Prosalog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

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Foto A.P. Sandor et moi


Prosafluss - Geheime Nachrichten - Flüsterpost - Prosapool - ungebunden - verbunden - Prosadialog - Prosakette - Prosa rhei - ungebunden - verbunden - Prosa - Blitzlichter - Prosalog - Wort zu Wort Beatmung - Prosafolge - ungebunden - verbunden


Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 22.05.2011, 14:25

Der Zettel

Vor vielen Jahren lernte sie einen Mann kennen. Liebe auf den ersten Blick? Jein. Eher auf den zweiten. Doch bei der ersten Begegnung ging eine solche Anziehungskraft von ihm aus ... Drei Monate trafen sie sich jeden Tag. Sie war sicher, dass er verheiratet war und mindestens drei Kinder hatte. Doch sie fragte ihn nicht. Sie fürchtete die Antwort. Dieses Vielleicht-doch-nicht war so viel reizvoller. Drei Monate siezten sie sich. Kein Kuss. Einfach nur zusammensein.
Dann schrieb sie ihm einen Zettel, in dem sie ihm ihre Gefühle offenbarte. Mit Kuli, total verschmiert. Ein winziger, zerknitterter Zettel mit großem Inhalt. Sie fuhr zu seiner Wohnung und warf den Zettel in seinen Briefkasten. Sie wagte nicht zu klingeln. Seine Frau samt der sieben Kinder hätten ja zur Tür rauskommen können.
Ein halbes Jahr später zogen sie zusammen. Und noch ein halbes Jahr später heirateten sie.

Viele Jahre später reisten sie nach Rom. In der U-Bahn wurde sein Portemonnaie gestohlen. Er jammerte tagelang. Nicht wegen des Geldes, des Personalausweises oder der Kreditkarte. Wegen des Zettels. Wie sein Allerheiligstes hatte er ihn immer bei sich getragen.

Gerda

Beitragvon Gerda » 02.06.2011, 07:26

Mein geliebter Freund,

unsere Spaziergänge, unsere Gespräche möchtest du wieder aufnehmen. Du schreibst, wie sehr du sie vermisst, dass du sie fortsetzen willst. Ich liebte sie sehr, diese weiten Wanderungen, unsere Ausdauer, die Unterhaltungen im Rhythmus unserer Schritte. Das Schweigen, das Reden, den Fluss der Worte, die Melodie deiner Stimme, vertraut im Ohr. Intim offen für einander. Beieinander. In Stille versunken. Dem Auftreten der Sohlen lauschend. Niemals Eile oder Hast. Von dir lernte ich zu gehen. Nicht das Laufen oder gar zu rennen. Das Gehen im Gleichklang, Wandern miteinander. Wir brauchten nichts weiter als uns. Uns und die Wege.
Du habest niemanden außer mir, der dir entschieden Mut verleihen könne, fährst du fort. Es sei Leere eingekehrt in deine Tage und Nächte, kein Schritt der dich nicht schmerze nach dem Unfall.

Ich verstehe dich, doch meine Kraft ist klein. Ich konnte nicht bleiben. Ich mochte meine Füße nicht wie gewohnt, den einen vor den andern setzen, als ginge es geradewegs weiter, sogar über meine Zeit hinaus. Sie war überschaubar geworden. Das Vergehen messbar. Hätten sich die gegangenen Wege nicht von mir fort, sondern zu mir hin bewegt, so wäre ich vielleicht im Stande gewesen sie weiter zu leben, doch der Raum war begrenzt.

Dein

Klara
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Beitragvon Klara » 07.06.2011, 21:12

[entfernt]
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Eule
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Beitragvon Eule » 08.06.2011, 09:58

Lauscher, so heißen die Ohren beim Rotwild. Langziehohren bei Harry Potter (in der deutschen Übersetzung) und Keinohrhasen gehörte zum visuellen, medialen Bereich. Lautsprecher passen auch gut, dachte er, mit eingebautem Mikrofon. Mitten im Strom der Schallwellen schwimmen, am Rand der Autobahn, neben der Müllabfuhr, mit Hörkonserven aus aller Welt und sich keinen Reim drauf machen müssen. Auszeit total. Da gibt es kein zurück, nur ein vorwärts. Ein zerbrechliches vorwärts, ein einsames vorwärts, ein hoffnugsloses vorwärts. Aber dieses vorwärts kannte er schon, es war in der einen Minute kalt und schwer und in der nächsten warm und lebendig.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Gerda

Beitragvon Gerda » 08.06.2011, 09:59

Das Lächeln der Männer

Nicht die glatten schönen Männer finde ich anziehend. Die geistvoll komplizierten, denen Ironie kein Fremdwort ist. Groß und attraktiv sollten sie dennoch sein und LÄCHELN.
Lächeln indem sie den Mund ganz leicht, wie zu einem gehauchten Kuss formen, was gleichermaßen zugewandt, verhalten und ein wenig unsicher wirkt. Eine diffuse Mimik also, die bei mir als umwerfend ankommt und alles (Un)mögliche offen läst, besonders meinen Interpretationsspielraum.
All das wurde mir klar als ich diese alte BBC-Aufnahme ansah. Neil Diamond auf der Bühne. Ich seh
ihn lächeln, höre „I am I said“ und weiß Jahre nach der Trennung erst, weshalb ich mich damals in dich verliebt habe.
Vermessen die Ansprüche, die ich stellte. An dich, die Beziehung, dein Lächeln was irgendwann gerann, bröckelte und auseinander fiel.

Max

Beitragvon Max » 10.06.2011, 21:40

Als hättest du diesen Satz schon gehört, immer und immer wieder: Nein, lass mich, ich bin es nicht wert - lch will deine Liebe nicht.
Und doch klingt er dir neu. Da scheinst du noch gesund - dass es recht ist, dich zu lieben, hast du nie bezweilfelt (genau an diesem gefühl hast du dich ja immer wieder verletzt).
Und du denkst: wer hat ihr diese Wunden zugefügt? Und: Ob sie jemals heilen?

Und du weißt nicht, ob du dich ihr zuwenden sollst und du weiß nicht, wie. Und so gelingt dir nur eine kleine Geste, wie eine Pirouette, die auf der Hälfte der Umdrehung endet. Und du hoffst, sie hat sie gesehen.

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Eule
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Beitragvon Eule » 11.06.2011, 13:26

Trotzdem, es mußte etwas geschehen. Niemand hält Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung für immer aus. Auch die nicht, die zur Abwehr führen. Zumal er erst einmal erfahren wollte, was überhaupt passiert war in diesen Monaten, die sie die allerschrecklichsten nannte.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Gerda

Beitragvon Gerda » 12.06.2011, 00:22

Jemanden im Unklaren (ver)lassen, hinter eine Mauer aus Schweigen zu verbannen, ist seelische Grausamkeit, kann mehr verletzten, als Worte es vermögen. Ignoranz vermittelt Wertlosigkeit.

aram
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Beitragvon aram » 12.06.2011, 00:24

das gegenteil von liebe - nicht hass, sondern gleichgültigkeit

Gerda

Beitragvon Gerda » 12.06.2011, 00:28

Einzig

Dieses abschnittweise Sehen von Ausschnitten. Wie kann man glauben einen Menschen zu kennen, wenn man mit ihm eine Unterdessenzeit verlebt? Glauben dieser Mann sei einzig? Was, wenn eine andere Frau, ihn ebenso zu kennen glaubt, weil sie von dem „Unterdessen“ nichts ahnt, wenn eine dritte, eine vierte gar sich gleichfalls mit einem Ausschnitt begnügte? Ihr ganzes Ich hinein gäbe in diesen Bruchteil von Leben, die fehlenden Teile sich selbstredend ausfüllte?
Reduziert auf Fitzelchen, Leben eingedampft auf Momente. Auf Telefonate, Briefe und Gedichte, Worte als Liebesbezeugungen, seltene Treffen. Wie richtet man sich damit im Leben ein? Kann man einen Menschen lieben, ohne sein Leben zu durchdringen? Der Wunsch danach, gewünscht zu werden, sich ausschließt? Was, wenn die Ganzheit der Gefühle nicht auf beiden Seiten des Pols, und dennoch - Liebe bestimmend ist? Eine unendliche Zuneigung, zentriert die Leidenschaft gehegt und gepflegt in Abwesenheit des Adressaten. Den Schmerz gefüttert, gezüchtet, als unterschiedliche Ebenen wuchsen. Aufgetragen auf fehlende Puzzleteilchen. Im Gesamten mit Bekanntem bebildert. Zum Kunstwerk erhoben, ohne zu wissen wie wahrhaftig.

©GJ20110609

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Eule
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Beitragvon Eule » 12.06.2011, 02:41

Kunstwerke

Ja, wer liebte die nicht. Wahrhaftigkeit, eine Mischung aus Wahrheit und Haftenbleiben, das erinnert an Werte. Werte, die auch die Künste vermitteln. Was wären unsere Werte, würden wir sie nicht verteidigen, Menschenrechte, Grundrechte, Strafrechte und Rederechte. Aber Kunst kann noch mehr, Kunst hilft sich auszudrücken, zu spiegeln, weiterzusehen. Wie frei darf Kunst sein, Kunst werden, ohne ihre Rechte zu verlieren und wie geht das eigentlich ? Wegwerfen vielleicht, ganz einfach. Kunst als Gebrauchsgegenstand, Kunst als hohes, als unbezahlbares Gut. Und da war doch noch der Wertekreislauf, verändert er die Kunst und wenn ja, welche. Deine, meine, ja richtig, dann kommt das uns. Und damit eine neue Geschichte.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.06.2011, 19:08


Mit jedem Bild endet eine Geschichte in mir. Mal dauerte sie Monate, mal nur Tage.
Mit jedem Bild beginnt ein Halten. Wie lange kann ich es festhalten. Wie lange brauche ich, um es loslassen zu können.
Ich muss jedes berühren. Wie fühlt es sich an? Je weicher es sich anfühlt, je mehr es sich nach mir anfühlt, um so schwerer ist das Loslassen.
Doch jedes Bild geht seinen Weg. Ich muss es ziehen lassen.
Nur eines wird ewig mein Kind bleiben.

Gerda

Beitragvon Gerda » 13.06.2011, 23:31

Jedes Buch, das sie las, war Nahrung und wurde nach wenigen Seiten des Lesens zu ihrem Leben. Solange sie mittendrin war, ging es ihr gut, blühte sie auf, spürte sich. Wie das bei Suchtkranken so ist, wurde es immer dann kritisch, wenn das Suchtmittel zur Neige ging. Die letzten Seiten, noch in die Länge ziehend versuchte sie sich, nicht einmal besonders kraftvoll, gegen die Entzugserscheinungen zur Wehr zu setzen.
Es gab unzählige Bücher, die noch gelesen werden wollten. Eine Menge auch jener, die die Sucht zwar nicht heilten, aber vorübergehend stillten. Immer wieder von einem zum nächsten Buch floss ihr Lebensstrom durch das übernächste, seitenlang bis zum letzten Blatt, das sich nicht wenden ließ. Dort lauerte jedes Mal das Gefühl verlassen zu werden.
Die Beschaffung von Nachschub hatte sie organisiert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.06.2011, 22:02

Von einem Gütigen . Häschen in der Grube



von einem Gütigen, der
hört er zu
nicht auf die Uhr sehen kann

von einem, der
hört er zu
nicht auf die Uhr sehen kann
weil er es nicht will

von einem, der zuhört
mir zuhört
mir ganz allein


Das ist einer, den kann ich fressen
den darf ich fressen und der
erlaube ich mir tatsächlich, nicht länger an mich halten zu können
sich verschlingen lässt
sich in diesem Verschlingen auftut
hoch ins ganze Zimmer an Gestalt
durch mich hindurch
mächtig in einem Maße wie es sonst nur zürnende Magier sind
doch eben in Zärtlichkeit. Ganz weich, mit feinsten, schattenlosen Falten unter den Augen
blickte er mich an

Was sicherlich bloß eine Luftzerfetzung wäre
doch eben eine magische

Ich stelle mir seine Liebe vor
als könnte man mit einem Mal Wasser atmen
bloß weil man den Willen dazu hat



.




Nein, nein, vielen Dank für das Angebot …
… ich bleibe hier im dunklen, feuchten ...
… nein, du brauchst nicht den Arzt rufen, hörst du … so hör doch … bitte, ruf ihn nicht ...
… Tag, Herr Doktor …
… sieht schlimm aus? Ja, ich fühl mich auch nicht besonders ...
… das soll ich schlucken? Was ist das? Was macht das mit …
… es tut mir Leid, ich bekomme den Trichter einfach nicht mehr in den Hals, ich muss würgen …
… nun schreien Sie doch nicht gleich so, ich will es ja versuchen, aber dann seh ich meine Läufe doch das Fläschchen fortstoßen und fühle diesen Druck, Ihren Schädel zerschmettern zu müssen …
… aber ja, Sie tun Recht daran, sich nicht zu fürchten, lachen Sie nur … längst hängen mir ja schon wieder die Ohren ganz schlapp herunter …


Diese Arznei,
die alles wieder … macht.
Kann ich denn nur so bei euch sein?


Ja, natürlich fürchte ich den Schimmel, der sich in die filzigen Falten setzt,
was glaubt denn ihr, fürchte so sehr!
Kein anderer ist hier, mit mir, bin ganz allein,
bloß ich kenn das Klirren in meinen Ohren, das Zittern und Jucken,
die Dickglasigkeit meiner Augen.
Beim Atmen pfeife ich und wenn ich unsicher bin, ob ich gerade wache oder träume,
fürchte ich zu wissen, dass die Pfiffe ganze Schreie sind, die bis nach oben,
zu euch in die Wiesen dringen.


Die Wiesen …
… ich ziehe die Füchse in die Wiesen, sagt ihr. Ich seuche euch mit meiner Schlaffheit,
meinem aufgeweichten Weigern.
Ich höre euch darüber flüstern, es dringt nach hier unten über die Wurzeln,
gegen die ich gekippt bin.

Ich verstehe zu gut. Meine Entscheidung zur Krankheit ist nicht länger tragbar.
Ihr wollt nicht befallen werden vom Weheklagen eines einzelnen Häschens, dem es schlecht geht, weil es die Arznei verweigert.
Es ist Zeit für mich zu sterben, folgert euer Wille. Glasklar, ganz ohne Schauder.
Für mich ist nicht vorstellbar, dass euch jemals ein Pilz befallen könnte.
Er würde einfach an euch abrutschen.


Keiner ist gekommen und hat gefragt, warum ich nicht mehr will. Diese Frage kommt in euch nicht vor. Ich sage es euch trotzdem (weil ich sterbe, wird das möglich sein).

Ich ertrug die Ausbreitung des Krankenhauses nicht länger.
Diese Arznei in allen Dingen, im Weizen, Stacheldraht,
selbst im Wind, der über uns durch die Bäume rauscht,
und dann sogar in Felines Augen. Wie ein tauber Schleierdorn tat sie sich dort auf.

Da habe ich mich für den Gram entschieden, habe ihn in mich hineingelegt,
mir unters angstklopfende Herz gestoßen. Habe gemacht, dass ich aufhöre, Arznei zu schlucken.
Der Gram hat mir den Willen dazu genommen. Diesen völkerschlachtenden Willen.

Ja, ich hab das gemacht. In einem Traum. In dem machte ich mich zu einem Kind, das mir eine abgebrochene schmiedeeiserne Stange in die Seite stieß. Es probierte sich aus irgendeinem Schatten heraus aus, der nicht böse oder gut zu nennen ist. Einfach dass die Augen sehen, was geschieht, wenn man so etwas tut. Ergriffen von der kräftigen Farbe meines Blutes, das das Fell tränkte, meinem pochenden Herzen darunter und dem flatternden weißen Näschen, doch ohne Scheu vor dem Tode, stand es da und schaute. Und ich wurde ganz ruhig in meiner Todesangst da in seinen Augen. Ich lag in meinem Blut und dachte, so muss es sich anfühlen, in den Armen gehalten zu werden.


Ich habe die Grube, in der ich nun liege, vorgefunden, als es mir nicht gut ging, was bedeutet: ich hoppelte täglich an ihr vorüber. Ich sah gleich, am Anfang führt sie ganz seicht, gar zart hinab und doch besaß sie eine ungeheure Anziehung auf mich, zog mich hinab. Und als Mutter zu mir und meinen Geschwistern sagte, nun sei es an der Zeit, da wusste ich: in dieser Grube dort werde ich mich niederlassen.

Ein paar Wochen kam ich hinunter und wieder hinauf, verbrachte die Tage zwischen Klee. Doch dann dieser Kopfschmerz. Die Sonne brannte so hell. Wie wohlig kühl empfing mich dagegen meine Grube. Abends drückte ich mein Köpfchen gegen ihre feuchten Wände.

Mit der Zeit schien es mir immer beschwerlicher morgens aus ihr hinauszuschlüpfen, um mich unter die anderen zu begeben, meine Beine ließen mich im Stich, die Läufe zitterten, ich brach ein, rutschte hinab und stemmte mich nur unter großen Anstrengungen nach oben. Seit ein paar Tagen wollte es mir gar nicht mehr gelingen und nun versuche es auch nicht mehr.

Ich vermag nicht zu sagen, ob meine Entscheidung zur Krankheit etwas Gutes ist. Vielleicht ist sogar gerade die Entscheidung zur Krankheit die Krankheit selbst. Ja, ich weiß noch nicht einmal, ob es eine Entscheidung war.

Und doch hebt sich nichts in mir zu etwas anderen.



.



Ich sehe das Haus. Genauer sehe ich nur ein einzelnes Zimmer, das mit der hölzernen Schrägwand in dem orangen Licht. Das Zimmer ist leer. Es ist so leer, dass es das ganze Haus bedeutet, und ich fühle mich in diesem leeren Zimmer. Vielleicht stand mal ein Gitterbettchen dort und es war mein Zimmer. Aber ich erinnere mich nicht. Es ist schon viel, dass ich dieses leere Zimmer sehe und mich darin fühle.
Mir ist, als läge ich immer noch in diesem Haus. Riesengroß, wie diese Maus in einem meiner Bücher, die mir unheimlich erschien. Wo ich mich doch eigentlich vor kaum etwas gefürchtet habe als Kind. Doch vor dieser riesigen Maus, die sich kaum regen konnte auf den Seiten da im Buch, vor der schon.
Ich liege also immer noch dort und selten kommt ein Mensch hinein in das Haus, noch seltener schaut er in das orange Zimmer. Sieht mich dort liegen. Aber wenn doch, so ist er winzig klein gegen mich. Er muss diesen Berg von Säugling besteigen. Wenn er mich begehrt, streichelt er die Anlagen zu den Brüsten, sofern er sie findet. Das rührt mich. Aber ich bin so groß, erheben kann ich mich nicht. Schon mein Auge ist tellergroß und aufgerissen wie eine feuchte, schwarze Sonne. Ich mag‘s auch gar nicht.

Die Stange ist weit in mich eingedrungen. Es geht mir nicht gut.
Ich erinnere mich, ich war das, die sie sich ins Fleisch gestoßen hat,
auf Geheiß von Gestalten, die mit mir nichts zu tun haben

(dass sie nichts mit mir zu tun haben, war der Grund).



.



Seine Liebe stelle ich mir vor
als könnte ich mit einem Mal Wasser atmen
bloß weil ich den Willen dazu habe

, ich Häschen.


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