Gewöhnlich, heißt's, wer Bücher mag, genießt
die Frage, welchen Autor er gern liest.
Nicht so bei mir – nein, mich bringt diese Frage
so oft sie kommt, in eine fiese Lage.
Ja, fragt man mich, dann steh' ich, und erröte
denn meine Gunst gilt ausgerechnet – Goethe!
Goethe! -- Den nun wirklich jeder nennt
der weder ein Gedicht noch einen Dichter kennt!
Du giltst als tiefen Sinns und hoch gelehrt,
sagst Du, Novalis sei dein Steckenpferd.
Sag "Shakespeare", und Du findest Sinnverwandte
und wenn Du glänzen willst, dann sagst Du einfach "Dante!"
Sagst Du "de Sade!", dann will man, dass Du dich entfernst
doch Goethe? Goethe?! -- damit nimmt dich keiner ernst!
Wär's doch der Hölderlin, den kaum einer versteht!
Irgend ein and'rer, längst vergessener, Poet.
Liebt' ich doch Wagners pathetisches Getröte
Brecht! Heine! Schiller! -- Alles außer Goethe!
Das trieb mich lange um, doch dann ward' ich gescheit:
Wenn jeder das so sieht, bin ich die Minderheit!
Seht mich! Den letzten Goethe-Fan des Landes!
Querkopf! Rebell! Das Herz des Widerstandes!
Wenn mich jetzt einer fragt, dann bleib' ich hart:
Ja, ich mag Goethe – ich gehör' zur Avantgarde!
Das Goethe-Problem
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