Beitragvon birke » 23.08.2012, 16:07
Ein vielschichtiger Text von Monika Kafka, dessen Titel, dessen Bezug zu Christa Wolfs "Kein Ort. Nirgends." ihm eine Tiefe verleiht, die sich auf den ersten Blick nicht ohne weiteres erschließt.
Aber gerade deshalb lohnt es sich einzutauchen!
Die Ausweglosigkeit der Situation, aufgrund seiner Sprachkompetenz (welch ein Paradoxon!), in Kombination mit der Herkunft, „nirgends“ zuzugehören, wird hier geschickt geschildert: Die Mehrheit und die Minderheit schließen nicht nur sich, sondern die Protagonistin, aus, bzw. schieben sie jeweils dem anderen zu.
Immer wieder als etwas „abgestempelt“, wird ihr gleichzeitig immer wieder etwas „ab- und zugesprochen“. Auffallend, dass zu Beginn die „Du-Form“ gewählt wird, dann die distanzierte „Sie-Form“.
Heimatlos, auf der Suche, vordergründig hin- und hergeschoben, hintergründig nicht erkannt als das, was sie ist: Ein Mensch, mit Gefühlen, mit Kompetenzen, mit Ideen, der einfach nur angenommen und verstanden werden will.
Hier kommt der Titel ins Spiel, die Erzählung über die nie stattgefundene Begegnung zwischen H. v. Kleist und K. v. Günderrode. Auch sie waren beide „anders“, fühlten sich nie zugehörig, waren immer auf der Suche, nach Anerkennung, nach Gleichgesinnten.
Genialer Schachzug zum Schluss:
Die Protag. sucht sich, wählt sich selbst eine Heimat, versucht es zumindest – die Poesie.
(Auch die beiden Protagonisten in Wolfs Erzählung haben ja ihre Heimat – wenn überhaupt – allenfalls in der Sprache gefunden.)
Die Setzung lässt hier ein Gedicht vermuten, das es aber nur scheinbar ist.
Auch hier findet die Protg. keine Zugehörigkeit (wohl aus ähnlichen Gründen wie zuvor beschrieben „… ist es nicht anders“); heißt, die Heimatlosigkeit bleibt bestehen: Kein Ort. Nirgends.