Schwingen und Stein

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 26.10.2006, 21:52

Schwingen und Stein
Diaspora und Heimat

Gemeinschaftsprojekt von Gabriella und Moshe
zum Monatsthema "Heimat"

Wir haben beide abwechselnd Verse geschrieben, die unsere Erfahrungen
zum Thema des Monats wiederspiegeln.

Eine Hörversion wird demnächst erscheinen. Heute jedoch wird Gabriella
ihre deutsch-spanische Variante schon vorstellen.
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Schwingen und Stein

Condor, fliegender Bote, gleitest hinab
zum südlichsten Staub der Erde,
meine Indioseele mir zu bringen.
Schatten belagern mein erstes Licht.
Doch ich durchbreche das Dunkel,
atme dein Geschenk,
dessen wahre Bedeutung
ich noch nicht erahne.



Schau mich an.
Schau mir genau ins Gesicht.
Weißt du, wer ich bin?
Schau mich an.
Ich bin Stein.
Schau genau hin, sieh es.
Ich bin Stein von Jerushalajim.
Ich bin Jerushalajim.


Dorfshyänen lachen mich schrill ins Abseits.
Geschnürt verweigere ich meine Lippen.
Herzlose Tropfen weißen Saftes.
Brennender Sand nur angehaucht.


Sieben Brunnen hast du, Ber Sheva,
für meine sieben Liebsten:
Frau, Kinder, Esel und Sack.
Und nun suchen wir nach Wasser.


Dem jungen Boden entrissen,
keine Spuren eingegraben.
Condor, warum lässt du mich ziehen?
Begleite mich, wohin auch immer ich geh.



Kalt, kalt, kalt,
das Begräbnis meiner Vergangenheit
auf der Waage
nach dem ersten Schrei.



In die Weite der Wellen gezerrt,
drohen die Schatten erneut
auf unendlich langer Reise
zu fremden, so fremden Ufern.



Ich kniee vor dir, du schwacher Engel, und trinke
aus deiner Wunde dein Blut und esse dich.
Du wirst niemals mein Fleisch und mein Geist sein,
denn ich bin vor dir mit deinem Willen.



Rauer Nordwind meine Lider niederfegt.
Verschränkte Arme, kalte Augen, so kalt.
Argwohngespießt fließen Tränen aus Eis.
Condor, hast du mich verlassen?



Ich kann nicht singen, überhaupt nicht,
die Farben des Nationalen.
Mein Schweiß schwitzt Blut meines Blutes
anhand der Leichen-Bergen-Belsen-Bilder.



Brennend durchbohren mich eure Blicke.
Hass findet jede Nische
für tötende Pfeile, eure Worte treffen,
gebären mein Straucheln, Hadern geschürt.



Meinen Namen wollt ihr verbergen
unter eurer Schuld mit Mitleid
und verbergen den Hass,
der mich weiter schlägt.



Condor, Kind der Wüste kann ich hier nicht sein.
Steine hageln, Mauern zu hoch, in die Ecke gedrängt.
So geh ich in die Knie, verleugne mich selbst.
Hoher Preis, doch ich will leben, leben, leben!



Ich beuge mich im Versteck,
verbeuge mich nicht vor eurer
selbstgesetzten Freisprechung
durch Vorzeigen eurer Wunden



Kampf durch den Dschungel falscher Zungen,
suche nach Schultern, offenen Händen und Ohren.
Jahre vergehen, langsam Knospen wachsen.
Behutsam erkunde ich den Norden.



Ahnung der Schmerzen ist mein Weg
im Dickicht der Lüge in mir,
in dem ich Feind ward in mir,
und kämpfte so im Dunkeln.



Als schwarzes Schaf mit weißen Flecken
wähne Berührung, doch Schicksal schlägt erneut.
Condor, rufst du mich wirklich zurück?
Folge dir auf stählernen Schwingen.



Meinen Pfad fand sich selbst
unter den vermodernden Bäumen
eurer immerwährenden Trübnis
im eingewanderten Licht.



Von Hoffnung verführt
versinke im Boden des Wahren.
Gestrandet in der Wüste ohne Glühen.
Sehe durch Augen, nicht meine, nein, nicht meine.


Durch eure Tritte in mein Gesicht
sehe ich mein Licht nun endlich
aufsteigen am Himmel der Bedeutung,
und wo euer Diebstahl begann.



Condor, wo bist du? Ich fühle dich nicht.
Die Erde so kalt, vom Norden vereist?
Irre blind umher, die alten Spuren verloren.
Fortuna, du spielst mit mir.



Ich hab den Stern gefunden
unter allem Müll
eurer Schnellfeuergewehre
und Rechtfertigungen zum Trotz.



Stehe am Ufer ersten Lichtes,
spüre nur Schatten, umzingeln mich.
Eine Fremde unter Fremden.
Zweifel beißen, ziehen mich nach unten.



Nun küsse ich den Stein
erneut in den Gesichtern
im Überleben, feucht,
und sicher.



Condor, komm zurück, möchte dich atmen.
Höre den Ruf meiner Indioseele.
Will ihm folgen, doch weiß nicht wie!
Flieg mir den Weg, flieg mir den Weg.

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