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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Epiklord
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Beitragvon Epiklord » 16.07.2025, 16:57

Du erbaust ein Gebäude

mit einem langen Kellergang
nach deinem Plan drei Meter breit

Nun schaust du dir dein Gebäude an
blickst in den Gang Was siehst du
Einen Tunnel der zum Ende enger wird
vielleicht unheimlich erscheint

Wir leben in einer Scheinwelt
in einem Rausch von Farben
und Heißblut
Wehe wenn uns die Kälte
der Wirklichkeit erfüllte
Du entnimmst sie
deinem Bauplan deines Hauses
sie offenbart sich in den
nackten Material- und Maßangaben

Ohne Farbsehen würdest du jede
Ampel bei Rot überfahren

ohne perspektivisches Sehen
in eine andere Dimension fallen

ohne ein unheimliches Gefühl
der Angst vor den Ratten enthoben

und
aus deiner real erlebten Welt

bis du im Dunkeln von einer Ratte gebissen würdest
Licht anknipst
und rotes Blut siehst

Danach würde dir klar
Deine Scheinwelt ist Bestandteil
Der Wirklichkeit

Siehst du als Lyriker den Mond scheinen
So wird der Naturwissenschaftler behaupten
Der Mond scheint nicht

Die Wahrheit ist aber
Er scheint tatsächlich
wenn auch nicht selbst
Genauso wie es Schatten gibt

Und unsichtbare
Dunkle Materie
Und es die Liebe gibt
Auch wenn man sie nicht sieht


AhrensEnno_ScheinweltA.jpg
AhrensEnno_ScheinweltA.jpg (247.79 KiB) 76 mal betrachtet
Zuletzt geändert von Epiklord am 19.07.2025, 17:42, insgesamt 3-mal geändert.

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OscarTheFish
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Beitragvon OscarTheFish » 19.07.2025, 14:00

45 mal betrachtet - geheimnisvolle Zahl. Die Erweiterung der visuellen Eindrücke kann erfolgen durch Phänomene der Optik. Wie schnell muss ich mich auf eine rote Ampel zubewegen, damit sie grün zeigt? (optischer Dopplereffekt) Geschwindigkeitsunterschiede und der Wechsel einzelner Bezugspunkte können einen aus der bekannten Welt reißen und den Alltag relativieren. Manchmal auch durch das Tor der Erkenntnis. Manchmal - wie im Gedicht beschrieben (so wie ich es empfange und interpretiere) - beginnt der Prozess der Erkenntnis durch Hinterfragen von Gewohnheiten, das entspricht einer nur momentanen Sprengung der Matrix. Das kann dann allerdings erinnert werden wie ein Urknall, der im Vakuum schweigt.
Ein paar ausgewählte Werke zur Stillung weiterer Neugier:
AKUTES ABDOMEN, OBWOHL WIR BLIND SIND, SCHMUSEREI, MUCH ADO ABOUT FUJI.
Gedichte von: Der beste Dichter der Welt und XRayFusion.

Epiklord
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Beitragvon Epiklord » 19.07.2025, 16:49

Ja, ich hab das Gedicht noch erweitert. Man sollte den Schein nicht vom Sein trennen, denn er ist Bestandteil oder Eigenschaft der Wirklichkeit.


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