Ich hatte mir eine Aufgabe an Land gezogen, eine Rezension über ein Buch zu schreiben. Hochmotiviert war ich als ich sie „zog“…aber dann kamen Pflichten anderer Art auf mich zu, deren Erfüllung mit übermäßiger körperlicher Müdigkeit begleitet war , obzwar wechselweiße hübsch gespickt entweder mit tollen Ideen ( für deren Verfolgung und Verwirklichung ich absolut keine Zeit hatte,) oder mit unerwartet auftauchenden Inselchen der freien Zeit,( auf denen ich dann kopfleer und fantasielos lag, wie ein gestrandeter Wal).
Da die Aufgabe mir vollkommen frei lies, welches Buch zu rezensieren wäre, beschäftigte ich mich natürlich wie jeder der sich vor Etwas drückt, vorübergehend mit dem Mogelgedanken einfach eines der Bücher zu rezensieren das ich schon längst gelesen hatte und welches ich besonders mochte oder besonders nicht mochte. Etwas was ich fast auswendig kann, was mich geformt hatte, oder etwas was mir Bauchweh bereitete und ich es verärgert ausspuckte. Das erstere verwarf ich, weil es mir zu Mühe- und Zeitintesiv erschien mich zu kürzen und zu mäßigen. Das Zweitere ,auch, aus dem selben Grund.
Die dritte Möglichkeit wäre gewesen, ein Buch zu lesen, aufmerksam und tief eingesunken---mit einem Bleistift und Lesezeichen, bereit die Marginen zu beschreiben, Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen…und das konnte ich zu jener Zeit nicht leisten. Ich las stattdessen die Bestellungen der Kundschaft, Backrezepte, Zeitungsartikel, Hausaufgaben meines Sohnes, Rechnungen, Mahnungen und hie und wieder zaghaft ein Gedicht. Bloß auf der Oberfläche bleiben und nicht versinken…außer in den nächtlichen 5 stundenTiefschlaf.
Der Urlaub kommt ja danach, dachte ich mir, unwillig dem schlechten Gewissen meine Kräfte zu opfern. Und der Urlaub kam. Und mit dem Urlaub auch die beschämende Erkenntnis: ich bin als Rezensorin-Rezensentin-Kritikerin… einfach eine- Niete!
Weil: ich lese es, eben.
Ich vergesse dabei, dass ich mir etwas zu „werten“ und „abwiegen“ vorgenommen hatte. Mir fallen selbstverständlich die Besonderheiten ins Auge, die guten und die schlechten; aber schon folgt der nächste Satz und ich habe verpasst ein Eselsohr an der wichtigen Stelle zu knicken. Oder ich entreiße mich, selbstgewaltig, dem Stoff und besinne mich „meiner Aufgabe“, notiere brav die Stelle, gehe in mich und denke darüber nach und merke bald dass ich vom Hundertsten ins Tausendste abdrifte und dass meine Aufgabe sich langsam aber sicher zu einem unübersichtlichen Monster aufbläht, da die Gedanken über nur diese eine Stelle und die Wege auf welche mich dieses eine einzige kleine Fragment geführt hat, eigentlich den Rahmen einer Rezension längst zersprengen und sich eitel und selbstüberschätzend der Form eines Traktates nähern,( in guter Variante…in schlechterer Variante handelt es sich eher um Dummschwätzen).
Ich kann über Bücher nicht reden, stelle ich fest. Ich kann sie mögen oder nicht mögen, und das war’s. Ja, ich kann ein paar Sätze sagen, ein paar Begründungen liefern meines Gefallens oder Nichtgefallens. Ob sich meine Sätze aber mit den hochkarätigen Meinungen der facherprobten Kritiker decken, möchte ich nicht einmal nachprüfen… noch will ich mich denen beugen…es ist ja mein persönlich Erleben!
Da ich also ein Buch, irgendein Buch, aufgegeben habe so zu lesen als würde ich danach ein Lesetagebuch schreiben, geraten ja viele in Vergessenheit. Das ist ein Pakt, den ich irgendwann mit mir selbst in etlichen Lebens- und auch Kunstberreichen geschlossen habe-sich das Vergessen zu erlauben. Was wert ist gemerkt zu werden, wird schon bleiben. Ein Satz, eine Szene, eine Stimmung .Man könnte sagen, dass es eine ideale Voraussetzung ist um Halbwissen zu vermehren. Aber man kann auch sagen, es ist auch ein Weg die pure Essenz aufzufangen. Und die pure Essenz ist für jeden Menschen etwas anderes.
Daher fällt es mir so schwer über ein Buch zu schreiben. Womöglich erwarten die Leser meiner Rezension dass ich Ihnen den Mond aufzeige, aber ich bin vollkommen mit den nicht objektiven Spielereien beschäftigt, die nichts anderes sind, als eine Mondlichtschimmerbetrachtung durch eigenen aufzeigenden Fingernagel. Für die Leser, wie des Buches so auch meiner Rezension, völlig nebensächlich. Für mich aber essenziel.
Dieser Kreuzungspunkt, an welchem ich mich als Leser mit einem Werk treffe, dieses Sichbegegnen und Sichübernweggehen ist etwas hochpersönliches; ICH erlebe es als höchstpersönlich---zu persönlich um darüber ein objektives Urteil abgeben zu können das auf Allgemeingültigkeit zählt.
So also sind das was folgt keine Rezensionen, sondern nur ein paar Mitteilungen über die drei Bücher die ich in diesem Januarurlaub, ohne Lesezeichen gelesen hatte. Ob das Essenz ist, mag ich nicht zu behaupten; jedenfalls ist es das was bei mir geblieben ist. Den Rest hab ich vergessen
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Alice Munro: Die Liebe einer Frau
-wollte wissen wer das ist der den nobelpreis gewonnen hat, in hoffnung dass es mir gefällt und ich endlich wieder einen Autor habe von dem ich dann alles auslesen kann, ihn ausquetschen.
-freute mich auf shortstorys
-nicht enttäuscht gewesen, begeisterung steigerte sich langsam aber stetig, ja, bewunderung.
-wen fand ich in ihr noch? twain, steinbeck, huxley, lessing…erkennungsfaktor, ich füllte mich heimelig drinnen.
-sie schreibt in „hohen bögen“…das heißt, es gibt eine ausgangsposition, dann wird es breit ausladend und verzweigt, mit einer art melancholichen humor und mit einem guten auge fürs detail; ganz langsam biegen und fügen sich dann die verschiedenen „zweige“ zum ausgangpunkt zurück und in dem bogen entsteht ein gesamtbild das die geheimnisse weniger oder mehr durchleuchtet…(lesen ihrer geschichten erinnerte mich an jene frühkindliche erfahrung---wenn mir der vater etwas vorzeichnete, und alles waren nur unorganisierte linien auf dem papier deren sinn ich nicht verstand, bis sie aufeinmal ganz wundersam ein gesicht ergaben, was mich verblüffte)
-wenn ich die augen zuschließe, und den namen des buches ausspreche, was sehe ich: ich sehe moosgrünes wasser und das auto im wasser umzingelt mit tanzenden gräßern, ich sehe jungs in kurzen hosen die durch die felder ziehen, ich sehe die jahreszeiten, staub in sonnenstrahlen und die dielenbretter, ich sehe eine zarte annäherung ohne viel gerede. und noch viel mehr.
urteil: sehr lesenswert. wird ausgeschöpft!
Gabriel Garcia Marquez
Erinnerung an meine traurigen Huren
-wollte was lesen was ich vom stil her kenne…schätze marquez für seine schachtelsätze, für sein abtrifften aus realität in andere realitäten, für seine poetischen kapazitäten---nun, da ich es sooo kenne, hab ich nicht gedacht, weil ich fest stellte, beim dritten blatt dass ich es schon vor langer zeit gelesen haben muss , weil die schon gesehenen bilder auftauchten. So eine art schuppen in dem das mädchen verborgen ist, die katze, die haushälterin, das vorlesen, das schlafende mädchen, geschminktes mädchen, bücherverkauf…wut, ungeduld, enttäuschung, begierde. ..
-ich las es dann trotzdem noch einmal, für mich war diese erfahrung sehr faszinierend: dass ich dieses buch vor jahren auf kroatisch gelesen hatte und beim lesen in deutscher übersetzung trotzdem die selben bilder auftauchten, selbe Imaginationen, aus dem selben blickwinkel…ein beweis für mich dass die geschichten zwar durch sprache vermittelt werden, aber aufgenommen werden die durch…? bauch? seele? gefühl? vorstellungskraft?….keine ahnung, durch etwas anderes.
-ich kriegte mich davon lange nicht ein. als fühle ich eine fremde geschichte in zwei verschiedenen muttersprachen die mir beide vermitteln: es gibt gar nicht zwei mütter, die mutter ist wohl nur eine einzige und zwar eine kolumbianische, spanischs prechende, du kennst die nur noch nicht . aber riechen kannst du sie schon mal.
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-wenn ich die augen zu mache und an das buch denke, was sehe ich? ich sehe einen nackten schlafenden mädchenkörper unter dem licht einer lampe .ich sehe einen lesenden greis in unterhosen mit herzchenapplikation. ich fühle leichte verachtung, vermischt mit itleid (keine verärgerung wie beim nabokov). ich sehe gewitter.
-urteil: lesenswert. eine mir weniger lieben werke vom marquez…es fehlt das fantastische. ist zwar da, aber in abgemilderter dosis als sonst.
Martin Walser
Ein fliehendes Pferd
-es hat mir gefallen und nicht gefallen.
-bin mit großen erwartungen rangegangen, weil walser periodisch in aller münder ist und weil ich nie etwas von ihm gelesen hatte. bin rangegangen mit dem gedanken, mal einen deutschen in deutscher sprache zu lesen, in original. und dann hat mich (vorurteil?) das deutschsein so angesprungen und fast erschüttert, weil ich ein stück davon in mir selbst erkannte…ein düsterer stück das früher nicht vorhanden war…
-ich las es unmittelbar nach marquez, und ich weiß, ich weiß! dass es keinen sinn macht birnen und äpfel zu vergleichen, und zwei so verschiedene autoren unnötig nebeneinander zu stellen…aber es drängte sich auf.
- schüttelt man das buch, da fallen raus lauter deutsche themen: entfremdung, angst von der nähe, komunikationschwäche, strikt und höflich getrenntes außen und innenleben der protagonisten, beziehungskessel die der alltagsveränderung keinen stand halten…gesundheitswahn, jugendwahn, prestigebedürfniss, darstellungsdrang…
-eine große müdigkeit überkam mich, von diesen menschen, diese zwei pärchen die nicht leben und leben genießen sondern lebensmuster darstellen wollen und im wesentlichen nur da sind, nur existieren, und vollkommen verloren sind, jeder in sich. eine rieseneinsamkeit schwappte mir aus dem buch entgegen. verköpfung, verköpfung, verköpfung ohne ende, und keinerlei wahre leidenschaft. aber wohl wahres leiden. durch verköpfung. alle tun was sie nicht wollen, alle wollen was sie nicht können, keiner traut sich was, außer einem der eh alles was er macht nur aus dem bedürfniss nach bestätigung tut und mir mit seinem aktionismus nur auf die nerven geht…das buch hat allemal geschafft mich aufzuregen, aber ein urteil gebe ich nicht ab, ich muss erst noch einen walser lesen, bevor ich was sagen kann. ein satz hat sich mir eingeprägt---der protagonist ist froh dass die fenster in der urlaubspansion vergittert sind. das ist so typisch. dieses willkommenheißen zu den übertriebenen vorsichtsmaßnahmen, bloß nicht ausfällig werden, bloß nicht zu nah lassen, sich aber dann quälen in sich gefangen zu sein. diese leidenschaft am schmerz. (nu ja, hat wohl eine historie).
-sprache ist mir teilweise unglaubwürdig (klaus), bzw. dialoge/monologe. ich hätte es, glaub ich, als drama besser empfunden, kann es aber jetzt nicht (noch) begründen. es geht mir manchmal zu schnell, ohne ouvertüre, ohne feine übergänge…etwas fahrig.
-gottseidank, obwohl es kein happyend gab, gab es ein bisschen hoffnung aus dieser deprimierenden trostlosigkeit.
-lesenswert, schon. erkennungsfaktor vorhanden. aber nicht mit dem bölls oder hesses figuren . dafür aber mit dem nachbar vom zweiten stock,oder mit dem fallmanager p. im arbeitsamt und dem herr lehrer K. aus der gesammtschule in dingenskirchen. mit mir, in trüben momenten.
will man in diese welent beherzt einsteigen? nicht immer, nicht in jedem buch.
will man sich gestehen ein verköpftes teil davon geworden zu sein und es nur noch wenig fehlt um die leidenschaft am leiden mitzuempfinden?
ich weiß es nicht.