Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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nera
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Beitragvon nera » 28.12.2014, 02:46

ich öfffne koffer
um den geruch zu atmen
das ranzige von gestern
und die illusioen
die sich darin verstecken
ein sesamöffnedich zu meinen wünschen

der tod ist ein getreuer diener
er fürchtet sich nicht
vor leeren wäscheleinen
zwischen den zeiten

"du fürchtest dich"
wirfst du mir hin während wir tanzen
leise in meine geschlossenen augen
du willst mich betören
betören wozu

ich bin steinalt in meinen träumen
und ebenso unbeweglich wie ein stein
und grau im innersten meiner seele
dort wo kein wirwort platz hätte
nur die erinnerung an lavendel
der duft mit dem wir uns die motten
vertrieben

ich fürchte um dich
schmeichelt meine hand
deinem gedächtnis

so belüge ich mich
um das hier
das ist alles
was ich in unseren koffer packe
vor dem damals

Nifl
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Beitragvon Nifl » 28.12.2014, 20:08

"Koffer bis an den Hals" Rose Ausländer

Das Ergrauen (Gewölbekeller)

und wie ich das Hemd zerrisse

und wie es in meinen Zeilen flatterte

so würde ich es hingeben
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 29.12.2014, 10:14



s(i)emi


wir sitzen auf einem stein
und sehen
still


so würde ich es hingeben
mein wort in deinen mund
und du wüsstest es zu hüten
wie eine herde schwarzer pferde
in den pyrenäen (berge

aufwinde) durch diese zeilen
flattern wir nicht


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 29.12.2014, 13:55



wie weit
er reicht
der zweite mut
bis zum nächsten wort
dem briefkasten oder in die tiefen
des gartens wo das nächste jahr beginnt
wie ein gedicht ein tanz und wo das alte endet
betrinken wir uns mit wasser beruhigen
die hunde alles gut wir schwimmen
in den fragezeichen
ihrer blicke


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

ecb

Beitragvon ecb » 29.12.2014, 16:38

wenn die gegenstände ihre fühler einziehn
zweites horchen
und die außer reichweite
sich mit dem stoff vermengen
erheben sich die grauen schatten
gegen jede wahrscheinlichkeit
oder wofür wir sie immer nahmen
sie, die die zeit verleiten können
so daß sie ungerechnet bleibt

Niko

Beitragvon Niko » 29.12.2014, 17:11

im dritten wollen
die eigene hoffnung versetzt
seifenblasen platzen zu tode
und jedes lied bleibt geschrieben
erhalten
keine antworten
gestern ist niemals vorbei
und morgen
wird es nicht anders sein

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 29.12.2014, 17:24



die schatten werden auch immer bunter


an der schiefe der akkorde
die auflösung spüren

wann sinkst du an meiner brust
das lied der narben

ach kauz rufe nicht flieg
die nacht ist zu hell

schon greift die kalte hand
des märchens mir unters hemd

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 30.12.2014, 17:06

unsere Zündelnähe

dein Abdruck (du läufst leicht nach innen)
und Räume drumherum

wir gefallenen Gassensänger
schwenken Wundkerzen
reiben Lider ins Reisig

untendrunter
ein kleines Paar Feuer

außen klopfen Schenkel

dann ist es aus
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 30.12.2014, 20:58



die geschichte der glasfänger

aus.

ein wort das sich nur für kinder
mit kulleraugen reimt (mäuschen mein
friss dich rein) sie summen das wie längst
in den schubladen der drohenden
zeit (ein verlorener schuh bleibt
ein verlorener schuh) weit
würden wir gehen müssen
mit den schnitten (heile
heile) ohne den segen der lippen


dass so was noch möglich ist
dieser krampf
durch etwas so kleines


du stehst inmitten deiner landschaft
und streckst die arme in die luft

siehst die gläser schon als scherben
fallen und du nennst sie schnee

bis in die träume
suchst du lichtschalter
um das wort ins lose zu wenden

die dunkelheit bleibt
ein weißer schimmel

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 31.12.2014, 18:34

bis in neue räume suchst du lichtfalter
um das lose wort zu verwirren

die dunkelheit ist eine schlange
die sich zum licht windet

Niko

Beitragvon Niko » 02.01.2015, 14:31

der große li jiao wei
betrachtete das bild
legte es in die blüten
der xi xian cao pflanze
und sprach
wie wasser über den stein
fließt der augen blick
dann schloss er die augen

ich fühlte mich
durchdrungen

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nera
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Beitragvon nera » 03.01.2015, 02:36

fühlte mich durchdrungen
und wechselte
den bürgersteig
um die bildsprachen
zu meiden
wechselte in die dritte person
die die zwischen uns steht

(wenn die langeweile überhand nimmt
wird sie still)
sie topft wasser in ohren
stille wasser
und versammelt libellen in
den tiefen zwischen halmen und fröschen
immer schleichen wir um die zeichen
der steine
und entfernen uns
gerne
sage ich ihr
wenn sie bäume in ihren händen birgt
ist sie sich fremd
und sehnt sich nach
langeweile

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nera
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Beitragvon nera » 03.01.2015, 02:54

https://www.youtube.com/watch?v=4DVguBGbtgM


man könnte ganz traurig werden
wenn alles so schön ist
und alles wird musik

ganz und gar
mit den geheimen tönen
und all dem brachialen
diesen ohrwurmviren
mit ihrem WIR und
HEIMAT
und dem lautlosen regen
oder wenn sie gegen
die angst schwimmen
und die häfen nur aus WIR
gebaut sind
scheint es nur so
vor traurigem schön
poliertem
bewahren


sieh mir nicht zu
wenn ich lache
Zuletzt geändert von nera am 11.08.2015, 13:03, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 03.01.2015, 13:44

armgeschwiegen
und die farbe von weizen
eingebläut beim letzten winterfest

Ich bin ernadelt
das macht die zeit
zwingend nur dies
bleibt auf ewig

dein blick im winkel
sieht dahin
wo ich mich erkenne


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