Warum Karl kein Buch schrieb II

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 03.10.2006, 14:59

Hallo Leute,

dies ist der zweite Teil der Geschichte "Warum Karl kein Buch schrieb"; den ersten Teil findet man hier:

http://www.blauersalon.net/online-liter ... 0989#30989

Alles Gute

Merlin

*********************************


Mit schweren Schritten trabte er weiter den Weg herab, als es an einer Kehre wieder aus dem schwarzen Wald rief: „Schu-hu“. Da hob er den Kopf und blickte eine Weile um sich; als er aber die Ursache des Lautes nicht ausmachen konnte und seinen Lauf fortsetzen wollte, da rief es zum dritten Mal: „Schu-hu“, und mit eben diesem kam ein Kauz aus dem Wald geflogen, setzte sich auf einen Ast, der ein Stück über den Weg hing, und sah ihn an.
„Du schaust bekümmert, Junge. Sag, was ficht dich an?“
Und Karl, der über solche Anteilnahme viel zu froh war, als dass er sich an der Art des Anteilnehmenden hätte stoßen können, erzählte, dass er ja eigentlich gerne schreiben wolle, und auch Ideen habe und die Worte, dass ihm aber jedes Mal, wenn er beginne, ein Herr käme und ihm alles zunichte mache, und dass er darüber auch schon ganz wirr geworden sei und selbst schon nichts mehr denken könne.
Da verdrehte der Kauz seinen Kopf, wie nur Käuze ihren Kopf verdrehen können, und sprach:
„Im Besorgen dessen, was man mit, für und gegen die Anderen ergriffen hat, ruht ständig die Sorge um einen Unterschied gegen die Anderen. Das Miteinandersein ist – ihm selbst verborgen – von der Sorge um diesen Abstand beunruhigt. Je unauffälliger diese Seinsart dem alltäglichen Dasein selbst ist, um so hartnäckiger und ursprünglicher wirkt sie sich aus. Das Belieben der Anderen verfügt über die alltäglichen Seinsmöglichkeiten des Daseins. Diese Anderen sind dabei nicht bestimmte Andere; im Gegenteil, jeder Andere kann sie vertreten. Dies Belieben ist die Durchnittlichkeit; sie wacht als Vorzeichnung dessen, was gewagt werden kann, über jede sich vordrängende Ausnahme. Jeder Vorrang wird geräuschlos niedergehalten. Alles Erkämpfte wird handlich. Jedes Geheimnis verliert seine Kraft.
Wenn sich das Dasein sein eigenes Sein erschließt, dann vollzieht sich dieses Entdecken immer als Wegräumen der Verdeckungen und Verdunkelungen, als Zerbrechen der Verstellungen, mit denen sich das Dasein gegen es selbst abschließt. Wegräumen und Zerbrechen.“ betonte er noch einmal und schwieg.
Karl war tief beeindruckt. „Ist das so?“ fragte er, „Und wollen Sie das für mich besorgen?“
Der alte Kauz wurde sehr ernst. „Ich kann dir zur Seite stehen, austragen musst du das alleine. Aber ich will dich einstweilen begleiten, wenn es deinen Mut hebt.“
„Das wird es ganz gewiß.“ antwortete Karl, und damit flog der Kauz auf und setzte sich auf seine Schulter, von wo aus er mit hochherrschaftlicher Miene die im Lauf vorbeiziehenden Bäume betrachtete. Zuweilen warf Karl ihm einen scheuen Blick zu; dieser Vogel war ihm sicher wohlgesonnen, doch für wie lange? Schließlich wusste er nicht, wo der Herr anzutreffen war, und der Gedanke, so die sicher kostbare Zeit seines Verbündeten zu verschwenden, wurde ihm zur Last. „Keine Sorge.“ erklärte der Kauz unvermittelt in seine Gedanken, „Er wird nicht lange auf sich warten lassen.“
Und tatsächlich erwartete er sie schon am Waldrand.
Als er den Kauz auf Karls Schulter sah, rümpfte er die Nase. „So, hat der Schreiberling zum Federvieh gefunden.“
Der Man hielt den Blick gesenkt, wiederum war es unmöglich, sein Gesicht zu sehen, und doch war es, als ob der Kauz mit seinen scharfen Augen ihm direkt in die seinen sah, denn der Man geriet in wachsende Verwirrung und Erregung.
„Und wie er mich anglubscht, hat er ihm gewiß sein Leid geklagt, wie böse ich ihm seinen Schund zerrissen habe.“ Er wandte sich an den Kauz.
„Ich muss schon sagen, eines feinen Gesellen Advokat sind Sie da geworden. Ein fauler Hund, noch keine Zeile hat er zur Papier gebracht und sucht jemand, dem der die Schuld dazu andichten kann! Freilich, Andichter gibt es mehr als Dichter. Ich habe ihm mit meinem Rat zur Seite gestanden, von Anfang an habe ich ihm Ratschläge erteilt, fragen Sie ihn nur, ob er mir einen nennen kann, der nicht gewichtig war! Genug, ich habe noch zu tun. Es gibt ja, mit Verlaub, noch Schreiberlinge auf der Welt, die guten Rat zu schätzen wissen. Guten Tag.“
Und in einer Bewegung rückte der Herr seinen Hut zurecht, wandte sich um und ging mit raschen Schritten fort.
Karl, der sich die Bedeutung des Geschehenen nicht recht einzuschätzen getraute, drehte sich fragend nach dem Kauz um. Dieser schüttelte den Kopf um jene Winkel, zu denen allein Käuze fähig sind. „Nur der Anfang.“ verkündete er, indem er sich aufplusterte und seine Flügel spreizte. „Hinterher.“ sagte er noch „Du kannst ihn nur besiegen, wenn du ihn erkennst.“ Dann flatterte er davon und verschwand alsbald im aufkommenden Schneegestöber.
Ohne zu wissen, was und warum er da eigentlich tat, beeilte Karl sich, die Richtung einzuschlagen, nach der der Man sich entfernt hatte. Anfangs fiel es ihm noch leicht, im frischen Schnee seiner Spur zu folgen, doch schon bald wurde es schwierig, sie von der Vielzahl anderer zu scheiden, in die sie sich mischte. Glücklicherweise wurde er, ehe ihm diese Aufgabe unmöglich wurde,
einer Silhouette gewahr, die er mit einiger Wahrscheinlichkeit als die des Herrn erkannte. Aber auch diese wurde von dem anschwellenden Schneetreiben bis zur Ununterscheidbarkeit zunehmend verhüllt, so daß er seine Schritte immer wieder beschleunigen mußte, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, zumal sein Tempo dem Verfolger fast den von der Kälte ohnehin schon gehemmten Atem raubte. Erschwerend hinzu kam seine völlig planlos erscheinende Wegwahl; eine Weile mochte er auf breiter Straße gerade Bahnen ziehen, um dann doch, wenn Karl den Blick ein wenig senkte, um sein Gesicht vor den Zusetzungen des Windes zu schützen, scharf in irgendeine winzige Gasse einzubiegen. Eine Richtung war seinem Gang nicht zuzuweisen, nicht einmal eine grobe, und bisweilen schien es Karl sogar, als passierten sie dieselbe Stelle schon zum zweiten oder dritten Mal. Die Spuren gaben ihm in dieser Frage keinen Aufschluss mehr, denn sie wurden zugeschneit, ehe Karl bei ihnen anlangte. Er war der ganzen Sache schon fast überdrüssig, als er, keine halbe Minute hinter dem Herrn, um eine Ecke auf einen kleinen, von einer Mauer umsäumten Platz trat und diesen leer vorfand.
Im Bewusstsein, dass jede weitere Verzögerung für seine Zwecke leicht fatal sein konnte, begann Karl, ihn fieberhaft nach Lücken und Verstecken zu durchforsten. Eine ganze quälende Weile lang fand er nichts. Erst als er mit zunehmender Verzweiflung die Mauer zum dritten Mal abging, gewahrte er auf dieser einen auf den Boden gerichteten Pfeil; er deutete offenbar auf einen runden Kanaldeckel, der hier in den Boden eingelassen war und durch Karls Fußabdrücke hindurch gerade zu erkennen war.
Es war ganz und gar nichts daran zu finden, was besondere Aufmerksamkeit verdient hätte; der Deckel lag gerade so und da, wie solche Deckel eben immer lagen. Eher ungehörig schien da der Pfeil, der da willkürlich einen so ganz und gar harmonisch eingepassten Teil aus seinem Ganzen auswies. Davon abgesehen bewegte sich die Vorstellung, diese Erscheinung möchte etwas mit dem Verschwinden des akkurat behuteten Herrn zu tun haben, in gefährlicher Nähe zur Verrücktheit. So musste Karl sich erst eine Weile überwinden, ehe er den Schnee herunterwischte und – denn dies erschien ihm, wenn der Deckel eine Art von Eingangspforte sein sollte, adäquat – anklopfte. Freilich überkam ihn fast im gleichen Augenblick die Scham über seine Torheit, und er hatte sich schon halb zum Gehen abgewandt, als geöffnet wurde. Der Deckel schwang an einem seitlich befestigten Scharnier wie eine Türe auf und ein Herr in einer altmodischen Portieruniform, augenscheinlich nicht der Gesuchte, steckte seinen Kopf heraus. „Was möchten Sie?“ Karl drängte seine Verblüffung mit Rücksicht auf die Dringlichkeit seines Fortkommens zurück. „Hinein.“ antwortete er knapp. „Hinein? Ja sind Sie denn zugangsberechtigt?“ „Das weiß ich nicht.“ gab Karl zurück, ehe er sich darüber klar wurde, wie töricht eine solche Antwort war. „Er weiß es nicht!“ rief der Portier aus. „Er weiß es nicht! Und jetzt verlangt er am Ende gar von mir, dass ich es weiß – woher sollte ich? Habe ich Sie je vorher gesehen? Ihr Glück, dass heute nicht viel zu tun ist – die Gäste sind letzthin ein wenig rar geworden – und die Kälte mich ohnehin gerade zu etwas Bewegung trieb. Ich werde mich also für Sie erkundigen – bitte beachten Sie aber, dass dies durchaus nicht zu meinen Aufgaben gehört.“ Damit verschwand er über eine Wendeltreppe. Karl begann, mit zunehmender Ungeduld auf seine Rückkehr zu warten. Die Entdeckung des Deckels war zwar eine günstige Wendung gewesen, doch konnte dieser Vorteil durch gedehntes Warten leicht zunichte werden. Und was sollte man von einer derart nachlässigen Einlasskontrolle halten, als dass der Portier nur der Wirkung halber hier postiert worden war? Als nach fünf Minuten kein Zeichen vom Portier zu sehen war, stieg er hinterher.
Die Treppe war nicht beleuchtet, und als nach der zweiten Wendel das Tageslicht nicht mehr durchdrang, tappte Karl im Dunkeln. Schon fragte er sich, wie lange er so völlig ohne Sicht auf diesen schlüpfrigen und engen Stufen würde gehen müssen, als der Abstieg unvermittelt früh und neonlichthell zuende ging. Er blickte nun auf einen schnurgeraden Flur, von dem rechts und links einige kleinere, am anderen Ende aber eine riesige, sicher gut drei Meter hohe Türen abgingen. Karl wusste die Stellung des Herrn in dieser Einrichtung nicht abzuschätzen, mutmaßte aber, dass man ihm hinter dieser doch offenbar dem Bedeutendsten vorbehaltenen Türe jedenfalls würde Auskunft über seinen Aufenthalt geben können und ging raschen Schrittes auf diese zu. Er hatte bereits den halben Flur durchmessen, als er zu seiner Rechten eine halboffene Tür gewahrte, die die Aufschrift „Archiv“ trug. Aus Neugier, was es hier wohl zu archivieren gab, und da er seine Suche ebensogut hier wie anderswo beginnen konnte, durchschritter sie und fand er sich unvermittelt in einem ungeheuren Magazin; knapp fünfzig parallele Regalreihen, jede ein gutes dutzend Meter hoch, teilten den Raum in schmale, gerade passierbare Gänge, deren Ende nicht zu sehen war. Sie waren angefüllt mit schwarzen Aktenordnern, nein, das traf es nicht, überfüllt waren sie, manche Ordner standen so weit heraus, daß ihr Fall jeden Augenblick zu erwarten war, über den Reihen lagen sie quer gestapelt, und auf den obersten Regalbrettern türmten sie sich gar so hoch, daß die obersten bereits mit großer Kraft zwischen die übrigen und die Decke geschoben worden sein mußten. Wie näheres Hinsehen ihn lehrte, waren die Regale, wie auch die einzelnen Bretter, mit Daten versehen.
Auch das heutige Datum, der 1. Dezember hatte seinen Platz, dem Karl sich gleich zuwandte. Selbst die hier versammelte Menge war noch erklecklich, doch schließlich fand er einen Ordner, auf dessen Rücken sein Name stand, zusammen mit der Notiz, die „letzte Aktualisierung“ sei heute um 13.00 erfolgt.
Als Karl ihn aufschlug, fand er darin alles bisher Verworfene versammelt, neben seinen ersten Sätze und den vier Charakterskizzen von heute morgen selbst jene, die er schon in seiner Wohnung verworfen hatte. Dabei waren einige Ansätze bei genauerer Betrachtung garnicht so übel, lohnten durchaus eine weitere Erwägung und konnten wertvolle Beiträge leisten zu...
„Entschuldigen Sie bitte.“ sagte da bestimmt der Portier neben ihm, nahm den Ordner fort und stellte ihn ins Regal zurück. „Besuchern ist die Einsichtnahme unter keinen Umständen gestattet. Was suchen Sie hier im übrigen überhaupt?“
Karl erwog einen Augenblick, auf dem gefühlten Recht auf Einsichtnahme zu bestehen, befand dann aber, dass, da seine Berechtigung, überhaupt hier zu sein, bereits fragwürdig und sein Recht zum Betreten des Archivs für ihn als ungebetenen Gast äußerst zweifelhaft war, er dies Bestehen auf sehr schwachem Boden würde auszuführen haben und beschied sich daher mit der Erklärung, er wünsche den Herrn zu sehen, der eben hereingekommen sei, oder zumindest (was, so hoffte Karl, als die geforderte „Erkenntnis“ hinreichen mochte) dessen Namen zu erfahren.
„Oh, wie ungünstig Sie es da getroffen haben.“ entgegnete der Portier „Gerade war er noch im Hauptbüro am Ende des Ganges, doch eben erst ist er fort.“ Dessen ungeachtet nahm er Karl beim Ärmel und zog ihn vor die betreffende Tür. „Hinein können Sie da nun freilich nicht, aber der Name, den Sie so unbedingt zu kennen wünschen, steht oben, über der Türe – sehen Sie?“
Tatsächlich war deutlich zu erkennen, dass da eine Inschrift stand, die zu entziffern aber schon alleine aufgrund ihrer geringen Grösse von hier unten ganz unmöglich war. „Können Sie mir den Namen nicht einfach nennen?“ fragte Karl. „Ich könnte schon; aber es wird nichts nutzen. Sie werden ja doch nachsehen; solche wie Sie sehen immer nach. Hier, nehmen Sie nur.“
Damit stellte er eine Leiter an die Türe, deren oberes Ende jenseits des von den Neonleuchten erhellten Bereichs lag und im Dunkel unsichtbar war. Karl zögerte noch einen Augenblick, dann sagte er dem Portier seinen Dank, den dieser ungerührt zur Kenntnis nahm, und kletterte zum Türbogen hinauf. Zu seiner Enttäuschung war von der Inschrift auch aus der Nähe nichts weiter zu erkennen, als dass sie mit einem „M“ begann. „Nun?“ fragte der Portier von unten. „Ich kann es nicht erkennen.“ gab Karl zurück „Es ist zu dunkel hier.“
„Ich hätte es mir denken können.“ kam zur Antwort. „Tatsächlich haben es schon einige ohne Erfolg versucht; dennoch lohnt es sich für den gemeinen Verkehr hier einfach nicht, noch eine Leuchte anzubringen – es klettern ja nicht viele da herauf. Vom Hörensagen weiß ich aber, dass der Name sich noch weiter oben findet, wo die Lichtverhältnisse aufgrund der grösseren Nähe zur Sonne günstiger sein mögen; klettern Sie also nur weiter hinauf.“
„Wie soll das angehen?“ fragte Karl, „Die Leiter ist ja zuende!“
„Mitnichten.“ antwortete der Portier und verschwand.
Karl tastete sich nach oben vor und griff zu seinem großen Erstaunen eine Sprosse, die sich eine Armeslänge über seinem Kopf befand; der Portier schien - wenigstens in diesem Punkt – die Wahrheit gesagt zu haben, also beschloss Karl, seinem Rat zu folgen und fuhr fort, zu klettern.
Bald schon zwang ihn die Ermattung, seine Geschwindigkeit zu drosseln; die Leiter wollte kein Ende nehmen, schließlich mochten mehrere Dutzend Minuten sein oder schon Stunden, die er durch die Dunkelheit gestiegen war, längst war auch der Punkt, da seine Kräfte den glücklichen Ausgang einer Umkehr erlaubt hätten, verstrichen, er kletterte nicht mehr, kroch nur noch, wechselweise einen seiner erlahmenden Arme entlastend, immer langsamer, schlich, kroch die Schwärze empor, mit letzten Kräften, den Namen längst vergessen, nur noch heraus hier. Immer wieder rutschten seine zittrig gewordenen Finger von den kalten, metallischen Sprossen, immer wieder konnte er sich nur noch eben so vor einem Absturz retten, der ihm nun als das unvermeidliche Ende seines Unternehmens vor Augen stand. Dann, nach unendlich langer Zeit, als der Gedanke, einfach loszulassen schon vom Schreckgespenst zum guten Freund geworden war, spürte er den Zug von frischer, kalter Nachtluft in den Haaren; er richtete den Blick nach oben, wo ein matter Lichtschimmer ihn eine Öffnung erahnen liess, die von Straßenlaternen beschienen wurde.
Hier war nichts mehr zu finden; und das war ihm recht. Seine Kraft waren am Ende. Durch die Öffnung erkannte er die Fassade seines Zuhauses. Er kletterte hindurch, die Leiter führte bis gerade unter das Fenstersims seines Mitbewohners, das Fenster stand offen, und heraus schaute ihm der Man entgegen. Doch das kümmerte Karl nicht mehr. Erschöpft quälte er sich die letzten Sprossen herauf, schloss die Augen und spürte dankbar, wie die starken Arme des Herrn ihn fassten und hineinzogen. Er warf keinen Blick nach rechts und links, müde schleppte er sich in sein Zimmer und blieb dort stehen, als er die Blicke des Herrn auf sich spürte. Seine Müdigkeit gestattete ihm nicht mehr die Höflichkeit, sich umzuwenden, er sah ihn nicht, hörte nur, wie er sanft sagte:
„Es sind ja schon viele vor Ihnen gescheitert – seien Sie nicht zu enttäuscht.“ Aber davon konnte keine Rede sein; Karl war nichts mehr anderes als müde. Er bat den Herrn, seine kleine Schreibtischlampe, die er beim Verlassen des Zimmers unachtsamerweise hatte brennen lassen, zu löschen und legte sich ins Bett.
Zuletzt geändert von Mnemosyne am 10.10.2006, 15:06, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.10.2006, 19:53

Hallo Merlin,

ich habe dein grenzgeniales Werk nun endlich in Ruhe gelesen und hoffe, dir mit meinen Kommentaren gerecht zu werden, da es sich m.E. um ein ganz besonderes Opus handelt. Ich sehe als Erstes Bezüge zu deinem Text "Analyse dieses Textes". Mir scheint fast, du hättest diese Geschichte hier entweder als Fortführung oder aber die "Analyse dieses Textes" vorher geschrieben, jedoch bereits in Gedanken an diesen hier. Auch hier findet sich die gleiche Absurdität wieder, die selbstironischen Passagen, welche den Leser schmunzeln lassen.

Ich musste jeden Satz zweimal lesen, da du die Idee deines Protags, den 'Detektiven' als Kant-Figur darzustellen, in Form deinen Schreibstils dieser Geschichte á la Kant, sprich ellenlange, verschachtelte Sätze expressiv verbis umgesetzt hast. (Ich hatte das "Vergnügen" mit Kant, allerdings unter erschwerten Bedingungen, nämlich in Latein...).

Sehr gelungen setzt du Metaphern ein, wie z.B. den Kauz (für mich ist es die Eule) als Symbol für die Weisheit. Auch der Abstieg in den Gullideckel als Symbol für den Gang in die Tiefen des Selbst. Das übervolle "Archiv" ist für mich Symbol der 'abgelegten' Erinnerungen. Der Unbekannte im Lokal steht für mich als der personifizierte Selbstzweifel, der Argwohn, der Besserwisser im Geist des Protags, wobei dieser verschiedene Facetten "auslebt" und auftritt, je nachdem, in welcher Situation dieser "Alte" spricht und welche Worte du gewählt hast. Das "versteckte Gesicht" des Alten interpretiere ich als Nicht-Sehen-Wollen, nicht Wahrhaben-Wollen des Protags. Der Alte in der Wohnung hingegen, symbolisiert für mich die Angst des Protags. Somit scheinen mir alle Figuren Persönlichkeitsfacetten des Protags zu sein, welcher sich in seiner eigenen surrealen Welt befindet. Daher die "Sprünge", die bizarren, absurden Begegnungen.

Du beschreibst die Welt zwischen Genie und Wahnsinn, weshalb ich dies als Titel sogar in Erwägung ziehen würde "Zwischen Genie und Wahnsinn", du kategorischer Neudeutsch-Verweigerer ;-)

Fazit: Ein geniales Werk, dessen Tiefe sich nur erschließt, so man sich intensiv darauf einlässt.
Saludos
Gabriella

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 06.10.2006, 15:16

Hallo Magic,

vielen Dank erstens dafür, daß du dir die Zeit zum Lesen genommen hast und dann auch für deine äußerst freundliche Kritik; meine Bilder hast du völlig richtig verstanden, es freut mich, daß der Symbolismus die Intention unbeschädigt gelassen hast (besonders, daß die Ereignisse letztlich die Vorgänge in Karls Psyche wiederspiegeln); der Kauz ist übrigens eng an Heidegger orientiert, was er von sich gibt, sind zum Teil angepasste Zitate aus "Sein und Zeit"; deswegen auch der "Man" (der kein Rechtschreibfehler ist), es bezeichnet bei Heidegger den Menschen in seinem alltäglichen, eingeebneten, trägen Vor-sich-hintrotten, eben den natürlichen Feind des kreativen, originären Schaffens. Daß er der ständige, aber unsichtbare Mitbewohner des Protagonisten ist, zeigt natürlich seine ständige versteckte Präsenz an. Die "Analyse dieses Textes" habe ich in der Tat eine Weile vorher geschrieben - beim Schreiben passieren einige äußerst erwähnenswerte Dinge im Kopf, die zu beobachten mir fruchtbar zu sein scheint - die Analyse und Karl sind beide Ausflüsse dieser Idee.

Eigentlich mag ich die Schachtelsätze, sie erscheinen mir irgendwie tänzerisch, aber wenn sie - was ich gut nachvollziehen kann - den Lesefluss stark beeinträchtigen, sollte ich sie mir vielleicht lieber wieder abgewöhnen - bzw. in Überarbeitungen kürzen, denn so wie sie jetzt sind, kommen sie mir eben in den Sinn, und beim Schreiben ständige Selbstzensur auszuüben ist dem Fortkommen nicht gerade förderlich.


Nochmal Danke, ich hatte wegen der Länge des Textes nicht so schnell (wenn überhaupt) mit einer Antwort gerechnet (obwohl natürlich darauf gehofft)

viele Grüsse

Merlin

P.S.: Kant auf Latein? *schauder

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.10.2006, 15:42

Hallo Merlin,

ich freu mich, dass ich deine Geschichte richtig gelesen habe:-) Dass der Kauz Heidegger spricht, habe ich erkannt, durch die Sprache, die philosophischen Gedanken, die der Kauz von sich gibt.

Zu den Schachtelsätzen: sie gehören irgendwie zu dir, zu deinem, ganz ureigenen Stil. Lass es ruhig dabei, ist es ja auch gerade eine Kunst, diese so zu formulieren. (wie auch in "Analyse dieses Textes).

Ja, Kant auf Latein ist wirklich eine Qual;-)

Hey, mach weiter so!
Saludos
Gabriella

Rala

Beitragvon Rala » 10.10.2006, 18:56

Lieber Merlin,

die Länge hatte mich zunächst abgeschreckt, doch als ich ein wenig reingelesen hatte, habe ich sofort meinen Vorsatz, gestern mal früher schlafen zu gehen, über den Haufen geworfen und mir das Ganze auf einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ich bin restlos begeistert! So viel Sprachbeherrschung, Kreativität und Intelligenz wären manchem aktuellen Bestsellerautor dringend zu wünschen! dass die Sätze so lang sind und dennoch von Anfang bis Ende völlig korrekt und elegant (die zwei, drei kleinen Ausnahmen wirll ich jetzt heir nicht erwähnen, wäre wohl kleinlich), ist ja gerade Teil der Kunst und für mich, die ich selber zu langen Sätzen neige, ein reiner Genuss. Dass es ein wenig altmodisch klingt, wie, wenn ich mich recht erinnere, Nifl bemängelt hat, stört kein bisschen, im Gegenteil, ich finde, unsere heutige Sprache ist im Vergleich dazu schon sehr arm geworden ... Und auch die Geschichte finde ich wundervoll einfallsreich und gut durchkonstruiert ...
Ich könnte noch weiter schwärmen, habe nur leider keine Zeit mehr, daher nur noch so viel: ich wünschte, ich könnte auch so schreiben!

Liebe Grüße,
Rala

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Beitragvon Mnemosyne » 11.10.2006, 13:54

Wow.
Danke!

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.01.2007, 14:31

Lieber Merlin,
habe nun endlich diese Geschichte gelesen, weil mich Friederich und der Engel neugierig genug gemacht hat. Die beiden Geschichten sind ja durchaus ähnlich! Mir gefallen beide.
Sprachlich finde ich "Friedrich und der Engel" etwas gelungener. Dass soll aber nicht heißen, dass ich den Stil nicht mag, im Gegenteil. ich mag verschachtelte Sätze und ich mag diesen altertümlichen Stil, wenn er angebracht ist. Und hier ist er angebracht. Ich finde allerdings, dass er an einigen Stellen noch nicht optimal gelungen ist, an vielen Stellen hinkt der Sprachfluss und das ist gerade bei diesem Stil sehr haarig, da muss es flutschen, weil der Stil Präzision, Intelligenz und Treffischerheit vermitteln will und wenn da einige Sätze nicht rund laufen, haut das raus. Das konnte ich jetzt natürlich nicht alles im Einzelnen anmerken, aber eine Überarbeitung in diese Richtung würde sich wirklich lohnen glaube ich (sozusagen den letzten Schliff verpassen). Ich meine also nicht, dass du den Stil ändern sollst, sondern nur verfeinern.

(besonders gilt dies für die "Weissagung" des Kauzes, die unbedingt noch verfeinert werden muss" um auf mich so tiefgehend zu wirken, wie sie sein könnte. Ist es Einbildung, dass der Rhythmus seiner Worte mich an Kants "Was ist Aufklärung" erinnert? Trotzdem dran feilen)

Auch in dieser Geschichte wimmelt es wieder von Symbolen, manche sind ja schon bekannt (aber so klassisch, dass ich sie gerne immer wieder lese), hier geht es zwar auch um anthropologisches aber vermischt mit "Künstler" werden. Ich weiß von Stifter (da ich weiß, dass er sich in seinem Nachsommer damit an Goethe anlehnt ;-)), dass Goethe irgendeinen bekannten (Wanderjahre??) bekannten Prot hat, der auch einen Berg steigt (symbolisch)...und auf dem Gipfel Erkenntnisse über das Erhabene & Schöne sammelt...an die Tradition shcließt sich dein Text im Auftakt auch an.

Auch einen Konflikt gibt es wieder, zwischen M und Prot, ich hatte ihn ähnlich verstanden wie du in Bezug auf Heidegger beschriebst, kannte das von Heidegger aber nicht. Gefällt mir gut (dafür dann also auch das M?)

Der Kauz bleibt mir am U

Eigentlich müsste für mich die Geschichte ein anderes Ende nehmen, denn natürlich ist es in Reinform unmöglich, was du in deiner Geschichte den Prot. versuchen lässt zu schaffen. Aber Bücher, auch die der "richtigen" Schriftsteller (also die, die es schaffen) entstehen nicht, weil sie das schaffen, was der Prot nicht schafft, sondern sie sind (außer Sach- und Schwachbüchern natürlich) für mich die Dokuemntation des Versuchs - von etwas anderem handeln sie nicht. Daher hat Karl eigentlich doch ein Buch geschrieben, weil er es versucht hat. Natürlich köntne man jetzt die hier vorliegene Geschichte in einer Metaebene hinzuziehen und sagen: Da ist sie ja doch, aber noch genialer fänd ich es dann, wenn der Text in der Ich-Perspektive geschrieben wäre. Denn dann würde Karl bei all seinen Versuchen eben doch ein Buch geschrieben haben, wenn man am Ende des Textes angekommen ist. Ob das eine Überlegung wert ist?

Kleine Anmerkungen (Geschichte 1 & 2 zusammengenommen):


das sei ihm eins, da er sich ja selbst nicht sehen müsse und entschwand, ehe der verblüffte Gassenkritikus etwas erwiedern konnte,


erwidern und Komma nach müsse
Es war leer bis auf einen älteren Herrn, der in einer der hinteren Winkel saß, einen altmodischen Schlapphut, der ihn anderswo als Mafioso ausgewiesen hätte


ich würde sagen: Bis auf einen älteren Herrn mit altmodischem Schlapphut, der in einer der hinteren Winkel saß, war das Cafe leer...angenehmer zu lesen @Satzstellung

Kugelschreiber, dessen Mine er wie eine Messerklinge herausschnappen
ließ und begann, Komma nach ließ

schien: sie war ihm


groß nach Doppelpunkt

selbstständig

nach AR nur ein st


in dem der Leser sich zurechtzufinden erst allmählich lernen mußte

Komma nachzurechtzufinden

Vor Karls geistigem Auge entpuppte sich X zu seinem Entsetzen als motziger Wurzelsepp aus dem tiefsten Bayern.


Herrlich!

Gnadentod

Ich kenne nur Gnadenstoß oder Gnadenbrot (letzteres ist wohl nicht gemeint) ;-)

konzeptionieren


Ich kenne konzipieren und konzeptualisieren, aber deines gibt’s nicht, glaube ich ;-)

Handlung: zeichnen

Doppelpunkt vollständiger satz groß weiter...

zum Raum welcher

Komma nach Raum

verabsäumt
- gibt es das?
Als soll heißen: Gabs das früher? Ich kenn es nicht

stellen: was Sie eigentlich sagen wollen?

Doppelpunkt vollständiger Satz groß weiter

entschied, dennoch

Komma weg

wurde ein aufrechter ein Rationalist, ein Aufklärer,

entweder: wurde ein Aufrechter, ein Rationalist (groß, Komma)
oder: ein aufrechter Rationalist („ein“ weg)

Da verdrehte der Kauz seinen Kopf, wie nur Käuze ihren Kopf verdrehen
können, und sprach:
Hihi, ja, gefällt mir!


Freilich, Andichter gibt es mehr als Dichter.

Weniger wortspielaufdringlich fände ich: Freilich, Andichter gibt es zur Genüge. Die Leser, die deinen Text verstehen, verstehen diesen Hinweis genauso ohne „Erklärung“.

Ohne zu wissen, was und warum er da eigentlich tat


Grammatisch falsch

. Erschwerend hinzu kam

würde ich drehen: Erschwerend kam hinzu

Die Spuren gaben ihm in dieser Frage keinen Aufschluss mehr,


nicht in, bezüglich dieser Frage würde ich sagen



Im Bewusstsein, dass jede


daß (AR)


besondere Aufmerksamkeit verdient hätte; der Deckel lag gerade so und da, wie solche Deckel eben immer lagen.

Dein Stil würde erwarten lassen: eben immer dazuliegen pflegen. Zumindest aber das lagen in ein liegen ändern, sonst ist es kein „immer“ Ausdruck grammatisch



Eher ungehörig schien da der Pfeil, der da willkürlich

Da da - Doppplung

sich schon halb zum Gehen abgewandt, als geöffnet wurde.

Ich würde zumindest ein „doch“ vor geöffnet oder überraschend oder etwas ähnliches, als geöffnet wurde allein wirkt sprachlich seltsam


Der Deckel schwang an einem seitlich befestigten Scharnier wie eine Türe auf und ein Herr in einer altmodischen Portieruniform, augenscheinlich nicht der „Er weiß es nicht! Und jetzt verlangt er am Ende gar von mir, dass ich es weiß – woher sollte ich? Habe ich Sie je vorher gesehen? Ihr Glück, dass heute nicht viel zu tun ist – die Gäste sind letzthin ein wenig rar geworden – und die Kälte mich ohnehin gerade zu etwas Bewegung trieb. Ich werde mich also für Sie erkundigen – bitte beachten Sie aber, dass dies durchaus nicht zu meinen Aufgaben gehört.“


Hier wird spätestens klar, dass zumindest die anderen anders sind als bei Kafka ;-) (Ehrlich gesagt hatte ich null kafka-Assoziation bei deinem Text, da Nifls gefühl da aber ja zu stimmen scheint (weil du daraufd Bezug nahmst), scheine ich es nur nicht zu merken. Aber für mich schreibt Kafka KOMPLETT anders.

engen Stufen würde gehen müssen, als der Abstieg unvermittelt früh und neonlichthell zuende ging.


Stilistisch passender wäre: Als der Abstieg ein unvermitteltes/plötzliches Ende nahm.

seiner Rechten eine halboffene Tür gewahrte, die die Aufschrift „Archiv“ trug.


welche die Aufschrift (stil würde diese Variante bevorzugen, ich übrigens heute noch ;-))

durchschritter sie
durchschritt er sie

manche Ordner standen so weit heraus, daß ihr Fall jeden Augenblick zu erwarten war,

habe ich da ein Wortspiel entdeckt @Fall ;-). Ok, jetzt ist es doch etwas kafkaähnlich (und erinnert mich an deine neuere Geschichte).


aufgrund ihrer geringen Grösse

Größe


von hier unten ganz unmöglich war. „Können Sie mir den Namen nicht einfach nennen?“ fragte Karl. „Ich könnte schon; aber es wird nichts nutzen. Sie werden ja doch nachsehen; solche wie Sie sehen immer nach.

Sehr schön, die Symbolik gefällt mir sehr


„M“ begann.

Aha, dachte ich’s mir doch., der Mitbewohner :-)


der grösseren Näh
e größeren



Lichtschimmer ihn eine Öffnung erahnen liess,


ließ


Verlassen des Zimmers unachtsamerweise hatte brennen


Unachtsam reicht, das ist ne wortvernuschelung ;-)

Das Bett am Ende ist dann ja noch mal kafka, da liegen doch auch immer alle (einschließlich seiner Figuren) im Bett herum. Auch vieles andere (M = K) erinnert mich jetzt dran, ohne dass es aber unangenehm wäre.

Hab ich gern gelesen, ich mag sowas...
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 11.01.2007, 12:05

Hallo Lisa!

Lisa hat geschrieben: Ich finde allerdings, dass er an einigen Stellen noch nicht optimal gelungen ist, an vielen Stellen hinkt der Sprachfluss und das ist gerade bei diesem Stil sehr haarig, da muss es flutschen, weil der Stil Präzision, Intelligenz und Treffischerheit vermitteln will und wenn da einige Sätze nicht rund laufen, haut das raus.


Ja, das stimmt; dieser Stil ist äußerst anfällig. Inzwischen habe ich auch schon einige Male mit kritischem Auge gegengelesen und ausgebessert, allerdings scheue ich mich etwas, den ganzen langen Text noch einmal zu posten - sollte man ihn nicht doch besser austauschen?

Lisa hat geschrieben:(besonders gilt dies für die "Weissagung" des Kauzes, die unbedingt noch verfeinert werden muss" um auf mich so tiefgehend zu wirken, wie sie sein könnte. Ist es Einbildung, dass der Rhythmus seiner Worte mich an Kants "Was ist Aufklärung" erinnert? Trotzdem dran feilen)


Das ist schwierig: was der Kauz sagt, ist O-Ton "Sein und Zeit", der Abschnitt über das "alltägliche Selbstsein und das Man"; die Stelle liefert sozusagen den Interpretationsschlüssel. Ich könnte vielleicht die Stelle ergänzen, auswechseln o.ä.?

Lisa hat geschrieben:Auch einen Konflikt gibt es wieder, zwischen M und Prot, ich hatte ihn ähnlich verstanden wie du in Bezug auf Heidegger beschriebst, kannte das von Heidegger aber nicht. Gefällt mir gut (dafür dann also auch das M?)


Genau.

Lisa hat geschrieben:Der Kauz bleibt mir am U

?


Lisa hat geschrieben:Eigentlich müsste für mich die Geschichte ein anderes Ende nehmen, denn natürlich ist es in Reinform unmöglich, was du in deiner Geschichte den Prot. versuchen lässt zu schaffen. Aber Bücher, auch die der "richtigen" Schriftsteller (also die, die es schaffen) entstehen nicht, weil sie das schaffen, was der Prot nicht schafft, sondern sie sind (außer Sach- und Schwachbüchern natürlich) für mich die Dokuemntation des Versuchs - von etwas anderem handeln sie nicht. Daher hat Karl eigentlich doch ein Buch geschrieben, weil er es versucht hat. Natürlich köntne man jetzt die hier vorliegene Geschichte in einer Metaebene hinzuziehen und sagen: Da ist sie ja doch, aber noch genialer fänd ich es dann, wenn der Text in der Ich-Perspektive geschrieben wäre. Denn dann würde Karl bei all seinen Versuchen eben doch ein Buch geschrieben haben, wenn man am Ende des Textes angekommen ist. Ob das eine Überlegung wert ist?


Dieser unausgesprochene Widerspruch ist schon gewollt: er könnte offenbar schreiben, wenn er einfach anfinge und sich der Herrschaft des Man entzöge. Meinst du wirklich, daß man ihn explizit erwähnen sollte? Ich habe den Vornamen "Karl" u.a. auch gewählt, weil "Carl" mein Nachname ist, um darauf anzuspielen, daß ja eben doch ein Buch (zumindest eine Geschichte) geschrieben wurde, insofern ist die "Ich-Perspektive" irgendwie da. Persönlich finde ich die Ichperspektive immer stilistische etwas unelegant, weil es wenig andere Wörter für "Ich" gibt. Aber ich werde mal über den Vorschlag nachdenken.

"Gnadentod" ist ein altmodischer Ausdruck für Euthanasie.

Lisa hat geschrieben:Ich kenne konzipieren und konzeptualisieren, aber deines gibt’s nicht, glaube ich ;-)


Ich konnte es nicht glauben, schlug nach und fand deine Ansicht bestätigt. Na toll. Jetzt liegt mein Weltbild in Trümmern. :-)

Die "nach Doppelpunkt groß"-Regel habe ich mir jetzt gemerkt. Danke für den Hinweis.


Lisa hat geschrieben:Hier wird spätestens klar, dass zumindest die anderen anders sind als bei Kafka ;-) (Ehrlich gesagt hatte ich null kafka-Assoziation bei deinem Text, da Nifls gefühl da aber ja zu stimmen scheint (weil du daraufd Bezug nahmst), scheine ich es nur nicht zu merken. Aber für mich schreibt Kafka KOMPLETT anders.


Die Ähnlichkeiten liegen wohl auch weniger im Stil - wenn ich wie Kafka schreiben könnte, wäre ich ja glücklich :-) . Aber er steht schon als Quelle hinter vielem: z.B. ist der Prot teilweise dem Karl aus "Amerika" nachempfunden.
Wahrscheinlich kennst du die Kurzgeschichte "Der Geier"; das sagt der Prot, der von einem Mann vor dem Geier gerettet werden will "Ist das so? Und wollen Sie das besorgen?". Daß Karl wörtlich dasselbe sagt, um vom netten Vogel vor dem bösen Mann gerettet zu werden, ist natürlich mehr ein Scherz, aber der Bezug zu Kafka ist schon beabsichtigt.


Lisa hat geschrieben:[quote] „M“ begann.

Aha, dachte ich’s mir doch., der Mitbewohner :-)
[/quote]

Genau. :-)

So, danke für deine stilistichen und sprachlichen Korrekturen, die ich baldigst in eine neue Version einfließen lassen werde!

Viele Grüsse

Merlin

P.S.:
Jetzt weißt du auch, wie der schneebedeckte junge Mann hinter jemandem in einer "altmodischen Portieruniforum", den Friederich in der Bibliothek sieht, heißt. :-)


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