Eines Tages

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Herby

Beitragvon Herby » 15.02.2006, 22:45

Eines Tages

Jetzt
Umschlungen von DEINEN Armen
Gehalten von DEINEN Händen
Gestärkt von DEINER Kraft
Umhüllt von DEINEM Atem
Getröstet von DEINEN Lippen
Erfüllt von DEINER Wärme
Getragen von DEINEN Gedanken
Durchdrungen von DEINER Liebe

So möchte ich diese Welt verlassen
Eines Tages


P.S. Dies ist mein 1. Liebesgedicht und mein 1. Gedicht ohne Reim und Versmaß. Gelungen? Misslungen?? Fragen über Fragen! Was denkt ihr??

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 15.02.2006, 23:02

Grundsätzlich eine gute Idee und potentiell ein sehr schönes Liebesgedicht. Zwei Anmerkungen:

Du hast zum einen Hände, Arme, Lippen, Atem (also körperliches)
und zum anderen Kraft, Wärme, Liebe, Gedanken (geistiges), im
Gedicht wird das gleichwertig gehandhabt - vielleicht kannst du da
noch mehr die zwei unterschiedlichen Ebenen herausarbeiten.

Zweitens: so möchte ich die Welt verlassen (eines Tages) ist zwar
sehr verständlich, aber bleiben und das genießen ist noch verständlicher. Vielleicht solltest du das herausstellen.

Davon ab ist das jetzt nur meine Meinung, vielleicht würde dann ein ganz anderes Gedicht daraus mit derlei Schwerpunkten.

Und was Reime und Versmaß betrifft - ein Gedicht kann auch ohne das Rhythmus haben und "gleiten", und das hast du auf jeden Fall geschafft.

Gruß

Herby

Beitragvon Herby » 17.02.2006, 00:27

Danke für deine konstruktiven Vorschläge! Du hast völlig Recht, aber bei mir gingen die Gefühle durch, mir war Geistiges und Körperliches gleichermaßen wichtig. Hab den Text aus dem Bauch heraus in wenigen Minuten geschrieben. Seltsam, manchmal sitze ich tage- oder wochenlang an einem Text, aber bei diesem war es anders. Sturzgeburt sozusagen. Kann ich im Nachhinein jetzt und hier schwer erklären. Emotionaler Aufruhr, Liebe eben! O:)

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 17.02.2006, 22:29

Na, mußt du auch nicht erklären... :smile:

Aus dem Bauch heraus bei einem Liebesgedicht ist wohl eines der schönsten Dinge. :smile:

Aber wenn du halt fragst, was man davon hält, dann sage ich, was mir einfällt (auch hier und da aus dem Bauch heraus) :cool: .

Uwe Beuer

Beitragvon Uwe Beuer » 19.02.2006, 17:11

Hallo Herby!
Doch, toll dein Gedicht - aber das ist ja schon wieder 4 Tage her: STIMMT's denn noch?
Hab Glück! Cheers,
Uwe

Herby

Beitragvon Herby » 19.02.2006, 19:09

Hi Uwe,

ja, es stimmt noch immer und ich hoffe, es wird noch lange stimmen! O:)

Vier Tage - eine kurze Zeit,
Für den, der liebt, ne Ewigkeit.

Danke für deine nette Rückmeldung!
Gruß Herby

Gast

Beitragvon Gast » 26.02.2006, 15:50

dein erstes ungereimtes Gedicht hat mich bis auf den Schluss, sehr an einen meiner Texte aus 2002 errinnert.
Es ist recht schwer dazu etwas zu sagen, formal finde ich es gelungen.
Es fließt wunderbar.
Würde es nicht diesen festgefügten Schluss haben, der so abrupt kommt...
Selbst wenn ich nachvollziehen kann, dass du durch die Liebe bewegt warst und diesen Gedankengang niedergeschrieben hast, schließ ich mich Frankreur an, da müsste die zweite Ebene sich aus dem Vorhergesagten entwickeln...
So wirkt es ein wenig wie ein Dankgebet mir Stoßseufzer ;-)
(Auch das hat seine Berechtigung)
Ich hoffe du verstehst wie ich es meine.
Wenn du möchtest, dann kann dir mein Gedicht ja bei Gelegenheit mal hier hinein posten.

Liebe Grüße
Gerda

Herby

Beitragvon Herby » 26.02.2006, 20:19

Hallo Gerda,

danke dir sehr für deine prompte Antwort! Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen - es war in dem Moment, als ich es schrieb, tatsächlich eine Art Dankgebet mit Stoßseufzer! O:)
Was die beiden Ebenen - Körperliches und Geistiges - angeht, so werde ich an meinem Erstling nochmal arbeiten. Mal sehen, ob ich es hinkriege.
Was den Schluss anbetrifft ... inwiefern findest du ihn "festgefügt"? Grübel ...
Ich würde sehr gerne deinen Text aus 2002 mal lesen. Hast mich neugierig gemacht.
Gruß Herby

Gast

Beitragvon Gast » 26.02.2006, 20:59

mit festgefügt meine ich, deinen Blick auf das Lebensende...
Du könntest ja all dies auch bedichten, ohne das Lebensende im Blick zu haben.
Allerdings sagen die Franzosen " La petite Mort"... für den Höhepunkt beim Liebesakt, vielleicht soll es ja eine Anspielung darauf sein...
Vielleicht doch nicht so festgefügt, sondern die Todessehnsucht im Überschwang der Gefühle.

...hat mich an mein Gedicht mich erinnert, ja, aber es ist dennoch ganz anders:

Meine Sehnsucht hat sich ein Bild gemacht...

ich sehe mich
gefangen in deinem Blick
ich spüre mich
gehüllt in deine Wärme
ich berühre dich
elektrisiert von deinem Haar
ich rieche dich
betäubt von deinem Duft
ich schmecke dich
hungrig nach deiner Haut

traue mich
gierig nach dir zu sein,
ohne dich zu kennen

weiß
wie sich dein Haar, deine Haut
deine Hände anfühlen...

wann treffe ich dich?
©GJ

Liebe Grüße
Gerda

Herby

Beitragvon Herby » 27.02.2006, 23:52

Danke, Gerda, für deinen Text! Ähnlich durch die Empfindungen des lyrischen Ich, unterschiedlich dagegen durch die Fremdheit bzw. Unbekanntheit der anderen Person. Aber gerade die letzten sieben Verse machen deinen Text, wie ich finde, besonders reizvoll.
Ich habe mir mein Gedicht vor dem Hintergrund deiner und Franktireurs Kommentare noch einmal vorgenommen und verändert ( siehe unten ). Die französische Wendung "la petite mort" kannte ich noch nicht und musste schmunzeln, als ich sie las. Und was du bezüglich der Todessehnsucht im Überschwang der Gefühle schreibst, so trifft dies in etwa den Punkt. Doch dies näher zu erläutern, würde jetzt den Rahmen sprengen. Wie ich auf Franktireurs Kommentar schrieb, war und ist mir die körperliche und geistige Ebene immer noch gleichermaßen wichtig. Ob sich nun in der überarbeiteten Version die eine aus der anderen Ebene ergibt, wie du es formuliert hast, vermag ich im Moment noch nicht zu sagen. Je öfter ich mir die überarbeitete Fassung durchlese, umso weniger Klarheit habe ich.
Wenn ich, an Franktireur gerichtet, schrieb, der Text sei aus dem Bauch heraus entstanden, so wollte ich damit übrigens nicht implizieren, dass ich deshalb Verbesserungsvorschlägen und konstruktiver Kritik gegenüber resistent bin. ( Ich denke hier an die Diskussion in der Cafeecke ). Vielleicht bedürfen sogar gerade Texte, die einem scheinbar mühelos aus der Feder fließen, besonders kritischer Aufmerksamkeit und Überarbeitung.
Also, hier nun die zweite Fassung:

Eines Tages II

Jetzt
Unendlichkeit der Zeit

Gehalten von deinen Händen
Umschlungen von deinen Armen
Getröstet von deinen Lippen
Umhüllt von deinem Atem
Getragen von deinen Gedanken
Begleitet von deinen Träumen
Erfüllt von deiner Seele
Durchdrungen von deiner Liebe

So möchte ich diese Welt verlassen
Eines Tages


Nächtliche Grüße
Herby

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 28.02.2006, 00:56

Tja, :smile: , seltsam ist das ja schon...

Ich hatte bei meinen Anmerkungen ja auch gesagt, es könnte ein anderes Gedicht draus werden...

Und nun ist es so - und auch wieder nicht.

Also, ich finde diese "neue, andere" Version sehr gelungen.
Ich sehe, lese und empfinde eine Steigerung.

Hände Arme Lippen Atem
Gedanken Träume Seele Liebe

Von Wort zu Wort näher und wichtiger. Das ist nun gelungen.
Auch die "Einrahmung" durch "Jetzt" und "Eines Tages" greift es einfach mehr. Und schon empfinde ich das "Eines Tages" nicht mehr so störend wie beim Erst-Werk.

Und, Herby, wenn du schreibst, daß dich das Überdenken und Überarbeiten immer mehr verwirrt hat, dann liegt das in der Natur der sache: denn es ist ein Ringen um den richtigen Ausdruck, den richtigen Aufbau, und am Ende klappts, wenn man es zulassen kann.

Dein Zweit-Entwurf ist dafür ein sichtbares Beispiel.
Mal ehrlich, ist das nicht eine grandiose Sache?

Gruß

Herby

Beitragvon Herby » 28.02.2006, 02:15

Danke für deine prompte und ausführliche Rückmeldung zu nachmitternächtlicher Stunde und für dein Lesen!
Du hast völlig Recht, je dichter man an seinem Text dran ist, je weniger sieht man. Also werde ich ihn jetzt erst einmal "links liegenlassen" und ihn später mit größerer Distanz erneut lesen und eventuell abermals überarbeiten. Da liegt bei mir nämlich dann das Problem, irgendwann ein Ende zuzulassen, wie du schreibst.
Ja, es ist tatsächlich grandios, dieses ständige Versuchen und Verwerfen, Schreiben und Streichen, gedanklich Siegen und sprachlich Unterliegen ... grandios und anstrengend zugleich! O:)
Müde spätnächtliche Grüße
Herby

Gast

Beitragvon Gast » 28.02.2006, 12:29

Ja, Herby, jetzt ist es gelungen!
Ergänzend zu Franktireurs Kommentar, dem ich nur beipflichten kann, möchte ich noch anmerken:
Besonders auffallend finde ich wie sehr Rhythmus und Eindringlichkeit gewonnen haben, die beide durch den Wechsel zwischen Vokal und Konsonant am Beginn der Zeilen bestimmt werden.
Weiterhin viel Freude beim kreativen Schaffen.
G. G.


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