Wort der Woche ~ SCHREIBTISCH ~

Trixie

Beitragvon Trixie » 12.03.2012, 20:42

WORT DER WOCHE
- jede Woche ein neues Wort als Musenkuss -
Lyrik, Prosa, Polyphones, Spontanes, Fragmente, Schnipsel, Lockeres, Assoziatives, Experimentelles
- alles zu diesem Wort - keine Kommentare - alles in einem Faden - 7 Tage Zeit -




S C H R E I B T I S C H

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.03.2012, 08:00



schreibschit
verflucht nochmal
immer diese worte
sagen was sie wollen
vermissdich

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 15.03.2012, 14:22

"Ich habe doch gar nichts getan, nur meine Pflicht erfüllt, war bloß ein kleiner Beamter an einem zerkratzten Schreibtisch."

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.03.2012, 18:45


Wie der Vater - so die Tochter

Wenn mein Vater von der Firma nach Hause kam, zog er sich in seine Bibliothek zurück. Er setzte sich an seinen englischen Sekretär, hörte Jazzmusik und las. Das war seine Welt, sein heiliges Reich. Erst zum Abendbrot kam er heraus, um sich danach gleich wieder dorthin zurückzuziehen.
Tagsüber, wenn ich von der Schule heimkehrte, setzte ich mich oft heimlich an seinen Schreibtisch, berührte die kostbar aussehenden, alten Buchrücken, das mit seinem Namen gravierte, schwarze Kalenderbuch (es fühlte sich so wunderbar weich an), fuhr vorsichtig über den grünen Filz des Sekretärs. Immer herrschte Ordnung auf seinem Tisch. Da standen schöne, dickbauchige Kugelschreiber in einem ledernen Halter. Ich sah den Kugelschreibern an, dass sie wunderbar in der Hand lagen, traute mich jedoch nicht, sie auszuprobieren. Und die Ledermäppchen, in denen er - bestimmt sehr wichtige - Dinge notierte. Wie gerne wollte ich auch so ein schwarzes Kalenderbuch und so ein wichtiges Ledermäppchen besitzen.
Ich saß abends in meinem Zimmer, hörte die vertraute Jazzmusik, dachte jedoch nur an das schwarze, weiche Lederbuch.

Zu Weihnachten wünschte ich mir von ihm so ein Kalenderbuch. Mit meinem Namen eingraviert. Meine Geschwister wünschten sich Puppenstuben oder Fahrräder. Das interessierte mich nicht. Es musste so ein Kalenderbuch sein, mit Goldschnitt.
Er erfüllte meinen Wunsch. Es war das Schönste, was ich je besessen hatte.
Es wurde so kostbar für mich, dass ich niemals etwas hineinschrieb. Dann wäre es kaputt gewesen.

Ich betrachte meinen Schreibtisch. Rechts liegen mehrere Lederbücher, ein Halter mit verschiedenen Kugelschreibern. Auf dem Tisch liegt mein schwarzes, superweiches Filofax.
Und es herrscht immer Ordnung auf meinem Schreibtisch.

Papa, wenn du wüsstest.


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