stimmungswinter

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
Amanita
Beiträge: 5753
Registriert: 02.09.2010
Geschlecht:

Beitragvon Amanita » 06.10.2016, 08:48

in ihren gesichtern
sommergebräunt
aus vergangener zeit
spiegelt sich stahl
den sie schmieden
jedes wort halten sie
so tief ins feuer
dass es hart wird
und eisern und bitter
blasen sie mit den bälgern
in die glut
Zuletzt geändert von Amanita am 17.10.2016, 22:36, insgesamt 2-mal geändert.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 09.10.2016, 10:12

Es klingt ein wenig wie eine Hymne an das Proletariat, die realistische Lyrik in der Sowjetunion, ist aber sicherlich nicht so,
wahrscheinlich eher Folge der Betrachtung eines Bildes.

"Jedes Wort halten sie so tief ins Feuer..."

Jedes Wort tief ins Feuer halten. Das hat man in unserer schnellen Gesellschaft verlernt.

Benutzeravatar
Amanita
Beiträge: 5753
Registriert: 02.09.2010
Geschlecht:

Beitragvon Amanita » 09.10.2016, 18:23

Hm, so positiv sehe ich das nicht. Thematisiert ist eine Verklärung des Archaischen. Ich will keine harten, eisernen, bitteren Worte, zumindest nicht als Normalfall.

Benutzeravatar
Amanita
Beiträge: 5753
Registriert: 02.09.2010
Geschlecht:

Beitragvon Amanita » 09.10.2016, 18:25

Aber natürlich herzlichen Dank an Dich -

(ich dacht' schon, ich bekomme hier überhaupt keine Reaktionen mehr. :rolleyes: )

Benutzeravatar
Eule
Beiträge: 2055
Registriert: 16.04.2010

Beitragvon Eule » 10.10.2016, 23:55

Doppelpost ... bitte löschen !
Zuletzt geändert von Eule am 10.10.2016, 23:59, insgesamt 1-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Benutzeravatar
Eule
Beiträge: 2055
Registriert: 16.04.2010

Beitragvon Eule » 10.10.2016, 23:58

Hallo Amanita, muss manchmal erst n bisschen sacken ... Lesen, Nachdenken und Kommentieren: die bekannten Dreierlei.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Last

Beitragvon Last » 17.10.2016, 15:16

Hallo Amanita,

ich bekomme hier für mich ein recht klares Bild: das Gesicht eines Schmieds, der so ein Clint Eastwood Typ ist, über den man voller Respekt behaupten würde, dass er der alten Schule angehöre, - einem Mann, der ein Männlichkeitsideal verkörpert, das darin besteht an einem eigentlich überholten Ideal festzuhalten, - einem Ideal, das nämlich davon ausgeht, dass Männer im Laufe der Geschichte zunehmend verweichlichten, dass Männer früher härter waren und in dem Sinne männlicher.

Es ist ein Bild, das mich (und vielleicht nur mich in meiner individuellen sozial-kognitiven Prägung) an die folgende Anekdote Kleists erinnert. Nur dass der Kerl dort eher als Teufelskerl verherrlicht wird, während er bei Dir vom "stimmungswinter" um ihn herum nur deshalb nichts mitbekommt, weil er selbst am Feuer sitzt und schmiedet. Gleichzeitig entlarvt ihn seine Sommerbräune als jemanden, der nicht wirklich hart ist, bzw. nicht unbedingt die Erfahrungen gesammelt hat, die seine Härte rechtfertigen würden, sondern eher, dass er im Urlaub auf Sonnencreme verzichtet, die man ja früher auch nicht brauchte. Vielleicht sitzt er nur an der Glut, weil ihm kalt ist.

Heinrich von Kleist
Der verlegene Magistrat

Eine Anekdote

Ein H...r Stadtsoldat hatte vor nicht gar langer Zeit, ohne Erlaubnis seines Offiziers, die Stadtwache verlassen. Nach einem uralten Gesetz steht auf ein Verbrechen dieser Art, das sonst der Streifereien des Adels wegen, von großer Wichtigkeit war, eigentlich der Tod. Gleichwohl, ohne das Gesetz, mit bestimmten Worten aufzuheben, ist davon seit vielen hundert Jahren kein Gebrauch mehr gemacht worden: dergestalt, daß statt auf die Todesstrafe zu erkennen, derjenige, der sich dessen schuldig macht, nach einem feststehenden Gebrauch, zu einer bloßen Geldstrafe, die er an die Stadtkasse zu erlegen hat, verurteilt wird. Der besagte Kerl aber, der keine Lust haben mochte, das Geld zu entrichten, erklärte, zur großen Bestürzung des Magistrats: daß er, weil es ihm einmal zukomme, dem Gesetz gemäß, sterben wolle. Der Magistrat, der ein Mißverständnis vermutete, schickte einen Deputierten an den Kerl ab, und ließ ihm bedeuten, um wieviel vorteilhafter es für ihn wäre, einige Gulden Geld zu erlegen, als arkebusiert zu werden. Doch der Kerl blieb dabei, daß er seines Lebens müde sei, und daß er sterben wolle: dergestalt, daß dem Magistrat, der kein Blut vergießen wollte, nichts übrig blieb, als dem Schelm die Geldstrafe zu erlassen, und noch froh war, als er erklärte, daß er, bei so bewandten Umständen am Leben bleiben wolle.



Über ein Detail stolpere ich: in meiner Logik müsste durch die Aushärtung im Feuer und die gezielte Vermischung mit anderen Metallen aus Eisen Stahl werden; die Worte im Gedicht werden aber nicht zu Stahl sondern zu Eisen, sodass für mich hier Rohstoff und Endprodukt vertauscht sind.

Benutzeravatar
Amanita
Beiträge: 5753
Registriert: 02.09.2010
Geschlecht:

Beitragvon Amanita » 17.10.2016, 16:37

Vielen Dank, Last - ja, ich glaube, stählern ist wirklich besser.

Benutzeravatar
Werner
Beiträge: 763
Registriert: 08.05.2014
Geschlecht:

Beitragvon Werner » 17.10.2016, 22:03

da ist mir fast zu viel (bekanntes!) klischee drin, kein wirklicher überraschungseffekt. den titel würde ich wenigstens in "Ἥφαιστος - hephaistos" ändern

Benutzeravatar
Amanita
Beiträge: 5753
Registriert: 02.09.2010
Geschlecht:

Beitragvon Amanita » 17.10.2016, 22:24

Hm, die Klischees haben ja eine Funktion.

Benutzeravatar
Amanita
Beiträge: 5753
Registriert: 02.09.2010
Geschlecht:

Beitragvon Amanita » 17.10.2016, 22:37

Ich habe doch wieder "eisern" drin, Last.


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Google [Bot] und 3 Gäste