Prosalog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

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Foto A.P. Sandor et moi


Prosafluss - Geheime Nachrichten - Flüsterpost - Prosapool - ungebunden - verbunden - Prosadialog - Prosakette - Prosa rhei - ungebunden - verbunden - Prosa - Blitzlichter - Prosalog - Wort zu Wort Beatmung - Prosafolge - ungebunden - verbunden


Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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Zuletzt geändert von Nifl am 04.08.2007, 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Jelena

Beitragvon Jelena » 12.10.2011, 16:50

Gestern habe ich mein Systolikum entdeckt. Ich nehme an, dass es eine ventrikulären Extrasystole aufgeschreckt hat. Ich habe daraufhin beschlossen, ihm eine grüne Zipfelmütze zu stricken. Grün, damit es sie in dem vielen Rot fände. So könnte es Ski fahren, sobald Schnee fiele.
Heute hat sich die Extrasystole aus dem Staub gemacht. Ich musste mein Systolikum trösten. Die Mütze bekommt es trotzdem, man weiß ja nie.

Gerda

Beitragvon Gerda » 13.10.2011, 11:07

Wie sollte mein Herz nicht stolpern, in der Fußgängerzone, wenn ich dich von weitem kommen sehen.
Wie sollte ich nicht glauben du kämst geradewegs auf mich zu.
Wie sollte ich denken, dass du mich nicht einmal siehst.
Wie geht das, blind sein und vergessen?
Zuletzt geändert von Gerda am 15.10.2011, 09:36, insgesamt 1-mal geändert.

Jelena

Beitragvon Jelena » 15.10.2011, 08:02

Wir stolpern über unsere eigene Haut. Herbstfrüchte, die wir geworden sind, wie Quitten, die lange im Keller liegen, bis sich einer erbarmte und nach unserem Saft verlangte. Unser Duft himmlisch. Unser Fell dunkel. Unsere Kerne unser Aroma. Man darf sie nicht entfernen.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.10.2011, 14:19


Wenn es auch Herbst ist, legt sich meine Haut nicht in Falten. Der Kern ist hart und knackig und die Hoffnung, vom Kern gefüttert, bleibt immer Himmel. Sollte sich meine Haut den Herbst anlegen, zieh ich ihm das Fell über die Ohren.

Klara
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Beitragvon Klara » 15.10.2011, 14:40

Der Anfang ist leicht und scheinbar bekannt
Zuletzt geändert von Klara am 12.01.2012, 10:04, insgesamt 1-mal geändert.

Jelena

Beitragvon Jelena » 16.10.2011, 15:54

Nächtliche Innenarchitektur

Nie hätte ich geahnt, dass der Unfall meines Schlafarchitekten verheerende Folgen haben würde. Ein Eimer Wasser spülte ihm die Erde unter der Leiter weg und er stürzte seitlich auf den Rasen. Gehirnerschütterung mit Rippenserienfraktur und zertrümmerten Sprunggelenk. Der NAW brachte ihn ins Krankenhaus.
Na schön, dachte ich, und machte einen Termin beim Hausarzt aus, um weiterhin schlafen zu können. Der Notarzt hatte mir den Tipp kurz vorm Einsteigen zugerufen, dann hatte das Martinshorn eingesetzt und er war mit meinem Architekten davongedüst. Damals wusste ich noch nicht, wie bestechlich Ärzte sein können.
Nach sechs Wochen erwartete ich ein Lebenszeichen meines Architekten. Als ich im Krankenhaus nachfragte, sagte man mir, dass er zur Anschlussheilbehandlung auf die Malediven ausgeflogen worden sei. Ich dachte mir nichts dabei und schluckte weiterhin jeden Abend die vom Hausarzt verordnete Tablette. Drei Wochen später schickte ich meinem Architekten eine SMS: Bitte kommen Sie zurück, die Tabletten gehen zu Ende. Keine Antwort.
Ich schrieb also eine E-Mail, ohne Erfolg. Schließlich tippte ich seine Rufnummer ein, um ihn persönlich an den Lautsprecher zu kriegen. Nach fünfzehn Mal Klingeln hob sein Zimmermädchen ab und erklärte mir flüsternd, dass er gerade seinen Mittagsschlaf halte. Danach wäre er am Pool verabredet und am Abend auf die Yacht eines gewissen Herrn Marzipam eingeladen.
Und morgen?
Morgen flöge der Herr Architekt als neuer Kunde zum Bankett der Schlafarchitektenversorgungsanstalt auf die Fidschi-Inseln.
Und ich? Ich war entrüstet. Was soll denn bitteschön einmal aus mir werden?
Sie antwortete, dass ich mich nicht künstlich aufregen müsste, schließlich wäre dem Schlafwohlverband der Schlafarchitektennotstand hinreichend bekannt. Und der Herr Architekt hätte seinen ausgehaltenen Ruhestand nun wirklich verdient. Sie legte den Hörer auf.
Erst da dämmerte mir, dass ich ein simples Opfer der Pharmamafia geworden war. Ich spülte die Tabletten im Klo runter und beschloss die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Bei Mondschein fuhr ich zu Ikea.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.10.2011, 23:48


Die Kometenjägerin

Jede Nacht schaut sie durch das Fernglas, beobachtet den länglichen Himmelskörper.
Er bringt uns Feuer und Vernichtung, sagt sie.
Er kommt immer näher, sagt sie.
Er wird die Erde treffen, sagt sie.
Jede Nacht hält sie Wache auf dem Balkon und vergisst zu leben.

Gerda

Beitragvon Gerda » 30.10.2011, 10:33

Einmal im Leben Marathon laufen. Sie war bereit.
Die wöchentliche schnelle Trainingseinheit auf der Bahn, ein langer Lauf bis zu drei Stunden, die Woche, dazu mehrfache einstündige Einheiten, diese Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Ob es reichen würde, die 42.195 km durchzustehn? Einigermaßen gut ankommen wollte sie. Die Zeitmarke, die sich gesetzt hatte, bedeutete nur, dass sie wusste, mit jeder Minute, die sie länger als viereinhalb Stunden unterwegs wäre, würde es unermesslich anstrengend, ja wahrscheinlich nur noch quälend sein. Das wollte sie vermeiden. Jetzt ging sie als letzte über die Startlinie, gebremst von ihrem Mann, der ein erfahrener Läufer war und sie begleiten würde. Langsam löste sich die innere Spannung und sie kam in Tritt.


(Heute ist Frankfurt Marathon ... Erinnerung an 1995)

Gerda

Beitragvon Gerda » 20.11.2011, 12:44

Ein Schwarm Krähen am Himmel und Gedanken an Nietzsche ...
Ich geh übers Land. Die Vögel sind auf dem Weg in die Stadt.
Mattes Mittagslicht streift die braungrauen Felder. Sie halten schon Winterschlaf.
Hier und da rascheln die Schritte, wenn am Wegrand alte Bäume sich neigen.
Der Hund läuft voraus. Es gibt viel zu erschnüffeln und ihn interessieren hauptsächlich die Wegränder. An ihnen entlang liest er die Tagesnachrichten.
Krah, krah, krah, schalt der Ruf mannigfaltig, Sie gebärden sich im Durcheinander, als ob ihnen der blasse Himmel gehöre.
„Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt.
Bald wird es schnein -
Weh dem der keine Heimat hat.“

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.12.2011, 00:07


Da ist diese schwarze Fläche. Ist es eine Scheibe oder eine Schablone? Sie ist matt. Ich reibe mit meinen Fingern wie besessen über die ganze Scheibe, ziehe eine Glanzschicht darüber. Da! An der rechten Kante fehlt noch Glanz. Ich fühle mich so getrieben, befürchte, es zeitlich nicht zu schaffen. Und ich schaffe es nie. Immer, wenn ich gerade den letzten matten Fleck bestreichen möchte, wache ich auf. Ich liege im Bett und möchte schnell wieder einschlafen, um es fertig zu bekommen, doch es gelingt mir nicht. Und wieder habe ich vergessen, was es konkret war. Verdammt, ich bin so dicht dran! Eine Scheibe, eine Schablone? Es hat etwas Wappenartiges. Seit einer Woche träume ich diesen Traum jede Nacht und jeden Morgen wache ich auf, an der gleichen Stelle. Was bedeutet das bloß? Beim Frühstück ertappe ich mich dabei, wie ich an diese Scheibe denke, ganz nah daran bin, das Geheimnis zu lüften. Es ist etwas ganz Vertrautes. Ich weiß es genau! Manchmal ist mir etwas so vertraut, so nah, dass ich es einfach nicht erkennen kann. Es ist, als ob man etwas zu dicht vor Augen hat. Man sieht es unscharf. Ich hab es auf der Zunge, spüre es, kann es aber nicht aussprechen. Und der Traum lässt mir nicht genug Abstand. Vielleicht ist es etwas ganz Banales. Nein, es hat etwas zu bedeuten, sonst würde mich dieser Traum nicht jede Nacht derart treiben. Es ist wie ein blinder Fleck, von dem ich weiß, dass er da ist, es fehlt nur noch der Glanz, damit er transparent wird. Es macht mich verrückt! Heute Nacht werde ich es wieder träumen, auch das weiß ich. Ich werde es so lange träumen, bis ich das so Vertraute beim Namen nennen und endlich loslassen kann. Sonst seh ich schwarz.

Gerda

Beitragvon Gerda » 21.12.2011, 07:02

Vom Sein

Der Regionalexpress tutet laut vor der nächsten Kurve. Ich genieße die Zugfahrt ins Gebirge.
Die Fahrgeräusche hören sich mit ein bisschen Phantasie, nach dem Stampfen einer alten Dampflok an.
(Der Zug fährt aber mit Benzin, fällt mir prompt ein).
Schnee, Reste hier und da, weiße Flecken an den Hängen.
Ich steige aus, schultere den Rucksack und lasse den Bahnhof zur Linken zurück, begebe mich quer durch die Stadt Richtung Feldberg.
Als ich auf dem Wanderweg bin, im feuchten schweren Kiefernduft, weiß ich nicht, ob ich nur existiere oder bin. Wassertröpfchen, zieren die grünen Nadeln wie Glitzersteinchen.
Die Luft hält eine nasse Last in unsichtbaren Beuteln, aus denen es ab und zu nieselt.
Ich atme durch und gehe bergan. Fort vom Lärm der Stadt will ich zu mir wandern.

©GJ20111223

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 30.12.2011, 13:43

Kennen Sie Büchner, kennen Sie die Last der Gedanken? Kennen Sie das, eine Reise zu machen und immer nur bei sich selbst anzukommen? Aus dem Fenster sehen und nichts erkennen, außer dem eigenen Gesicht? Wie soll man da zu sich kommen?

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.01.2012, 15:59


Die Last der Zahlen

oder

Die Quersummendenkerin


Es war die 4, das ganze Jahr über. Und sie brachte mir Glück, großes Glück. Die 4, ausgerechnet die 4, die niemals 'meine' Zahl war. Nicht mal beim Roulette hab ich je auf die 4 gesetzt. Es waren immer ungerade Zahlen und niemals die 6 oder die 9. Sie sind mir Fluch.
Und nun wird es die 5 sein, das ganze Jahr über. Ungerade, okay. Und keine 6 oder 9.
Und nun werde ich auf die 5 setzen, das ganze Jahr über.
Ob auch sie mir Glück bringen wird, werde ich am 1.1.2013 wissen. Hoffentlich wird es viel Glück sein, denn das werde ich brauchen in 2013, denn dann ist es die 6.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 08.01.2012, 12:09

Was quer zu allem läuft, sind die Summen. Die Zahlen, die keine Geräusche machen, an die wir trotzdem glauben. Diese Zahlen, die quer zu allem summen und wir denken, das ist die Melodie der Zukunft, oder die des Glücks. Dabei sind es die dickbäuchigen Ziffern hinter denen wir uns verstecken, oder ganz schlanke Zahlen, hinter denen sich keiner verbergen kann. Offen legen sie deshalb nichts, aber offen lassen sie viel. Etwas, das wir füllen können und dann auf die Zahlen blicken und sagen: Das sind ja nur Zahlen. Was für ein Glück.


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