dichtung?

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pjesma

Beitragvon pjesma » 08.02.2012, 16:50

ausgangsötzi für diskussion:

" warum muss ein gedicht nur dicht sein (nur in deutschem heißt es ge-dicht und will vorgaukeln es hätte was mit "dicht" zu tun), warum muss es eine kompakte, schwere mit jedem wort bedeutendbeladene essenz sein, warum darf man es stellenweiße nicht auflockern, damit es nicht wie ein festes würgegriff wirkt? und damit die feste stelle einen kontrast haben, damit sich die essenz im "verwässertem" entfachen kann? man sollte sich nicht mit flöskeln zudecken, klar, aber warum muss man die flöskeln absolut verteufeln, wo sie ein bestandsteil der sprache sind, auch lyrische sprache...warum muss man davon angst haben? weil sie ein altes hut sind? die liebe ist auch ein altes hut, seit anbegin der zeit entdecken die poeten sie neu...
ich teile diese abneigung gegen flöskel nicht mit, sparsam und an richtigen stellen angesetzt, berreichern sie auch. ich würde sie mir nicht nehmen lassen."

pjesma

Beitragvon pjesma » 08.02.2012, 17:19

zitat wikipedia:

"Dichtung ist eine spezielle deutsche Wortbildung gegenüber dem international gebräuchlichem Begriff "Poesie", mit der eine leichte Verlagerung des Blickpunktes verbunden ist: Poesie ist, so die poetologische Theorie, der Bereich der poetischen Gattungen. Das Wort Dichtung bezeichnet daneben auch das literarische Produkt und den Produktionsprozess, dem es sich verdankt, das Dichten (von mhd. ti[c]hten für "schaffen, erdenken, aussinnen, anordnen", aus lat. dictare "diktieren, aufsetzen, abfassen"; verbreitet und nicht ohne Auswirkung auf die Bedeutungsentwicklung ist dagegen die vulgäretymologische Ableitung von dicht, durch die die Vorstellung einer Verdichtung der Aussage evoziert wird). Dichtung wird dabei sowohl im weiteren Sinn auf Literatur mit künstlerischem Anspruch überhaupt, die so genannte schöne Literatur, bezogen, als auch im engeren Sinn auf in Verse gegliederte, in sogenannter gebundener Sprache abgefasste Texte, wozu im Gegensatz zur prosaischen Belletristik metrische, rhythmische, in freien Rhythmen oder freien Versen der Modernen Poesie abgefasste, strophige und strophenlose, gereimte und nicht gereimte Texte gleichermaßen zählen. Beide Verwendungen des Begriff Dichtung heben ab auf die Künstlichkeit, die Erfindung des Gedichteten wenn nicht Erdichteten."

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noel
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Beitragvon noel » 08.02.2012, 17:42

pjesma, du schReibst mir aus dem herzen,
sofern es "stellenweiße nicht auflockern,"
ist.
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.02.2012, 20:05

...
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Gerda

Beitragvon Gerda » 09.02.2012, 01:43

Floskel, Bedeutung laut Duden: nichtssagende Redensart; formelhafte, leere Redewendung

Kann es sein, dass du, Pjesma, etwas anderes meinst?
Du, Gabi, vielleicht auch?

Wir sollten die korrekten Begriffe verwenden. Sonst sind unsere jeweiligen Meinungen beim Vergleich nichts wert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr tatsächlich "Floskeln" meint.
Eher doch wohl Redewendungen, die an entsprechender Stelle vllt. passen und eventuell sinnvoll sind.


Liebe Pjesma,

ich habe weder an deinem lyrischen Gefühl, noch an deinen Fähigkeiten herumkritisiert, mit der deutschen
Sprache umzugehen. Ganz im Gegenteil. Siehe Faden zu allerleirauhs Gedicht:Besuchszeit

Ich verstehe nicht warum du so aufgebracht reagierst, obwohl ich bloß eine andere Meinung vertrete.
Es war ein Versuch, mich hineinzudenken, wie es mit dem Verstehen von Metaphern und Redewendungen klappen mag, wenn der lyrische Text nicht in der Muttersprache verfasst ist.
Damit habe ich sagen wollen, dass es schwer ist, eine solche Redewendung zu verstehen, deren Bedeutung sich von der Ursprungsbedeutung entfernt hat (manchmal sogar für Muttersprachler, füge ich noch hinzu).
Ferner habe ich begründet, weshalb, die Redewendung in diesem Fall das Gedicht schwächt.

Was die Verdichtung angeht, liebe Pjesma, warum haben denn verdichtete Texte nicht die gleiche Berechtigung wie die deiner Meinung nach zu bevorzugenden aufgelockerten?
Ich habe schon einige deiner Texte mit großem Vergnügen gelesen und schätze sie wert. Indes den größeren Nachhall stelle ich fest, bei komprimierteren Werken.
Auch das ist meine Ansicht, mein Empfinden, nichts weiter.

Ich meine nicht, dass hier jemand bestimmen möchte, wie Lyrik zu sein hat.

Vielleicht ein Tipp.
Michael Krüger: Ins Reine erschienen bei Suhrkamp
Die Lesung heute Abend hat mir gefallen, obwohl die Gedichte ausführlich sind.


Liebe Grüße
Gerda

pjesma

Beitragvon pjesma » 09.02.2012, 11:28

hallo ihr :smile:

ich werde mich heute abend in ruhe etwas ausführlicher zu erklären versuchen, warum für mich ein rotes tuch ist, der gespräch über vermeintliche nichtvermischung von der lyrik und prosa, und von den regeln---und auch über metapfern und benutzung der atribute und und und---jetzt muss ich leider erstmal weg. auch über redewendungen, nennen wir es bei richtigem namen...flöskel sind schon was anderes, da hast du recht, liebe gerda, dennoch docken sie auch auf diese thema an (ich kann mich erinnern eine flöskel- diskussion vor viellen jahren mit einen sehr lieben freund der das wort "freilich" aus einem meinem gedicht weg haben wollte, weil eben nicht bedeutend---damit es gestrafft, gestrammt, dichter,gesäubert.). ich habe es hier falsch benannt, ok, aber die gedanke dahinter ist nicht unklar---die gedanke ist---(vorausgesetzt ich versuch nicht ein festgeformtes gedicht der nach bestimmten metrischen regeln auszusehen hat, sondern wähle eine freie form)---dass es wenig bis gar keine regeln gibt und geben kann für lyrik, dass uns das eine große freiheit bleiben soll (womöglich die einzige wahre?)...und das es keine minderwertige wörte geben dürfte, jedenfalls von außen verordnet...inklusive strapaziertes herz und schmerz...und noch ein paar beispielhaften stiefkinderlichbehandelten no-goes...
bis später dann,
lg, pjesma

pjesma

Beitragvon pjesma » 10.02.2012, 23:27

(verschiebt sich bisschen, weil leider krank---kommt aber sicher!)
liebe verhexenschüßte und irgendwieallgemeinschwächelnde grüße ;-)
pjesma

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.02.2012, 23:49

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Gerda

Beitragvon Gerda » 11.02.2012, 07:50

Noch einmal gute Besserung für dich, liebe pjesma!
Wärmende Grüße
Gerda

pjesma

Beitragvon pjesma » 16.02.2012, 14:43

nach längerem überlegen, muss ich zugeben, dass ich mein „traktat gegen poetische einengung“ nicht als allgemeingültiges schriftstück und schon gar nicht als trotzbrüller aufsetzen kann. dafür ist mir das thema zu wichtig. erstmals, hätte ich damit den freiheitskern verfehlt, und selbst eine einengung vorgeschrieben (wo ich mich so gegen sie wehre!)und selbst wenn diese einengung darin bestünde mehr freiheit anzufordern. und zweitens----hätte ich mich zu weit von dem wesen der poetik entfernt, welches ein persönliches ist. ein persönliches erleben, ausdrücken und weitergeben des poetischen moments.
worüber ich schreiben kann, ist der unterschiedliche zugang zur poesie, bzw. vielmehr mein zugang zur poesie. mein zugang zur poesie will freiheit und breite. will schwanken, suchen, summen, schwätzen oder schweigen, wühlen, graben, sich unnötig aufhalten, stolpern, fallen, geschwindigkeiten ändern…will keine vorgegebenen rahmen haben außer dem eigenen empfinden, und will es sich nicht vorwerfen lassen müssen. oder wenn---nicht übertrieben ehrfürchtig darauf hören. es liegt wahrscheinlich schon auch ein bisschen am poetischen erbe das jeder mit sich bringt.

ich komme zurück auf „mehr freiheit anzufordern“ und warum das für mich das normalste auf der welt ist, und für einen anderen womöglich eine nötigung darstellt. in der dritten klasse der grundschule lernten wir (in einem anderen land) die aufteilung der poesie, die für die hiesigen grade nicht gilt.
der satz war: poesie teilt man auf in lyrische und epische.
jetzt fragt man sich womöglich was epische poesie ist. epische poesie ist poesie die gesungen werden kann, eine bestimmte rhitmik hat und begleitet wird, meistens mit saiteninstrumenten. am balkan sehr historisch verwurzelt. die völker deren schriftkultur in einfachen schichten sehr lange nicht besonders entwickelt war, entwickelten mündliche überlieferungen, über ihre kriege, ihre helden, aber auch über ihre romeos und julias, tragödien und komödien, und sangen das in 8-silben, 10-silben, 12-silben, opulent und lange. alles war drinne was das leben ausmachte und es war leicht zu merken, gar für jeden schlichten herdentreiber, da es gesungen war. damit bin ich großgeworden, dass das ohr mit-dichtet, vielleicht sogar als erstes dichtet. nichtmal zählen musste ich 8-oder 12 silben, das war so fest in der melodie verankert dass die aussage „wusste“ wo sie aufhören muss, gar für den der nicht zählen kann. es war im blut. es war „pjesma“---was gleichzeitig ein lied und ein gedicht bedeutet. Ich denke dass sogar die griechen mit ihrer lyra ähnliche erfahrung hatten, wie die slaven, und deshalb es lyrik nannten.
wäre ich in japan großgeworden, wäre womöglich das haiku meine art des denkens. auch verwurzelt. ich weiß es nicht. eine art zart zu verweben, anzudeuten, deutung zu vervielfältigen. dezent, nachdenkpausenreich, anscheinend leer dennoch hallend. Aber ich denke nicht in haiku, und wenn ich es vesuche, ist das meistens eine spielerei in mich „anders“ erleben, und nicht ein wirklicher versuch den poetischen moment zu fangen. Ich kastriere mir meinen üppigen poetischen moment doch nicht zum haiku! Wie auch wahrscheinlich ein japaner nicht nachvollziehen kann wieso ich mich so gern in so viel sprache so ausführlich baden mag. was mir meine freiheit ist, wäre ihm eine nötigung---und umgekehrt. Ich bin in geschwätziger tradition großgeworden, und wenn bei mir kaffee riecht, dann riecht es nicht nur dezent und man muss es sich denken, sondern es wird gar verschwenderisch und schamlos mit metaphern, flügelwörten, adjektiven und restlichem geschnörksel und ornamentik zu munde getragen, und dann wird gar die tasse beschrieben, wie dünn die wände der tasse sein sollten damit der kaffee am besten schmeckt, wie die hand aussieht die die tasse trägt, mit wem der genuss geteilt wird, und es wird sich so lange in der „epischen breite“ gewälzt, bis ich mir sicher bin dass der leser hineingezogen ist und unmissverständlich das fühlt was ich fühle. oder eben, wenn japaner ;-), ihm der kaffee aus der nase läuft und der um gnade bittend wegrennt.
ich plädiere hier nicht für die einzige richtigkeit einer der zugänge, das ist geschmackssache, vielerlei determiniert. aber wofür ich nicht nur plädiere, sondern wofür ich stehe und nie müde werde es zu verteidigen, ist das recht und die legitimität auf einen eigenen poetischen ausdruck---und auf die offenheit für die „seelenwanderungen“. es gäbe keine übersetzungen, hätte man den geist einer anderen sprache in eine neue nicht übertragen können. haikus auf deutsch, haben ihre berechtigung. aber auch geschwätziges hat auf deutsch ihre berechtigung, warum nicht? ist der deutschen seele das optimieren, kürzen, strammen, DICHTEN näher als träumen? denke ich nicht, wenn ich die „alten“ lese. aber, wenn ich die „neuen“ lese, manchmal, überfällt mich die bange. man gönnt sich ja gar nicht mehr. nicht mal ein atribütchen. ein freches metapferchen. ein flügelwort. nur eine geregelte ernsthaftigkeit.

ich habe angst von streng geordneten schubladen, wo DICHT an DICHT nur zweckmäßiges passt, wie in der schule.
wo singen dann die träume? wo dehnen sich rücksichtslos und lustvoll die poetischen momente?
in manch einem gedicht schon, auch hier. deshalb bleibe ich. um hin und wieder jubeln zu können, wenn eine louisa, eine flora eine xanthype oder allerleirauh…(oder die anderen jetzt unbenannten), etwas „vorsingen“…wo ich merke: das klingt mir nahe. da dichte ich nicht mit. da träum ich mit.


lg, pjesma
.
Zuletzt geändert von pjesma am 16.02.2012, 15:33, insgesamt 2-mal geändert.

pjesma

Beitragvon pjesma » 16.02.2012, 14:49

diesbezüglich stell ich in übersetzungsspalte ein geschwätziges gedicht von serbischem dichter und bohemen mika antic, als beigabe :-)

Gerda

Beitragvon Gerda » 16.02.2012, 16:13

Liebe Pjesma,

deine persönliche Verteidigungdrede für die Poesie, ob geschwätzig leicht, ausführlich auserzählt, traurig dramatisch und ohne mit Worten zu sparen gefällt mir, ohne dass ich den Drang verspürte inhaltlich etwas zu entgegnen oder zu ergänzen. Der Text spricht für sich und zu mir, als ein Kunstwerk. :daumen:

Ich finde dein Text hat Verve und Esprit und das sollte auch Poesie haben, ganz gleich ob und wie sie "geformt" wurde.

Liebe Grüße
Gerda :smile:

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.02.2012, 16:31

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Zuletzt geändert von Mucki am 30.05.2016, 20:05, insgesamt 1-mal geändert.

Quoth
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Beitragvon Quoth » 16.02.2012, 19:15

Sehr gut, Pjesma. Die Advokaten der dichten Dichtungen sollten allesamt Klempner werden! :cool:

Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.


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