Kälte

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Phygranimus

Beitragvon Phygranimus » 31.01.2006, 21:30

Der eisige Blick kommt langsam,
oft über nacht,
läßt den Lebensspin verstummen,
nimmt Gefühl und leichten Atem,
doch herzt der Frost baldiges Erwachen,
nie bleibt er ewig,
auch wenn er manchwo lange Zeiten kennt,
wohlan auch ihn zu lieben.

Phygranimus

Max

Beitragvon Max » 02.02.2006, 10:28

Lieber Phygranimus,

was mir an deine Zeilen besonders auffällt bzw. gefällt, sind die unverhofften Wörter, wie Lebensspin (wobei ich mir darunter nicht so recht etwas vorzustellen vermag - vor allem so, wie ich ihn mir vorstelle, kann er nicht verstummen, weil er sich lautlos dreht), der Frost , der herzt, und "wohlan", das ich schon lange nicht mehr hören oder lesen konnte. Bin gespannt auf mehr

Liebe Grüße
max

Phygranimus

Beitragvon Phygranimus » 02.02.2006, 19:42

Hallo Max,
vielen Dank für Deine Antwort;
das war so ein Ruckzuck-Gedicht,
weil ich ein kleines Neues in dieses Forum schreiben wollte
und dann bin ich bei der Eintragung im Forum verrutscht,
weil es ursprünglich in die allgemeine Lyrik sollte,
aber da wo es jetzt steht, paßt es auch.
Meine Zeilen sind oft hintergründig und vieldeutend,
aber auch oft anklagend und sozialkritisch.
Der Lebensspin steckt in Allem;
wer ins "Kleinste" vordringt hat es mit drehenden Teilchen
zutun => ohne Drehung keine Zeit => ohne Zeit keine Existenz/
kein Leben!
Wenn also die Zeit verstummt, ist übles im Gange.
Kein Kreisel dreht sich lautlos, ohne irgendeine "Teufelei".
Auch die Atome nicht; wir haben nur keinen Zugang zu diesem Hören
( noch nicht ).
Wohlan mußte da rein, in meinem Wesen ist dieser Begriff
noch nicht abgegriffen.
In den richtigen Situationen herzt der Frost und nicht zu knapp.

Soweit für heute,

wenn ich mehr Zeit habe gibts`noch n`Gedicht.

Viele herzliche Grüße von Klaus !

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 03.02.2006, 10:50

Hallo,
es ruft ja immer merwürdige Reaktionen hervor, wenn man mit Kafka anfängt, ABER :cool: ....dieser Lebensspin erinnert mich an einen klitzekleinen aber mir am liebsten gewordenen Text dieses Herren....dein Wort Lebensspin trifft einfach genau das, was ich in den Zeilen las...viellicht interessiert es dich ja...ich habe mal versucht das Ding zu malen....aber das ist unglaublich schwierig :grin:

Die Sorge des Hausvaters

Die einen sagen, das Wort Odradek stamme aus dem Slawischen und sie suchen auf Grund dessen die Bildung des Wortes nachzuweisen. Andere wieder meinen, es stamme aus dem Deutschen, vom Slawischen sei es nur beeinflußt. Die Unsicherheit beider Deutungen aber läßt wohl mit Recht darauf schließen, daß keine zutrifft, zumal man auch mit keiner von ihnen einen Sinn des Wortes finden kann.

Natürlich würde sich niemand mit solchen Studien beschäftigen, wenn es nicht wirklich ein Wesen gäbe, das Odradek heißt. Es sieht zunächst aus wie eine flache sternartige Zwirnspule, und tatsächlich scheint es auch mit Zwirn bezogen; allerdings dürften es nur abgerissene, alte, aneinandergeknotete, aber auch ineinanderverfilzte Zwirnstücke von verschiedenster Art und Farbe sein. Es ist aber nicht nur eine Spule, sondern aus der Mitte des Sternes kommt ein kleines Querstäbchen hervor und an dieses Stäbchen fügt sich dann im rechten Winkel noch eines. Mit Hilfe dieses letzteren Stäbchens auf der einen Seite, und einer der Ausstrahlungen des Sternes auf der anderen Seite, kann das Ganze wie auf zwei Beinen aufrecht stehen.

Man wäre versucht zu glauben, dieses Gebilde hätte früher irgendeine zweckmäßige Form gehabt und jetzt sei es nur zerbrochen. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein; wenigstens findet sich kein Anzeichen dafür; nirgends sind Ansätze oder Bruchstellen zu sehen, die auf etwas Derartiges hinweisen würden; das Ganze erscheint zwar sinnlos, aber in seiner Art abgeschlossen. Näheres läßt sich übrigens nicht darüber sagen, da Odradek außerordentlich beweglich und nicht zu fangen ist.

Er hält sich abwechselnd auf dem Dachboden, im Treppenhaus, auf den Gängen, im Flur auf. Manchmal ist er monatelang nicht zu sehen; da ist er wohl in andere Häuser übersiedelt; doch kehrt er dann unweigerlich wieder in unser Haus zurück. Manchmal, wenn man aus der Tür tritt und er lehnt gerade unten am Treppengeländer, hat man Lust, ihn anzusprechen. Natürlich stellt man an ihn keine schwierigen Fragen, sondern behandelt ihn - schon seine Winzigkeit verführt dazu - wie ein Kind. »Wie heißt du denn?« fragt man ihn. »Odradek«, sagt er. »Und wo wohnst du?« »Unbestimmter Wohnsitz«, sagt er und lacht; es ist aber nur ein Lachen, wie man es ohne Lungen hervorbringen kann. Es klingt etwa so, wie das Rascheln in gefallenen Blättern. Damit ist die Unterhaltung meist zu Ende. Übrigens sind selbst diese Antworten nicht immer zu erhalten; oft ist er lange stumm, wie das Holz, das er zu sein scheint.

Vergeblich frage ich mich, was mit ihm geschehen wird. Kann er denn sterben? Alles, was stirbt, hat vorher eine Art Ziel, eine Art Tätigkeit gehabt und daran hat es sich zerrieben; das trifft bei Odradek nicht zu. Sollte er also einstmals etwa noch vor den Füßen meiner Kinder und Kindeskinder mit nachschleifendem Zwirnsfaden die Treppe hinunterkollern? Er schadet ja offenbar niemandem; aber die Vorstellung, daß er mich auch noch überleben sollte, ist mir eine fast schmerzliche.

Phygranimus

Beitragvon Phygranimus » 03.02.2006, 13:00

Hallo Lisa,
ich habe gerade nur Mittagspause, deshalb wird die Antwort kurz:
(relativ )

Odradek
ein Kobold ?
ein selbstgebasteltes Spielzeug, was von Kindern hin und her geschleppt wird ?
...?...

In Bezug auf Lebensspin fällt mir ein:

O.d.r.a.d.e.k.
Ohne den Racker addieren die echten Kornkreise !
Dann scheint Odradek ein Zeitstimulator zu sein,
ohne dessen Auftauchen bestimmte Realitäten zusammenfallen.

Ich habe Kafka bisher noch nicht gelesen;
ich weiß nur, daß er schrieb um psychische Anomalien zu verarbeiten.
Das mache ich sicher auch öfter.

Gruß von Klaus

Max

Beitragvon Max » 06.02.2006, 19:19

Lieber Klaus,

ich glaueb nicht, dass man Kafka gerecht wird, wenn man ihn unter dem Blickwinkel liest, dass er psychische Anomalien verarbeitete - dazu müsste man ja zunächst einmal das Normal definieren, das dann auch wieder niemand sein mag. Kafka ist für mich ein Gefühl nicht ganz in der Welt zu sein - oder vielmehr das Gefühl als gehörte ich der Welt nicht mehr an. Hm, das war ein flinker Versuch zu Kafka.

Liebe Grüße
max

Phygranimus

Beitragvon Phygranimus » 11.02.2006, 15:57

Hallo Max,

ich sagte ja schon, daß ich Kafka noch nicht gelesen habe
und das nachzuholen kann noch sehr dauern,
da ich immer dieses tägliche 24 Std.-Problem habe
und wenn ich z.B. in diesem Forum schreibe, bleiben
andere Dinge liegen, aber das sind nun mal Prioritäten.

Man kann ein Normal definieren und festsetzen,
aber im Sein gibt es kein Normal, da die Urkraft der Unschärfe
für die stetige Wandlung und damit überhaupt erst für Leben sorgt.
Wir haben alle psychische Anomalien ( sind eigentlich immer Zeiterfahrungsanomalien ), sonst wären wir noch im Paradies.

Schönes Wochenende von Klaus


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