Schweigen

Rubrik für Theaterstücke, Szenen, Sketche, Dialoge, Hörspiele, Drehbücher und andere dramatisch angelegte Texte
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Cicero
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Beitragvon Cicero » 23.08.2018, 14:17

Schweigen

Sie lag auf dem zerwühlten Laken. Ihr kirschroter Mund war weit geöffnet. Mit ihren großen dunklen Augen starrte sie an die Zimmerdecke.

Er saß auf der Bettkante und rauchte. Seine Hand streichelte über ihre großen Brüste, glitt zärtlich über ihren makellosen Körper und endete in ihrem noch feuchten Schoß.

„War es schön für dich?“, fragte er leise und lächelte verlegen.

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„Ich habe mich sofort in Dich verliebt, gestern, als ich dich zum ersten mal gesehen habe. Und du, hast du mich auch ein bisschen lieb?“ Seine Stimme war zärtlich und sanft.

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„Also, für mich war sie schön, unsere erste Nacht. Für dich doch auch, das habe ich doch gespürt, oder?“

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„So sag es doch endlich, dass es dir auch Spaß gemacht hat“, seine Stimme wurde jetzt merklich rauer. „Sag es mir, komm, sag es mir. Ich will es hören. Verstehst du?“

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„Du bist wie alle anderen Weiber, die ich schon bei mir im Bett hatte.“ Seine Stimme war jetzt scharf, böse und laut. „Die Nacht mit mir genießen, aber am Morgen kein nettes Wort. Kein Lob, kein Dank. Sag endlich, dass ich toll war, dass ich dich geil gemacht habe, du Schlampe.“

Sein Blick wurde wirr, seine Stimme überschlug sich.

„Sag es, oder ich muss dir, wie allen anderen Weibern die ich vor dir hatte, sehr, sehr weh tun.“

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„Du bleibst stumm? Ich habe dich gewarnt! Ich muß dir weh tun, verstehst du, ich muss, ich muss, ich muss!“

Er nahm die brennende Zigarette und drückte sie in ihrem Bauchnabel aus.

Zischend entwich die Luft aus der Puppe.
Die Sprache sei die Wünschelrute, die gedankliche Quellen findet. (Karl Kraus)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.08.2018, 14:44

Hm, Franz,

ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Okay, das es am Schluss ne Puppe ist, ist ne Pointe (ich dachte die ganze Zeit, es wäre eine tote Frau), aber ich finde das Ganze sowas von gruselig und puh, ich weiß nicht. :haare: :oh:
Mal sehen, was andere dazu meinen.

Saludos
Mucki

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 23.08.2018, 14:53

Dass es Dir gruselt, Gabi, das wollte ich nicht ...
Die Geschichte hat auch keine autobiografischen Züge, zum Glück! ;o)
Vielleicht sollte ich bei den Haiku bleiben ...
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.08.2018, 15:03

Warte doch erst mal, was andere meinen, Franz.
Das ist ja nur meine Empfindung. Vielleicht bin ich etwas dünnhäutig in diesem Fall. :guckguck:

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 23.08.2018, 15:45

Wie er sich mehr und mehr aufregt mit jener altbekannten Männersorge während sie so still bleibt, das fand ich recht lustig und gut gemacht im Timing etc. Nur der vorletzte Satz enthält, finde ich, zu brutale Elemente (brennende Zigarette & Bauchnabel), die nicht absurd genug sind, um als Spaßhorror zu wirken.

Ich würde nur diesen vorletzten Satz neu schreiben, vielleicht über eine Ungeschicklichkeit, wie er zwar etwas böses vorhat (man weiß noch nicht was), aber zum finalen Schritt nicht kommt, weil er bei seiner Annäherung aus Versehen etwas umstößt oder fallen lässt oder sonstwas berührt oder herausreißt. Irgendwas. Und dieses Missgeschick hat dann zur Folge, dass ihr das Ventil aufgeht, oder sie einen Riss bekommt oder so, und eventuell schießt sie vielleicht sogar pfeifend durch den Raum dank pneumatischem Rückstoß. Also quasi zwei Mal Schadenfreude (über sein groteskes Missgeschick, dann noch die Puppe dazu). Aber der neue Satz sollte nicht länger sein als der alte (etwa eine Zeile).

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 23.08.2018, 15:58

Danke, Pjotr, ich versuche mal, Deinen Vorschlag umzusetzen.
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birke
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Beitragvon birke » 23.08.2018, 16:00

ich bin zwar sehr krimi-affin, und von daher durchaus einiges gewohnt ;) - aber für dieses eher zum schmunzeln gedachte, scheint mir das am schluss auch etwas hart, pjotrs idee dazu hat durchaus was!
ich muss gestehen, für mich war es ein wenig vorhersehbar ... schon der "kirschrote" mund ließ mich stutzen - dass irgendetwas mit dieser dame nicht stimmt. keine ahnung, wieso, vielleicht weil es so klischeehaft ist? (Was aber durchaus hierher passt.)
eventuell wäre es überdenkenswert, diesen satz "sie starrte an die decke und schwieg" nicht so oft zu wiederholen? ich meine, wenn er einfach einen monolog hält, ohne einschübe, hätte das auch was ;)
die grundidee der geschichte finde ich gut!
lg
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.08.2018, 16:08

Pjotr hat geschrieben:Nur der vorletzte Satz enthält, finde ich, zu brutale Elemente (brennende Zigarette & Bauchnabel), die nicht absurd genug sind, um als Spaßhorror zu wirken.

Jep.
Pjotr hat geschrieben:Ich würde nur diesen vorletzten Satz neu schreiben, vielleicht über eine Ungeschicklichkeit, ...

Ja, gute Idee.

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 23.08.2018, 17:04

Jetzt habe ich eine radikal gekürzte Fassung gebastelt, auch auf Anregung von birke.

Schweigen

„War es schön für dich? Ich habe mich sofort in Dich verliebt, gestern, als ich dich zum ersten mal gesehen habe. Und du, hast du mich auch ein bisschen lieb? Also, für mich war sie schön, unsere erste Nacht. Für dich doch auch, das habe ich doch gespürt, oder? So sag es doch endlich, dass es dir auch Spaß gemacht hat. Sag es mir, komm, sag es mir. Ich will es hören. Verstehst du? Du bist wie alle anderen Weiber, die ich schon bei mir im Bett hatte. Die Nacht mit mir genießen, aber am Morgen kein nettes Wort. Kein Lob, kein Dank. Sag endlich, dass ich toll war, dass ich dich geil gemacht habe, sag es doch. Ist das denn so schwer? Ehrlich, da soll einer die Frauen verstehen. Irgend etwas mache ich falsch, wenn ich nur wüßte, was?“

Traurig zieht er den Stöpsel aus der Puppe, zischend entweicht die Luft, dann rollt er das schlaffe Stück Plastik zusammen, legt es in einen Karton und schiebt diesen unter das Bett.

Besser ???

Vielen Dank für Eure Kommentare, das hilft!
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Beitragvon Pjotr » 23.08.2018, 18:09

Vom Genre her hat mir die erste Version besser gefallen.

Das Ende ist jetzt halt recht traurig, und zu ausführlich beschrieben für eine Pointe (wenn es noch eine sein soll?).

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Beitragvon birke » 24.08.2018, 00:09

also, das ist mir auch zu radikal gekürzt, die dramaturgie ist in der ersten version besser; dieses verliert etwas an biss und witz... wirkt so eher traurig-komisch.
vielleicht probierst du ein zwischending?
lg
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Beitragvon Cicero » 24.08.2018, 11:41

Tja, hilft ja nichts, da muss ich wohl nochmals an die Puppe ran. ;o)

Danke Euch!
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Beitragvon Mucki » 24.08.2018, 17:23

Hallo Franz,

vielleicht so, mal als Idee? Wo ich geändert habe, ist es fett gedruckt oder gestrichen.
Saludos
Mucki

Schweigen

Sie lag auf dem zerwühlten Laken. Ihr kirschroter Mund war weit geöffnet. Mit ihren großen dunklen Augen starrte sie an die Zimmerdecke.

Er saß auf der Bettkante und betrachtete die vielen brennenden Kerzen im Zimmer. Seine Hand streichelte über ihre großen Brüste, glitt zärtlich über ihren makellosen Körper und endete in ihrem noch feuchten Schoß.

„War es schön für dich?“, fragte er leise und lächelte verlegen.

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„Ich habe mich sofort in Dich verliebt, gestern, als ich dich zum ersten mal gesehen habe. Und du, hast du mich auch ein bisschen lieb? Ich hab es uns doch so romantisch hier gemacht.“ Seine Stimme war zärtlich und sanft.

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„Also, für mich war sie schön, unsere erste Nacht. Für dich doch auch, das habe ich doch gespürt, oder?“

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„So sag es doch endlich, dass es dir auch Spaß gemacht hat“, seine Stimme wurde jetzt merklich rauer. „Sag es mir, komm, sag es mir. Ich will es hören. Verstehst du?“

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„Du bist wie alle anderen Weiber, die ich schon bei mir im Bett hatte.“ Seine Stimme war jetzt scharf, böse und laut. „Die Nacht mit mir genießen, aber am Morgen kein nettes Wort. Kein Lob, kein Dank. Sag endlich, dass ich toll war, dass ich dich geil gemacht habe, du Schlampe.“

Sein Blick wurde wirr, seine Stimme überschlug sich.

„Sag es, oder ich werde sehr wütend werden." muss dir, wie allen anderen Weibern die ich vor dir hatte, sehr, sehr weh tun.“

Sie starrte an die Decke und schwieg.

„Du bleibst stumm? Ich habe dich gewarnt!" Ich muß dir weh tun, verstehst du, ich muss, ich muss, ich muss!“

Er nahm eine der Kerzen und schleuderte sie auf sie.
"Pffff!", machte die Puppe und platzte ihm ins Gesicht.
die brennende Zigarette und drückte sie in ihrem Bauchnabel aus.

Zischend entwich die Luft aus der Puppe.

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Beitragvon Cicero » 24.08.2018, 23:34

Die Kerze hat was, Gabi!

Am Wochenende gehe ich mit meiner Puppe in Klausur. ;o)

Herzlich,
Franz
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