großmutter

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moonlight

Beitragvon moonlight » 11.01.2012, 13:52

großmutter

einen flügelschlag lang
war ich frei und spielte
die transporte sie fuhren
dem leben vorneweg

ich spielte am tor
sah das marschieren in reihe
sie winkten und lachten
doch schöpfte die nacht

einen flügelschlag lang
war ich frei und spielte
atmete ganz europa
roch groteske leiber

ich spielte im takt
und hörte die schreie
hinter ihnen stand der tod
mit seinem gewehr

einen flügelschlag lang
war ich frei und spielte
hinter mir stand der tod
und fuhr mich ins gas


© Moonlight 2012
Zuletzt geändert von moonlight am 04.02.2012, 11:41, insgesamt 2-mal geändert.

pjesma

Beitragvon pjesma » 15.01.2012, 17:07

mit vorab-entschuldigung an moonlight, dass ich mich auf das gedicht nicht direkt einlasse (da sind für mich viel zu viele fettnäpfchen, als fremde), möchte ich zu bedenken geben, dass es viele "unberührbare" themen gibt, die dann doch berührt werden... oft gut, oft plump --- aber es passiert oft. die frage der authentizität und verklärung durch kunst ist eine ernsthafte und sehr diskussionswürdig (vielleich macht einer von euch extra thread auf?)... ich hatte mich neulich sehr aufgeregt über einen deutschen film, der sogar jugendpreis erhielt, er hieß jugotripp... (das war für mich z.b. ein unberührbares thema, vor allem von jemandem, der outsider ist wie ich in dieser gedicht-angelegenheit). da sprach der angebliche jugo deutsch ohne akzent und mit fehlern, die hören lassen, dass man sich mit authentischen sprachfehlern nicht auseinandergesetzt hat, sondern klischee serviert: "so-wird-wohl-ungefähr-ein jugo-sprechen-hoffentlich", es wurden volkslieder eingebaut, die absolut nicht in ein bestimmtes nationmilieu passen, sich aber bissl yugo anhören, bäuerliche yu-flüchtlinge reden untereinander deutsch (was sie im leben nie getan hätten unter sich, sondern nur aus höflichkeit, falls ein deutscher dabei wäre)... ich war so sauer, dass ich in den bildschirm springen und den machern sagen wollte, sie seien katastrophengeile simulanten. es hat mich eben sehr gestört, dass die authentizität nicht stimmte, weil mir das thema nahe ging. so mag es euch mit diesem thema ergehen, schätze ich.
die frage ist: habe ich eine wahre geschichte zu erzählen oder will ich eine geschichte als wahr vortischen? der zweite fall ist ein heißes eisen, wenn die geschichte zu sensationalistisch und "zu ausgedacht" in jemandes wahrheit eindringt (will ich jetzt nicht von deinem gedicht behaupten, moonlight, sondern nur den knackpunkt betonen). da muss ein fingerspitzengefühl hin, das dann leider immer noch nicht die garantie ist, dass man sich an dem thema nicht die finger verbrennt, wenn's nicht nur jemandem, sondern vielen immer noch weh tut.

lg
Zuletzt geändert von pjesma am 16.01.2012, 22:00, insgesamt 1-mal geändert.

moonlight

Beitragvon moonlight » 15.01.2012, 20:28

Liebe Freunde,
eine Meinung, eine eigene Meinung ist sehr wichtig wenn man denn eine hat.

Für mich gibt es keine unberührbare Themen sondern nur die Angst davor.

Liebe Grüße
Moonlight

pjesma

Beitragvon pjesma » 15.01.2012, 20:51

nu, vielleicht hätte ich unberührbar unter gänzefüßchen stellen sollen, liebe moonlight, weil unberührbar sind sie nicht in der tat...keine von themen. nur wie und von wem...(sensibilität und legitimität), und dann auch noch das große warum. über dieses "warum" hatte ich mir austausch gewünscht...
lg

Gerda

Beitragvon Gerda » 15.01.2012, 23:16

pjesma hat geschrieben:... über dieses "warum" hatte ich mir austausch gewünscht...



Ich mir auch.

Liebe Grüße
zur Nacht
Gerda

moonlight

Beitragvon moonlight » 16.01.2012, 15:37

Liebe Freunde,

pjesma hat geschrieben: das große warum. über dieses "warum" hatte ich mir austausch gewünscht...
lg



ich verstehe nicht.

LG
Moonlight

Jelena

Beitragvon Jelena » 16.01.2012, 18:33

moonlight hat geschrieben:Für mich gibt es keine unberührbare Themen sondern nur die Angst davor.

Hallo Moonlight!
Das sehe ich nicht so. So undifferenziert kann man sich nicht äußern, denn Angst ist für mein Verständnis auch eine Tugend und vielleicht meinen nur Dumme oder Rechtsradikale - sag ich mal so provokativ, keine Ängste haben zu müssen.
Mit dem letzten Vers überschreitest du endgültig die Grenze zu einem unberührbaren Thema. Ich würde sogar noch weiter gehen: Ich könnte es nachvollziehen, wenn man aus Achtung vor dem Schicksal der vergasten Juden, dieses Gedicht aus dem Forum entfernen würde. Ja, ich persönlich würde eine solche Entscheidung sogar begrüßen.
Es gibt tatsächlich Gedichte, die sich würdevoll (eine bessere Vokabel fällt mir im Moment nicht ein, obwohl ich sie auch blödklingend finde) mit der Thematik beschäftigen. Ich denke vor allen Dingen zuerst an Celan. Sicher gibt es noch viel, viel mehr. Sie setzen kunstvoll das Stilmittel der Hermetik ein, für mich tatsächlich der einzig gangbare Weg, sich diesem Grauen anzunähren, weil man sich mMn mit der wörtlichen Benennung der Ermordungsmethoden nicht weit genug von den Tätern distanziert. Wir benutzen dann ihre Sprache. Das ist das, was mich an diesem Vers entsetzt, der Rest mag vielleicht unter dem Gesichtspunkt noch durchgehen.

Mir gefällt das alles hier gar nicht, nur gut gemeinte Grüße, ich werde hoffentlich meine Meinung sagen dürfen, ich will deshalb hier nicht streiten, diskutieren ja, Jelena.

Quoth
Beiträge: 1853
Registriert: 15.04.2010
Geschlecht:

Beitragvon Quoth » 16.01.2012, 18:54

Ich stimme Jelena zu - das Forum würde nichts verlieren, wenn dieser Text gelöscht würde - allenfalls eine interessante Diskussion. Moonlight, Du willst uns, in pjesmas treffenden Worten, "eine geschichte als wahr vortischen", stellst sie unter den Schirm einer Authentizität suggerierenden "Großmutter", hast Dir aber noch nicht einmal die Mühe gemacht, auch nur ein Minimum an Recherche dafür aufzuwenden, ganz abgesehen davon, dass Du das von pjesma geforderte "fingerspitzengefühl" nicht aufbringst, sprachlich der Thematik nicht gewachsen bist, wie Jelena richtig sagte, und uns hier in der Diskussion nur mit Gemeinplätzen wie "ich weiß, dass ich nicht weiß" und "eine eigene meinung ist sehr wichtig wenn man denn eine hat" abspeist.
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Jelena

Beitragvon Jelena » 16.01.2012, 19:38

Danke Quoth, ich bin froh verstanden zu werden. Ich hatte Angst davor, dass das nicht gelingt, Gruß, Jelena.

moonlight

Beitragvon moonlight » 16.01.2012, 20:34

Jelena hat geschrieben:
moonlight hat geschrieben:Für mich gibt es keine unberührbare Themen sondern nur die Angst davor.

Hallo Moonlight!
Das sehe ich nicht so. So undifferenziert kann man sich nicht äußern, denn Angst ist für mein Verständnis auch eine Tugend und vielleicht meinen nur Dumme oder Rechtsradikale - sag ich mal so provokativ, keine Ängste haben zu müssen.
Mit dem letzten Vers überschreitest du endgültig die Grenze zu einem unberührbaren Thema. Ich würde sogar noch weiter gehen: Ich könnte es nachvollziehen, wenn man aus Achtung vor dem Schicksal der vergasten Juden, dieses Gedicht aus dem Forum entfernen würde. Ja, ich persönlich würde eine solche Entscheidung sogar begrüßen.
Es gibt tatsächlich Gedichte, die sich würdevoll (eine bessere Vokabel fällt mir im Moment nicht ein, obwohl ich sie auch blödklingend finde) mit der Thematik beschäftigen. Ich denke vor allen Dingen zuerst an Celan. Sicher gibt es noch viel, viel mehr. Sie setzen kunstvoll das Stilmittel der Hermetik ein, für mich tatsächlich der einzig gangbare Weg, sich diesem Grauen anzunähren, weil man sich mMn mit der wörtlichen Benennung der Ermordungsmethoden nicht weit genug von den Tätern distanziert. Wir benutzen dann ihre Sprache. Das ist das, was mich an diesem Vers entsetzt, der Rest mag vielleicht unter dem Gesichtspunkt noch durchgehen.

Mir gefällt das alles hier gar nicht, nur gut gemeinte Grüße, ich werde hoffentlich meine Meinung sagen dürfen, ich will deshalb hier nicht streiten, diskutieren ja, Jelena.




....nur Dumme oder Rechtsradikale keine Ängste haben zu müssen....



....Ich könnte es nachvollziehen, wenn man aus Achtung vor dem Schicksal der vergasten Juden, dieses Gedicht aus dem Forum entfernen würde. Ja, ich persönlich würde eine solche Entscheidung sogar begrüßen.....


Jelena du beleidigst mich und das geht zu weit.

moonlight

Beitragvon moonlight » 16.01.2012, 20:38

Quoth hat geschrieben:Ich stimme Jelena zu - das Forum würde nichts verlieren, wenn dieser Text gelöscht würde - allenfalls eine interessante Diskussion. Moonlight, Du willst uns, in pjesmas treffenden Worten, "eine geschichte als wahr vortischen", stellst sie unter den Schirm einer Authentizität suggerierenden "Großmutter", hast Dir aber noch nicht einmal die Mühe gemacht, auch nur ein Minimum an Recherche dafür aufzuwenden, ganz abgesehen davon, dass Du das von pjesma geforderte "fingerspitzengefühl" nicht aufbringst, sprachlich der Thematik nicht gewachsen bist, wie Jelena richtig sagte, und uns hier in der Diskussion nur mit Gemeinplätzen wie "ich weiß, dass ich nicht weiß" und "eine eigene meinung ist sehr wichtig wenn man denn eine hat" abspeist.



.....Du willst uns "eine geschichte als wahr vortischen", stellst sie unter den Schirm einer Authentizität suggerierenden "Großmutter".......

Deine Behauptungen sind beleidigend.

Gerda

Beitragvon Gerda » 16.01.2012, 22:20

Liebe Moonloght,

deine Behauptungen, dass dich Jelena und Quoth beleidigen entbehren meines Erachtens der Grundlage.

Nur du kannst den LeserInnen deine Intention nahe bringen, die Hintergründe aufhellen, über deine Beweggründe ihn zu schreiben, zu deinem Text informieren, und/oder ggf. über das zugrunde liegende persönliche Schicksal aufklären ...
Nichts dergleichen geschieht.
Ich habe zuvor Fragen nach dem Lyrich gestellt. Nichts. Es kommen keine Antworten.
Mich macht dein Verahlten ziemlich fassungslos. Die Reaktionen der anderen KommentatorInnen finde ich nicht überraschend.
Mich würde interessieren welche Erwartung du eigentlich bezüglich dieses Textes an die Mitglieder des Blauen Salons hast.
Vielleicht kannst du das beantworten.

Liebe grüße
Gerda

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 16.01.2012, 22:24

Hallo,

ich teile die Kritik an dem Text: auch auf mich wirkt er - angefangen bei der Schriftgröße - unecht, weit vom Thema entfernt, hilflos und phantasielos. Man merkt einfach, dass die Erzählinstanz bzw. ich möchte auch sagen die Autorin mit ihren Empfindungen und auch mit geschichtlichem Horizont ganz weit weg von dem ist, was Thema sein soll. Es ist fast Kitsch zu nennen, wenn das denn an dieser Stelle möglich wäre.

Zugleich teile ich jedoch nicht die Auffassung, dass es Themen gibt, die grundsätzlich nicht berührt werden können/sollten. Im Gegenteil. Es kommt eben darauf an, wie dies geschieht. Und wenn es nicht gelungen scheint, dann ist es umso wichtiger, dass es eine Diskussion dazu gibt, die aber nur stattfinden kann, wenn der (gescheiterte) Text stehen bleibt.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 16.01.2012, 22:40

Hallo,

ich finde das Diskussionsniveau etwas grottig. Was ist mit der unseligen Wahrheitsfrage gewonnen? Müssen wir als Berufslyriker durchs Leben rennen und dürfen nur über den eigenen Herzschmerz, die eigene Großmama und Ehefrau berichten und alles andere als Untergeschoben / Vorgetischt diffamieren? Für mich ist Lyrik sich ausprobieren, sich einfühlen, anderes und anderen nachfühlen - mit dem Instrument der eigenen Seele zwar, aber fast immer hat das Geschriebene eine wahre und eine unwahre Seite.
Der Übersprung ist hier thematisiert: von 'hinter ihnen stand der Tod' zu 'hinter mir stand der Tod' - ich hatte das als den Kern des Gedichts gelesen, der mich sprachlich auch nicht vom Hocker riß - die strenge Komposition beißt sich mit dem angelegten emotionalen Gehalt ("ich spielte im Takt / und hörte die Schreie" ist vielleicht charakteristisch für die Schwäche dieses Gestaltungsansatzes). Ich finde aber keinen Anlaß, Katastrophen-Trittbrettfahren zu unterstellen, sondern sehe das als normale handwerklich-lyrische Fragestellungen, über die man Feedback geben kann.
Ich halte Zeilen wie "Schwarze Milch der Frühe, wir trinken dich morgens ..." für Bockmist, wenn es um Holocaust geht, allem gelehrten hermetischen Geklingel zum Trotz. Und nu? Setze ich mich dafür ein, dass Jelenas Kommentar für das Forum entbehrlich ist und hoffe auf Zustimmung?
Nee, mach ich nicht.
Außerdem trink ich den Kaffee morgens nie schwarz.
Grüße
Franz

pjesma

Beitragvon pjesma » 17.01.2012, 08:06

(auf keinen fall hab ich mir gewünscht dass sich moonlight in defensive verdrängt fühlt!)
vielleicht wäre es wirklich ratsam einfach ein ordner aufzumachen der sich evt. anderer beispiele bedienen würde zu der interessante thema über reichweite von kunstwahrhaftigkeit/imagination, weil so wie es jetzt läuft, wird man das früher oder später zu persönlich nehmen....was schade wäre.
lg


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