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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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birke
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Beitragvon birke » 11.08.2018, 23:47

.

die reiche poetin
sitzt nackt
am fenster ihrer hütte
gedankenverloren
blickt sie auf bäume
und wiesen
und meer
den bleistift zwischen den lippen
sucht sie das wort, dieses eine
wort

.
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 12.08.2018, 08:19

Welch ein schönes Bild am frühen morgen. Für “reiche“ könntest du vielleicht noch ein anderes Wort suchen :-), . Es lässt mich im meiner Assoziationskette ein wenig stolpern. Liebe Sonntagsgrüße, Hetti

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 12.08.2018, 09:05

Geht mir genauso!

reich passt nicht so gut.

Quoth
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Beitragvon Quoth » 12.08.2018, 09:12

Mich stört es weniger. Muss eine Poetin arm sein wie der arme Poet von Spitzweg? Ich glaube, hierauf ist das eine Antwort. Außerdem kann man nicht nur reich an Geld sein. Sondern z.B. auch reich an Worten.
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 12.08.2018, 09:43

Natürlich muss eine Poetin nicht arm sein!

Aber es spielt hier schlichtweg keine Rolle. Zunächst dachte ich an ein lustiges Gedicht (klar: Umkehrung des Armen Poeten), aber das kommt ja so nicht hin.

Wenn sie reich ist, was für eine Rolle spielt dann die Hütte? Und wenn sie reich an Worten ist, warum sucht sie dann das eine Wort?

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 12.08.2018, 09:46

Eben weil es nicht um materiellen Reichtum geht, interpretiere ich doch richtig birke?, findet sich vielleicht noch ein anderer Begriff.

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birke
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Beitragvon birke » 12.08.2018, 10:46

hallo zusammen, vielen lieben dank für eure rückmeldungen! :)

also, zunächst mal ist das gedicht durchaus inspiriert durch den „armen poeten“ von spitzweg, vielleicht so eine art gegenentwurf oder vielleicht besser auch parallel-entwurf.

für mich ist das „reich“ hier sehr vielschichtig, natürlich geht es nicht um materiellen reichtum, (wobei hier vielleicht auch mit anklingen mag virginia woolfs „ein zimmer für sich allein“, aber das nur am rande).
mit hineinspielt natürlich: reich an worten, reich an fantasie. ist es nicht luxus, auf der suche sein zu dürfen, auf der suche nach einem wort? (für mich schon!). insofern ist für mich ein(e) suchende(r) durchaus reich. reich empfinde ich es auch, in einer hütte zu sitzen, die den blick auf bäume, wiesen und meer preisgibt – (wobei das natürlich auch metaphorisch gelesen werden kann) – einfachheit als reichtum. (wobei ich zugeben muss, dass diese „hütten-romantik“ vielleicht etwas, hm, profan ist?? und ja auch täuschend… aber vielleicht ist es genau diese ambivalenz, die mich daran reizt)
sodann die nacktheit, die vordergründig vielleicht armut suggeriert, die ich hier allerdings im übertragenen sinne auch als reichtum empfinde, weil sie alles preisgibt, und sich das zu trauen, erfordert mut. und bereichert letztlich.

nun überlege ich, welches wort könnte all das auch ausdrücken? gäbe es noch ein besseres, passenderes? ("sucht sie das wort, dieses eine wort", lach!) also, falls jemand eine idee hat, sehr gern.

frische grüße! ;)
birke
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.08.2018, 12:30

Hallo Diana,

es ist ein schönes Bild, das du da beschreibst. Es drückt sehr viel Freiheit aus.
Ich würde das Wort "reiche" einfach streichen, weil man in der Tat sofort an "der arme Poet" denken muss.

Saludos
Mucki

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birke
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Beitragvon birke » 12.08.2018, 12:37

ja, mucki, es einfach zu streichen, daran hatte ich auch schon gedacht.
vielleicht die beste lösung ... manchmal ist halt weniger doch tatsächlich mehr ;)
(andererseits würde eben doch vielleicht etwas verloren gehen von dem bild...??)
ich überleg mal.
danke sehr!
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Quoth
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Beitragvon Quoth » 12.08.2018, 12:56

Amanita hat geschrieben: Wenn sie reich ist, was für eine Rolle spielt dann die Hütte? Und wenn sie reich an Worten ist, warum sucht sie dann das eine Wort?

Ich kenne einen reichen Schweizer, der einen alten VW Käfer fährt. Er findet das schöner, feiner, ironischer - und er liebt es natürlich, falsch eingeschätzt zu werden. Darüberhinaus liebt er das Schlichte, Einfache und Bescheidene.

Wortreiche Autoren können sich mit der Suche nach dem einen, richtigen Wort viel mehr quälen als wortarme - eben weil sie so viel Auswahl haben!
Zuletzt geändert von Quoth am 12.08.2018, 19:53, insgesamt 1-mal geändert.
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 12.08.2018, 18:53

Solch einen Sachverhalt lese ich aber aus dem Gedicht nicht.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 12.08.2018, 19:11

die poetin ist reich
an gedankenverlorenheit
in der verlorenheit
lässt sich kein wort finden
wenn sie welche findet
ist sie wieder arm
an gedankenverlorenheit

Quoth
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Beitragvon Quoth » 12.08.2018, 19:59

Amanita hat geschrieben:Solch einen Sachverhalt lese ich aber aus dem Gedicht nicht.

Man kann dies doch aber zur Erklärung einfach heranziehen! Es ist ein Vorurteil, dass alle Reichen zum Protz neigen. Oft haben sie sogar, man höre und staune, Geschmack! Warum soll die reiche Poetin sich nicht in einer Hütte viel wohler fühlen als in einer Villa? Gerade, dass sie dem Klischee nicht entspricht, macht sie sympathisch.
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 12.08.2018, 20:25

Lieber Quoth, das sage ich doch alles gar nicht. Natürlich gibt es reiche Menschen, die eher bescheiden leben.

Das Gedicht wird für mich aber nicht besser durch das Adjektiv reich, ich brauche das nicht, weil es mich (wie oben gesagt) auf eine falsche Fährte führt. Ich erwarte was Lustiges, wenn der Arme Poet zur Reichen Poetin wird. Und dann sitzt sie nackt in ihrer Hütte, und ich frage mich eben doch, was ihr "Reichtum" mir in diesem Zusammenhang vermittelt. Es wäre doch beispielsweise auch falsch, daraus zu schließen, dass die Dichterin sich aufgrund ihres Reichtums diese Art Muße (mehr, länger ...) leisten kann als andere; also noch eine falsche Fährte ...


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