Herzlich willkommen

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Kurt
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Beitragvon Kurt » 10.07.2019, 17:42

Herzlich willkommen,

sagt mir mein Notebook,
als hätte es eine
eigene Identität;
gelegentlich verweigert
es mir den Zugang,
will mein Passwort wissen.

Ich fluche: „Leck mich“.
Es nützt nichts,
ich muss gehorchen.

Was denkt sich Herr Descartes?
(so nenne ich meinen Laptop)

Er schaut mich an, durchs Display,
wie durch ein Reagenzglas von innen
und ich wie ein Gott von
außen auf ihn herab.

Ich kenne seine Gedanken
aus meiner Eingabe:
„Ich denke, also bin ich.“

Das hatte sich der echte
Descartes zugeschrieben.

Aber meiner kann gar nicht
Denken - und ist doch.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 11.07.2019, 01:46

„Ich denke, also bin ich.“

Meines Unwissens nach wollte Descartes damit keineswegs sagen, dass nur Denkendes existieren kann. Auch Nichtdenkendes kann existieren.

Er wollte lediglich sagen, dass das eigene Sein keine Illusion, sondern eine Tatsache ist, weil selbst die Illusion etwas existierendes ist. Ein Gedanke an sich ist schon etwas. Ein Gedanke ist nicht nichts, also ist da etwas.

Ob dein Laptop existiert, ist nicht die Fragestellung des Laptops, sondern deine Fragestellung. Dein Laptop könnte ein Objekt in deinem Traum sein. Je nach dem, wie man die Wirklichkeit definiert, können Traumobjekte tatsächlich sein oder auch nicht. Das ist die Problematik, die Descartes und andere Philosophen damals beschäftigt hat. Was können wir über unsere Existenz sicher wissen? Ein denkendes Wesen kann sich nicht sicher sein, ob alles nur eine Illusion ist oder nicht. Aber zumindest ist gewiss, dass die Gedanken existieren. Das meinte wohl Descartes.

Ich meine ja, dass Descartes noch nicht skeptisch genug war ob des Minimums des sicheren Wissens. Manche Denker verneinen sogar jegliches sichere Wissen. Das finde ich wiederum zu skeptisch. Ich bin zur folgenden Feststellung gelangt: Das "Ich" ist eine Empfindung, eine "Ich"-Empfindung, und sagt nichts über eine spezielle Ich-Existenz aus. Eine Ich-Existenz könnte also ein illusorisches Konstrukt sein. Aber die Empfindung an sich ist durchaus etwas. Demnach wäre "Etwas denkt, also ist etwas" eine sichere Aussage. -- Dann das "Denken", was ist das? Das kann auch eine Illusion sein. Also streichen. Der auf die letzte sichere Wahrheit destillierte Satz lautet somit: "Etwas ist, also ist etwas." Ohne Zirkelschluss: "Etwas ist."

Kurt
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Beitragvon Kurt » 11.07.2019, 02:44

Es gibt ein schönes Lied von Claudia Jungk, „Wo kommen die Träume her“.
Ich habe meine in meinem Laptop programmiert. Aber es sind nicht seine Gedanken. Nun könnte sich herausstellen, dass Descartes Gedanken ebenfalls fremden Ursprungs sind, er als „Denkendes Etwas“ gar nicht existiert.

LG Kurt
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Beitragvon Pjotr » 11.07.2019, 03:24

Eben. Was ist "Er", was ist "Ich"? Man weiß es nicht. Man weiß auch nicht, wo das "Denken" zu verorten ist, geschweige denn, ob Raum und Zeit überhaupt nur Konstrukte sind. In diesem Satz der letzten Gewissheit von Descartes streiche ich deshalb das "Ich" und das "Denken". Diese zwei Sachen sind nicht gewiss. Da bleibt nur noch das Etwas. Es ist nicht alles Nichts. Das ist sicher.

Ach ja, noch eins ist sicher: Dass dieses Etwas vielgestaltig ist. Wäre es eingestaltig, also wäre alles das gleiche, dann wäre es wiederum das Nichts, weil es sich ja dann von nichts unterscheidet.

Vor einigen Jahren in einem philosophischen Forum, wo auch Lisa damals war, gab es lange Debatten zu diesem Thema. Himmel, wie die Zeit vergeht, das ist auch schon wieder 15 Jahre her ...

Kurt
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Beitragvon Kurt » 11.07.2019, 06:43

„Ach ja, noch eins ist sicher: Dass dieses Etwas vielgestaltig ist. Wäre es eingestaltig, also wäre alles das gleiche, dann wäre es wiederum das Nichts, weil es sich ja dann von nichts unterscheidet.“ (Pjotr)

Ja, daran erkennt man schon, unser Problem sind wir selbst; wir wollen über die Wirklichkeit philosophieren, und noch bevor dies geschieht drücken wir ihr unseren Stempel auf, indem wir nach dieser Vielgestaltigkeit suchen bzw. diese voraussetzen, weil wir es uns nicht anders vorstellen können. Aber wir können nun mal nur mit unserer Logik denken und machen manchmal Entdeckungen, mit denen wir die bisherigen Vorstellungen von der Wirklichkeit revidieren und gegebenenfalls korrigieren können. Das geschieht meist indirekt.

Es gibt auch immer mal wieder Philosophen, die etwas anschaulich darlegen, z. B., dass es diese Welt nicht gibt. So Markus Gabriel. Er meint natürlich, dass es sie so nicht geben kann, wie wir uns das gerne vorstellen, das Universum wie einen riesigen Behälter in dem alles drin ist. Gabriel sagt, würden wir eine Liste anfertigen und die Liste würde alles enthalten, was drin ist, würde die Liste fehlen; wir müssten also noch eine Liste von der Liste anfertigen und endlos so weiter. Eine interessante Überlegung, die uns dazu führt, dass jene Vorstellung von unserer Welt falsch war.

LG Kurt
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Beitragvon Pjotr » 11.07.2019, 07:05

Noch eine Variante zu jener Idee mit der Liste: Schreibe ein Buch, das die Welt vollständig beschreibt. Wenn du fertig bist, ergänze es noch mit der Beschreibung selbigen Buches, denn es gehört ja auch zur Welt. Das nun ergänzte Buch muss nun abermals neu beschrieben werden und so weiter.

Philosophieren bedeutet für mich, Fragen zu stellen. Am besten solche, die zu Problemlösungen inspirieren. Der Wirklichkeit einen Stempel aufzudrücken, halte ich für unphilosophisch und auch unwissenschaftlich. Ich halte alle empirischen und ontologischen Aussagen für unbewiesene Thesen, ausgenommen die Aussage "Etwas ist, und es ist vielgestaltig" (diese Info ist noch zu winzig, um einen Stempel gestalten zu können). Wir müssen also fast immer mit Theorien arbeiten. Einige sind dankenswerterweise sehr robust.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 11.07.2019, 08:02

Wir stellen Fragen an die Wirklichkeit, beantworten sie uns aber selbst. Und unsere Fragen haben bereits einen Inhalt. Würde die Wirklichkeit sich uns ungefragt mitteilen, welches Bild sie von sich hat, könnte es sein, dass wir es gar nicht verstehen würden. Wir scheitern ja bereits am Zwillingsparadoxon.

LG Kurt
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Beitragvon Kurt » 11.07.2019, 09:04

Na gut, aber nun mal zurück zu meinem Gedicht. Es soll ja ein belustigendes sein. Und m. E. kann es so stehen bleiben. Denn mein PC hat ja den descartischen Gedanken in sich, ohne den selbst zu denken. Und ich habe ja manchmal von meinem PC den Eindruck, er hätte ein Ich.

Was du da denn noch über Descartes Denken sagst, spielt für das Gedicht keine Rolle und das Descartes damit nicht sagen will, etwas das nicht denkt, existiere deswegen nicht oder so.

LG Kurt
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Beitragvon Kurt » 11.07.2019, 12:10

So, jetzt sitze ich an meinem Notebook, und brauche nicht mit dem Smartphone posten, und habe auch mehr Zeit. Nächste Woche ist dann erst mal Schluss mit Dichten. Aber was mich nun doch interessiert, was hier vor fünfzehn Jahren abging. Sind sie alle schreiend davon, als du, Pjotr, sie mit deiner Philosophie genervt hast :x: oder war es mal ein Philosophieforum?

LG Kurt :DD:
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Beitragvon Pjotr » 11.07.2019, 13:14

Nein, ich war es, der schreiend davon gelaufen ist. Aber nicht wegen dieses Themas; hierzu gab es gute, fruchtbare Diskussionen mit klugen, kritischen Beteiligten. (Lisa war in dem Bereich übrigens nicht beteiligt; sie war eher in der Literaturabteilung unterwegs.)

Ich kann mich nicht mehr an alle Gründe erinnern, warum ich da raus bin. Ich erinnere mich aber noch an einen Platzhirsch, der jedem meiner Sätze grundsätzlich schlechtes unterstellte, selbst in neutralen Alltagsthemen. Ich kenne diese Art von Alphamännchen noch aus der Grundschule. -- Das Forum gibts noch und heißt "Philosophie-Raum" oder so ähnlich.

Warst du nicht auch da? Du bist doch auch überall :-)

Kurt
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Beitragvon Kurt » 11.07.2019, 13:52

Ich stand mal vorm Tor beim Blauen Salon. Da gab es eine grüne und rote Ampel. Die Ampel war gerade rot, d. h. keine Aufnahme neuer Mitglieder.
Außerdem musste man unbedingt mitarbeiten. Das wollte ich nie.

LG Kurt
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Beitragvon Pjotr » 11.07.2019, 14:07

Bei Ralfchen habe ich dich mal gesehen, in diesem ehemaligen G-4-W-Dingens. Da war ich mal vor ein paar Jahren, ganz kurz nur, für zwei Wochen oder so.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 18.07.2019, 07:59

Kamst du, Pjotrs Gedanke, dass etwas ist, nun aus dem Nichts? Wenn ich sage, nein, dann ginge ihm also etwas voraus, und dem etwas, welches voraus ging, ebenfalls, usw., ein unendlicher Regress also. Sage ich, ja, der Gedanke käme aus dem Nichts, bringt es mir logischerweise nichts, denn es ist für mich undenkbar. Wie ist es aber wirklich? An meinem Beispiel erkennt man schon, man verstrickt sich in Widersprüche und Paradoxien. Oder man bezeichnet das Nichts als Nichtseiendes und den Gedanken als nichtseienden.
Dann könnte ich ihn mir vorstellen als ein noch ungelegtes Ei, welches ja nicht wirklich existiert.

Warnung! : War nur mal so ein Gedanke. ;):

LG Kurt
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Beitragvon Pjotr » 18.07.2019, 13:46

Du, Kurts Gedanke, sprichst jetzt vermutlich über die weit verbreitete Annahme, jede Wirkung habe eine Ursache, also, dass jeder Vorgang kausal sei. Ich habe gelernt, diese Annahme ist lediglich ein Gedanke, keine bewiesene Tatsache, zumal in quantenphysikalischen Versuchen akausale Vorgänge sogar empirisch beobachtbar sind. Da passieren Sachen völlig spontan, ohne vorausgehendes Ereignis. Auch die Urknalltheorie beginnt ja mit einer reinen Spontaneität, ohne Fußtritt. Ich musste auch erst im hohen Alter von 40 Jahren durch Kants "Kritik der reinen Vernunft" lernen, dass ich mir die ganze Vorstellung von Kausalität all die Jahre unbewusst selbst zusammengebastelt hatte. Ich war mir bis dahin absolut sicher, dass alles in der Welt wie ein Uhrwerk deterministisch sei. Die Hinweise bezüglich der Heisenbergschen Unschärfe etc. kannte ich noch aus der Schule, aber damals sagte ich einfach, dass bei akausalen (ursachenfreien) Ereignissen eben das plötzliche Auftreten einer Akausalität die Ursache sei. Dieses Argument zieht aber nicht, es verschiebt die Problematik nur um einen Schritt nach hinten: Das plötzliche Auftreten einer Akausalität ist ja selbst wiederum akausal.


Ahoy

P.


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