Sonett ist ideal, um Gedanken, vor allem Gefühle betreffende Gedanken auszudrücken.
Werden Geschichten in Sonettform erzählt, entsteht der Eindruck, der Autor ist dieser Form so verfallen, dass er sich nur noch in ihr ausdrücken mag und kann.
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.
Hallo Quoth,
Daß ich der Sonettform verfallen wäre, kann ich wohl nicht glaubwürdig abstreiten, aber warum soll sich das Sonett nicht für erzählerische Inhalte eignen?
Mir würden da aus dem Stehgreif einige sehr gute Beispiele einfallen, aber zumindest an meinem scheint dann doch nicht alles zu stimmen, wenn das kritisierst.
Den Lehrer würde ich nicht als typischen 68 bezeichnen, obwohl es die Generation war.
Er hat uns natürlich gesagt, daß da jetzt ein FKK-Strand kommt bevor wir die Grenze erreichen und daß wir uns einfach ganz normal verhalten sollten. Er war in der Sache ganz locker, hat es aber nicht extra thematisiert.
Nudismus war im Osten durchaus weiter verbreitet, aber ob jemand am FKK-Strand liegt oder in die gemischte Sauna geht ist letztlich nicht wirklich ein Unterschied.
Nur besonders Verklemmte können halt nicht zwischen Freikörperkultur oder Swingerclub unterscheiden.
Solche Vorurteile klingen dann auch in meinem Text an.
LG ZaunköniG
Werden Geschichten in Sonettform erzählt, entsteht der Eindruck, der Autor ist dieser Form so verfallen, dass er sich nur noch in ihr ausdrücken mag und kann.
Daß ich der Sonettform verfallen wäre, kann ich wohl nicht glaubwürdig abstreiten, aber warum soll sich das Sonett nicht für erzählerische Inhalte eignen?
Mir würden da aus dem Stehgreif einige sehr gute Beispiele einfallen, aber zumindest an meinem scheint dann doch nicht alles zu stimmen, wenn das kritisierst.
Den Lehrer würde ich nicht als typischen 68 bezeichnen, obwohl es die Generation war.
Er hat uns natürlich gesagt, daß da jetzt ein FKK-Strand kommt bevor wir die Grenze erreichen und daß wir uns einfach ganz normal verhalten sollten. Er war in der Sache ganz locker, hat es aber nicht extra thematisiert.
Nudismus war im Osten durchaus weiter verbreitet, aber ob jemand am FKK-Strand liegt oder in die gemischte Sauna geht ist letztlich nicht wirklich ein Unterschied.
Nur besonders Verklemmte können halt nicht zwischen Freikörperkultur oder Swingerclub unterscheiden.
Solche Vorurteile klingen dann auch in meinem Text an.
LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck
Hallo!
Mir ist da noch was aufgefallen, obwohl es vermutlich nicht beabsichtigt ist:
"doch ehe man zu Zaun und Wachturm kam
...
begannen erst im Lager aufzutauen"
Ich habe sofort "Zaun & Wachturm" mit "Lager" assoziiert (obwohl der Kontext "Grenze" klar genug ist).
Das gibt dem Gedicht für mich noch eine Dimension mehr, als die der Nacherzählung:
Manche tauen erst in innerhalb ihrer eigenen Grenzen auf, die sie nach außen wie mit Stacheldraht und MG verteidigen.
Und Freiheit (die traun sich was) kann auch schon mal eine zu große Herausforderung werden.
Das ist keine Eigenart allein von Staaten.
Liebe Grüße & Kompliment (liest sich ungezwungen und flüssig)
Carl
Mir ist da noch was aufgefallen, obwohl es vermutlich nicht beabsichtigt ist:
"doch ehe man zu Zaun und Wachturm kam
...
begannen erst im Lager aufzutauen"
Ich habe sofort "Zaun & Wachturm" mit "Lager" assoziiert (obwohl der Kontext "Grenze" klar genug ist).
Das gibt dem Gedicht für mich noch eine Dimension mehr, als die der Nacherzählung:
Manche tauen erst in innerhalb ihrer eigenen Grenzen auf, die sie nach außen wie mit Stacheldraht und MG verteidigen.
Und Freiheit (die traun sich was) kann auch schon mal eine zu große Herausforderung werden.
Das ist keine Eigenart allein von Staaten.
Liebe Grüße & Kompliment (liest sich ungezwungen und flüssig)
Carl
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