Prosalog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

Bild
Foto A.P. Sandor et moi


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Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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Zuletzt geändert von Nifl am 04.08.2007, 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.06.2012, 13:01


Der Wind, der Wind, ein teuflisch Kind

Er trägt dich fort, wenn du nur wolltest. Er treibt dich, wenn du es nicht willst. Er stürmt und peitscht dir Tränen in die Augen, wenn du am Wenigsten damit rechnest. Er wird dir zum Gegenwind, wenn du ihn an der Leine hältst. Du kannst ihn nicht bändigen, nicht lenken. Löse deinen langen Zopf und lass dein Haar fliegen. Werde zum roten Sand, lass dich in die Sahara wehen.
Er kann dir nur Freund sein, wenn du mit ihm gehst.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 26.06.2012, 14:48


schaukel.jpg



der wind, der wind fegt uns die stirn
wir schaukeln und dann springen wir



Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 26.06.2012, 16:06

Wieder war es der Wind, der Einspruch erhob, der alles aufhob und durcheinander wirbelte, der kein Maß kannte und alles verschwieg.
Ich war sechs Jahre alt, als meine Mutter mich zur Schule brachte, und nur ihre Hand, die meine Kinderhand hielt, verhinderte, dass der Sturm mich aufhob. Den Boden, auf dem ich wie festgewachsen (als hätte ich Wurzeln) stehen könnte, habe ich bis heute nicht wiedergefunden.
Nach diesem windigen Einspruch.

Gerda

Beitragvon Gerda » 26.06.2012, 18:49

... nie werde ich die leere Schaukel vergessen, vom Wind getrieben, wie sie gegen den dunklen Himmel schwang, geradewegs, als würde das Unheil hinter dem Hügelkamm lauern.
Doch das Unglück war bereits geschehen, nur dass ich dieses viel später erst begriff.

(Gedanken zu Floras Foto)
Zuletzt geändert von Gerda am 26.06.2012, 21:35, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.06.2012, 20:32


Für alles steht der Wind

Welch treffliche Inspiration ist doch der Wind. Woran das wohl liegt? Man sieht ihn nicht wie den Regen oder wie einen Blitz. Man sieht nur, was er bewegt, wegfegt oder wenn er sich formt zur Hose. Doch was hat das Ei mit dem Wind am Hut. Windig ist es nicht. Windelweiche Eier schmecken nicht gut. Mit süßen Windbeuteln können sie nicht mithalten. An meiner Windbeutelhochzeit war ich ein Wirbelwind und von Windeln für die Kleinen war in der Tat nichts in Sicht. In einem windigen Artikel über Windhuk las ich über Windhunde. Wie gemein, diesem edlen, hochläufigen Tier von schlanker Statur, das neben dem Geparden das schnellste Landtier auf unserem Planeten ist, den üblen 'Windhund-Mensch' dazuzugesellen. Windelweich sollte man den Erfinder ... Wer weiß, vielleicht litt er gerade an Windpocken oder saß im Windzug und hatte sich gar arg verkühlt beim Windsurfen oder vielleicht auf einem Windjammer, dessen Windrose nicht funktionierte. Was jedoch funktionierte, wenn auch nur als Mythos, war die Winde, mit der die riesigen Quader der Pyramiden transportiert wurden. Ein Windrad hätte dies wohl nicht vollbracht, auch die Windmühle nicht. Wie dem auch sei. Der Wind ist ein Unikum. Er steht für alles. Genutzt wird er auch für ein bekanntes, ständig neu durchnummeriertes Betriebssystem, dessen wehende Fensternummer sich in Windeseile verflüchtigte. Ich mag eh nur Äpfel. Und am liebsten diejenigen, die vom Baum gefegt hat, der Wind.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 05.07.2012, 01:32

Wir schauen uns eine DVD an, den Film über Molière von Mnouchkine, erster Teil.

Die Karnevalsfeier, der brennende Heuwagen. Die Nacht im Schuldturm. Die abbröckelnde weiße Schminke im Gesicht. Die Szene, als Zigeuner die Karrenpferde schlachten und das rohe Fleisch fressen.

- Damals hast du angefangen mit dem Schreiben, weiß ich noch.

Was? Ich schrecke auf. Das war 1978. Damals habe ich nicht angefangen. Ich habe geschrieben, seit ich schreiben kann. Ich schrieb schon lange, ehe ich das erste Mal von Molière gehört habe.

- Und jetzt habe ich wieder aufgehört mit Schreiben, sage ich humorlos. Auf dem Bildschirm beginnt der Mistral zu pfeifen, eine Freilichtbühne fliegt im Wind davon, mitsamt den darauf stehenden Schauspielern, die lachen und schreien und sich an die Kulissen klammern.

Der Film ist zu Ende. Den zweiten Teil schauen wir uns morgen an, sage ich. Öffne die Schublade des DVD-Spielers, nehme die Scheibe heraus, vorsichtig auf der Zeigefingerspitze balanciert, und frage mich, woher ich so genau weiß, dass uns nicht bis morgen alles andere auch weggeflogen sein wird.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

ecb

Beitragvon ecb » 05.07.2012, 08:57

Und die Zeit bleibt stehen, “What Power art thou, who from below ...“ , kein Hochkommen mehr, die barocke Treppe des barocken Lebens plötzlich leer, das Blut, das rann, gestockt – nein, wir wissen es nicht und werden es nicht wissen, wenn es soweit ist. Jeder Gedanke daran vergebens, und doch muß alles kreisen darum. Warum? – Ich liebe das Fliegen. Kommt der Wind von unten oder oben?

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.07.2012, 22:56


beschwingte schritte möchte ich gehen, die schwebende thermik spüren, oszillierende bahnen ziehen.
warum fliege ich nur in träumen.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 07.07.2012, 00:29

Auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen ein Mann und ein Kaninchen.

Der Mann schaut einen Film an. Aus dem Fernseher donnert und schrillt es von Trommelwirbeln und Trompetengebrüll. Immer dann, wenn Maschinenpistolen rattern und Querschläger singen, zuckt der Mann zusammen.

Das Kaninchen macht sich nichts daraus. Seit der Mann es zu sich auf das Sofa geholt hat, um nicht so allein zu sein, sitzt es still und wippt mit der Nase.

Wenn sich auf dem Bildschirm zwei Leute küssen, kratzen Geigen dazu. Dann sackt der Mann geduldig zusammen und greift ein Sofakissen, um es gegen seine Brust zu drücken. Das Kissen ist doppelt so groß wie das Kaninchen.

Die schrillen Obertöne der Geigen gefallen dem Kaninchen nicht. Es mümmelt schneller und hebt ein Ohr in Richtung auf den Fernseher, bis die Leute mit ihrer Küsserei aufhören und wieder Autoreifen quietschen und Maschinenpistolen rattern. Dann legt das Kaninchen die Ohren wieder an und richtet den kastanienbraunen Blick in die nächste Woche. Der Mann aber wacht ruckartig auf und legt das Kissen weg, um gespannt auf den Bildschirm zu starren.

(Wenn die Nase des Kaninchen für die Dauer einer Sekunde still steht, steht auch die Welt, und aus der Mündung des Maschinengewehrs kommt ein Zuckerwattewölkchen. Der Mann bemerkt es nicht. Er starrt sprachlos auf dem Bildschirm. Wenn man ihn später fragen würde, wäre er überzeugt, keine Stockung bemerkt zu haben, aber es gibt ohnehin niemanden, der fragen könnte.)
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.07.2012, 21:39


Nur ein Universum

Er, ca. 60 Jahre alt, sitzt mir ihr, 30 Jahre alt, in einem kleinen Lokal. Rote, alte Lederbänke, blank polierte Holztische. Alles einfach und rustikal. Wenige Gäste. Sie möchte von seinem faszinierenden Leben und seinen Abenteuern erfahren. Er, ein Globalplayer, sagt: "Was interessiert das Gestern oder das Morgen. Ich lebe im Jetzt. Für mich gibt es in diesem Augenblick nur ein Universum. Es besteht aus dir, aus mir und der Jukebox, die entschieden zu ruhig ist." Er steht auf, drückt auf einen der ausgeleierten Knöpfe. Ein bekannter Lovesong beginnt. Die beiden tanzen. Der Rest des Films ist Geschichte. Es ist schon eine Weile her, dass ich diesen sehr bekannten Film sah.

Seit diesem Tag ertappe ich mich lächelnd dabei, dass ich immer dann, wenn ich anfange, über etwas zu grübeln und mich unangenehm von dem ablenkt, was ich gerade so gerne tue, denke:
In diesem Augenblick gibt es für mich nur ein Universum.

ecb

Beitragvon ecb » 11.07.2012, 09:02

Und ich ertappe meine Hülle immer öfter bei Versuchen, mich loszuwerden.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 11.07.2012, 09:17

Der Versuch, mich loszuwerden, ist dabei mein Los zu werden.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.07.2012, 17:41


Der Versuch, im Mikrokosmos zu leben, der Versuch, das grässliche Ganze auszublenden, der Versuch, im Hier zu fließen, dieser Versuch wird immer nur ein Versuch bleiben. Das Multiversum sucht, flucht, kriecht und singt mit den Drachen. Und Siegfried bin ich nicht. Wie bekämpft man Wasserfälle?

Gerda

Beitragvon Gerda » 11.07.2012, 23:20

Glitzernde Wasser, Spiegel potentieller Möglichkeiten.
Ufer verlaufen unauffällig, Begrenzungen flach.
Weite Ausdehnungen ohne Einhalt. Alles ist Fluss.
Es gurgelt, strömt, strudelt, plätschert, mitreißend.
Verwirrend wie das meiste verschwommen bleibt, Orientierung fehlt.
Unterströmungen und manchmal ein Oben-Auf.
Unbeständiges ungebärdig.
Wellenbrecher, Wortbrüche.
Wo gibt es ein Erkennen im Gegenüber?
Wer hält mich?


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