diese angenommene angst

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birke
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Beitragvon birke » 10.10.2016, 18:56

.
die angst vor dem "fremden"
diese angst um die deutsche kultur
befremdet mich:
ich wäre allenfalls stolz
auf ein land
welches die arme öffnet
das bunte annimmt
und aufnimmt
ich jedenfalls mag
wildblumen, die das land
nicht nur verschönern
sondern befruchten






zeilen gestrichen, und somit eigentlich das ganze gedicht, weil offenbar zu missverständlich.



.
Zuletzt geändert von birke am 01.11.2016, 14:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Hetti
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Beitragvon Hetti » 10.10.2016, 21:34

Liebe Birke,

der Text gefällt mir sehr. Inhaltlich und sprachlich. Ich finde allerdings, die vierte Zeile kann man auch anders formulieren: "Ich bin stolz / auf ein land....(Statt: "wäre") Denn wir leben doch in einem Land, dass die Arme öffnet und aufnimmt." Deine Formulieren wirkt auf mich defensiv und vorsichtig. Noch besser vielleicht: "Ich möchte/Wünsche/will ein Land..." Dann kommt diese ewig leidige Nähe zu "ich bin stolz ein Deutscher zu sein..." deinen Gedanken nicht ins Gehege.

Außerdem ist es ein typisches Birke-Gedicht: Wie immer geht es um Kommunikation. Das ist dein Thema. So formuliere ich dein Thema jedenfalls für mich, wenn ich deine Texte lese: "Kommunikation". Dieses Mal nicht ausgedrückt in Bezug auf Worte, sondern ausgedrückt durch "Wildblumen die verschönern und befruchten." Gefällt mir.

Herzlichst
Dede

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 10.10.2016, 22:09

Hallo Ihr Zwei, ich finde das "wäre" schon besser ...


Meine Probleme liegen vor allem am Schluss: Die Wildblumen, die das Land befruchten - für mich ist das Bild schief.

aram
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Beitragvon aram » 10.10.2016, 22:57

► Text zeigen
hallo birke,
der text beginnt metaphernfrei, um in einem blumenbild zu enden - das finde ich unglücklich, da beide teile einander auch inhaltlich gegenüberstehen: die antithese zu einem bildlos beschriebenen gesellschaftspolitischen phänomen (angst vor dem "fremden") als florales idyll zu formulieren ("wildblumen befruchten das land") wirkt auf mich in diesem kontext seicht, nicht ernst zu nehmen.
wobei für mich das bild auch für sich genommen nicht funktioniert - wie "befruchten" wildblumen das land?
- ich glaube, das ist nicht zu ende gedacht.
liebe grüße

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birke
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Beitragvon birke » 11.10.2016, 00:49

liebe dede, ja, stolz ist hier schon extra so gewählt eben wegen der anspielung und deshalb muss es für mich auch das "wäre" sein. freut mich aber sehr, dass dir der text insgesamt zusagt, etwas sagt. und wie du allgemein meine texte wahrnimmst, finde ich spannend - und schön :)

dass das bild am schluss etwas schief ist, liebe amanita, ja, war mir auch schon aufgefallen. mir fällt nur nix besseres ein... vielleicht bewurzeln, bereichern oder anreichern...?  andererseits gefällt mir das befruchten schon... auch wenn es biologisch nicht korrekt ist....
aber für ideen bin ich offen :)

lieber aram, hm, ich weiß nicht, die analogie ist nicht mal so weit hergeholt: hier in der region (oder überall in deutschland?) wird das "indische springkraut" mit allen mitteln bekämpft, das einige deutsche arten zu verdrängen scheint. dennoch müsste es nicht einfach ausgerottet werden, sondern könnte vielfach genutzt werden.

soweit erstmal danke an euch!
lg
birke
Zuletzt geändert von birke am 11.10.2016, 01:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Klimperer

Beitragvon Klimperer » 11.10.2016, 01:01

"wildblumen, die das land
nicht nur verschönern
sondern befruchten..."

Ich kann es nachvollziehen.

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birke
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Beitragvon birke » 11.10.2016, 10:22

danke, carlos.
(auch dede kann ja offenbar etwas damit anfangen...)
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aram
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Beitragvon aram » 11.10.2016, 12:22

birke hat geschrieben: die analogie ist nicht mal so weit hergeholt: hier in der region (oder überall in deutschland?) wird das "indische springkraut" mit allen mitteln bekämpft, das einige deutsche arten zu verdrängen scheint. dennoch müsste es nicht einfach ausgerottet werden, sondern könnte vielfach genutzt werden.
liebe birke,
sehe etwa nur ich das erschreckende an dieser analogie? sie wird mit ihrer weiterführung immer problematischer. fragwürdige naturanalogien als argumente für die behandlung von menschen, ich dachte das hätten wir hinter uns...
Zuletzt geändert von aram am 11.10.2016, 12:30, insgesamt 1-mal geändert.

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birke
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Beitragvon birke » 11.10.2016, 12:28

ja, aber die analogie steht ja nicht explizit im text. war auch nur eine gedankenassoziation meinerseits, etwas unreflektiert vielleicht...
ich denke, man kann es so oder so sehen... für einige passt die assoziation mit der natur gar nicht, für andere aber vielleicht doch... ich weiß nicht. vielleicht ist es auch daneben.
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Beitragvon aram » 11.10.2016, 12:32

liebe birke, eben hatte ich nochmal editiert, um klarer auszudrücken, was ich daran schlimm finde.

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birke
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Beitragvon birke » 11.10.2016, 13:23

ja, erschreckend ist so manches ... aber tatsächlich dieser text??
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Zefira
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Beitragvon Zefira » 11.10.2016, 13:37

Nun ja, die Analogie bringt es nun mal mit sich, dass der Leser/die Leserin da automatisch manches assoziiert, was Du mit Sicherheit nicht gemeint hast.
Mir ist zum Beispiel sofort eingefallen, dass wir bei Langstreckenflügen (nach Südamerika oder Afrika) immer vor der Landung ausdrücklich schriftlich zusichern müssen, dass wir kein rohes Gemüse, Obst oder Pflanzen bei uns haben - im Hinblick auf die mögliche Einschleppung von Krankheiten oder Schädlingen, nehme ich an. Solche Gedanken führen in genau die Richtung, von der das Gedicht - vermute ich - weg will ...
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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(Ikkyu Sojun)

Last

Beitragvon Last » 11.10.2016, 14:32

Liebe Birke,

nach einigem Hin und Her stelle ich fest, das ich Arams ungutes Gefühl teile. Dein Gedicht wirkt auf mich etwas zu leichtfertig.

Das Einbringen einer neuen Art in ein fremdes Ökosystem gilt zurecht als brandgefährlich. Das Problem kennt nicht nur jeder Hobbygärtner. Im größeren Maßstab gibt es in Europa z.B. große Sorgen gegenüber gentechnisch modifierzetem Getreide, dessen Samen sich ja auf natürlichem Wege ausbreiten, sodass es sehr bald nachdem es ein einziges Feld davon gibt, gar keine Felder mehr geben wird, die garantiert "ohne Gentechnik" sind.

Die Analogie zur Soziokultur besteht zwar, lässt sich aber in viele Richtungen ausdeuten. Was auch nicht verkehrt ist, aber sehr heikel.

Ich meine, dass man den 1 Millionen Flüchtlingen ja auch kaum "Herzlich Willkommen" sagen, es aber dabei belassen kann. Das würde gewaltig schief gehen und noch mehr Nährboden für Rechtspopulismus schaffen.

Und da, wo dann der Umgang miteinander politische Regelungen erfordert, können wir Fehler begehen, die gravierende Folgen nach sich ziehen.

Es komme nur mal einer auf die Idee, den gesetzlichen Mindestlohn für Flüchtlinge auszuhebeln. Dann würden Stellen für gering Qualifizierte sehr bald nicht mehr mit den "teuren" Deutschen besetzt. Dann profitieren die Arbeitgeber von der Zuwanderung, während die gering Qualifizierten tatsächlich ihre (eh schon zu schlecht bezahlten) Jobs verlieren. Nur ein Gedankenexperiment, aber hier steckt meiner Meinung nach gewaltiger sozialer Zunder drin.

Ich würde sogar soweit gehen, dass die Angst vor dieser gesellschaftlichen Veränderung nicht nur berechtigt sondern angemessen ist. In dem Sinne wie Sartre sagt, der Mensch sei Angst, weil er in dieser Welt zu Entscheidungen gezwungen wird, von denen er nie sicher wissen kann, ob sie gut sind, weil er ja durch seine Entscheidungen erst das Gute definiert.
Diese Angst darf allerdings nicht im Sinne einer fight or flight Reaktion in Fremdenhass oder eine Vermeidungsstrategie umschlagen, sondern sollte sinnvolle demokratische Entscheidungsprozesse in Gang setzen.
Zuletzt geändert von Last am 11.10.2016, 14:51, insgesamt 3-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 11.10.2016, 14:41

Hallo Diana,
ich mag dein Gedicht sehr!
Den Vergleich mit den Wildblumen am Ende....Ich mag das besonders. Wobei der ein oder andere auch das diskriminierend finden könnte. Was dem wilden geschuldet wäre.
Die Verwirrung über.
befremdet mich:
ich wäre allenfalls stolz
Das "befremdet" und "allenfalls" reiben sich zu sehr, wie ich finde. Das befremden schürt in der Folge eine erwartung, die immer ausgeprägter ist als der ist- Zustand. Das "allenfalls" wiederum hat die Bedeutung "bestenfalls, höchstens" in sich. Insofern ist da eine starke Diskrepanz empfindbar. Es wäre mir logischer, das "allenfalls" zu entfernen oder aber, es durch "aber" oder besser "jedoch" zu ersetzen.

Herzliche Grüße - Niko


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