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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 06.11.2013, 12:41

ich wohne in einer stillen stadt
aus weiß und schlaf
die keinen unterschied macht

an meinem erinnerungsfenster
steht ein busch
der hat mich im sommer
blütenbeschirmt

EMO

Beitragvon EMO » 06.11.2013, 16:25

Hej Amanita,

ohne die zweite Zeile hätte ich dein Gedicht als richtig gut empfunden!

Mvh, EMO

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 06.11.2013, 18:11

Ich teile Emos Ansicht.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.11.2013, 18:41

Ich finde es wichtig, dass dieses "die keinen unterschied macht" untermauert wird.
Nur rätsele ich noch, was es mit dem "weiß" auf sich hat. Ist damit Schnee gemeint? :12:

Nifl
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Beitragvon Nifl » 06.11.2013, 18:45

Nein, die erste Strophe würde ich lassen wie sie ist. Ich finde da steckt viel widersprüchliche Kraft drin, eine Stadt, die niemals schläft und dadurch aber auch immer schläft.
Meine Probleme liegen in der zweiten Strophe, die ist schwach und mutlos. Dieses Zaunpfahlbenennen "Erinnerungsfenster" oder "blütenbeschirmt" finde ich unschön.
Vorschlag:
gestern stand vor meinem fenster ein busch
der hat mich im Sommer beschirmt

oder nur Erinnerung und Blüten weglassen.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 06.11.2013, 20:24

Lach, dass da noch was zu ändern ist, war mir klar - ich hatte irgendwie 'n Brett vorm Kopf und hoffte auf Eure Hilfe. Dass aber die Reaktionen so inhomogen sein würden... warum soll ich denn die zweite Zeile wegstreichen? Das verstehe ich nicht. Gabriellas Einwand kann ich gut nachvollziehen, ich hatte erst eine "Erläuterung", fand es ohne aber besser, weil man eigentlich genügend ableiten kann. Nifls Einwand: Ja und nein. Ich war selbst noch nicht ganz zufrieden, würde es aber gern in eine andere Richtung ändern als Nifl.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 06.11.2013, 20:26

Ach ja, das Weiß, liebe Gabriella: das nichts. Oder nicht viel.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 06.11.2013, 20:38

an meinem alten fenster
wuchs ein busch
der hat mich im sommer beschirmt



- so vielleicht?

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 06.11.2013, 21:07

Ja, so finde ich es auch besser. Wobei ...

Ist "im sommer" eine relevante Information? Statt "der" irgendetwas mit "blüten", in einer anderen Grammatik. Dann erübrigt sich auch der "sommer". Die Zeitangabe finde ich nicht wichtig, es geht wohl eher um die Dreierstellung in Blickrichtung >>> "Beobachter" -> "Blütenvorhang/rosa Brille/Kinoleinwand" -> "tote Stadt". Die Zeit per se, ob das im Sommer oder am Dienstag um halb acht war, macht die Konstellation nicht deutlicher, finde ich.

Oder geht es ungesagt auch darum, dass der Buscheffekt nicht funktionierte, wenn es Winter war?

"die keinen unterschied macht"

Da würde ich nach einer originelleren Formulierung suchen. Erst gar nicht mit "die" anfangen, vielleicht eher mit "sie". Dann aber nicht "sie macht", denn "macht" klingt auch nicht besonders eindrucksvoll (oder soll sich das auf "Stadt" reimen?). Die ersten beiden Zeilen gefallen mir, da sehe ich Bilder, stimmige Bilder. Die dritte Zeile soll offenbar die Eintönigkeit, Leblosigkeit noch verdeutlichen. Gibt es dafür nicht etliche Metaphern, die interessanter klingen als "keinen Unterschied machen"? Außerdem, wozwischen macht die Stadt keinen Unterschied? Sie selbst ist ja der Einheitsbrei. Kann man sagen: "Der Einheitsbrei macht keinen Unterschied"?


P.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 06.11.2013, 21:16

Sie macht keinen Unterschied zwischen den Jahreszeiten. Das ist mir aber zu plakativ. "zwischen den zeiten" hatte ich noch. Aber schließlich habe ich das auch weggelassen - s. o.

Klar, dass der Sommer dann eine Rolle spielt, oder?

Danke für Deine Einwände, Pjotr.

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Beitragvon Pjotr » 06.11.2013, 21:26

Achso! Da geht es tatsächlich um den Wechsel der Jahreszeiten? Dann habe ich das total missverstanden. Also "weiß" als Winterbild, dann ein Sommerbild mit Busch? Aber das ist so schlicht, da wäre ich im Leben nicht draufgekommen, dass das die beabsichtigte Botschaft ist :-)

Es ist keine Erinnerung an frühere Jahre, sondern an den letzten Sommer? Und jetzt ist der Busch kahl? Im Sommer hatte er Blüten. Aber wovor soll der beschirmen, wenn die Stadt dann ebenfalls im Sommer steht? Was ist dann der Sinn dieser Gegenüberstellung? Siehste, deshalb dachte ich, die Stadt sei immer weiß. Auch im Sommer. Also kann ich das "weiß" nicht als Winterbild lesen.
Zuletzt geändert von Pjotr am 06.11.2013, 21:32, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Amanita » 06.11.2013, 21:31

nein, natürlich nicht weiß = Winter, nein.

Die Betonstadt macht keinen Unterschied, sie ist zu leer dafür.

Das Ich erinnert sich an einen früheren Wohnort, wo es den Unterschied - wenn auch schlicht, ja - noch gesehen hat.

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Beitragvon Pjotr » 06.11.2013, 21:38

Ist "weiß" das neue Synonym für "grau"? :-)

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Beitragvon Amanita » 06.11.2013, 21:54

vielleicht gehts in die Richtung - beides "unbunte" Farben, fürwahr.


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