Stille (braun)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Julek

Beitragvon Julek » 23.03.2006, 17:43

Stille

Als sie miteinander brachen
wurde ein Herz nur gebrochen.
Es schwieg –
Und hat nicht mehr gesprochen.

Herby

Beitragvon Herby » 23.03.2006, 20:04

Hallo Julek,

du sagst in wenigen Versen viel aus ... dein Gedicht hat mich sehr berührt und schmerzliche Erinnerungen in mir geweckt!
Erlaube mir eine Frage noch: welche Bedeutung hat der Klammerzusatz ( braun ) hinter dem Titel? Da rätsele ich noch.

LG Herby

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 23.03.2006, 20:44

genau das würde mich auch interessieren...

woitek

Beitragvon woitek » 24.03.2006, 18:30

Hallo Julek,

interessanter Text.

Zu der Titelfrage habe ich (mal wieder) in der Farbpsychologie herumgekramt.

"Braun ist die Farbe der Erde und wird assoziiert mit Heim und Herd, mit Substanz und Stabilität.
Historisch taucht braun gerne ist kostenbewussten Zeiten auf wegen seiner Nähe zu bodenständiger
Dauerhaftigkeit. Bei Braun ist sehr auf die verschiedenen Töne zu achten: ziegelrot-braun, terracotta,
erdbraun, lehmig etc.. Braun kann auch mit Schmutz und Dreck assoziiert werden, weshalb sie für die
Modeindustrie oft eine schwierige Farbe war.
In den letzten Jahren hat braun an Beliebtheit gewonnen, unter anderem auch in der Möbelindustrie,
wo braun schon immer für Heimeligkeit und Sicherheit stand (eine schwache Erinnerung wohl auch an
unseren Aufenthalt in Höhlen viele Jahrtausende zurück). Aber auch wegen der Verbindung von braun
mit gesunden Vollkostprodukten wie Vollkornbrot, brauner Reis, Getreide etc.. Auf der andern Seite
der Skala steht braun auch für die Süsse von Schockolade oder den Genuss von gutem Kaffee."

Mmh...weiter scheint das aber auch nicht zu helfen.

LG Woitek

Julek

Beitragvon Julek » 25.03.2006, 11:07

Hallo Herby, Lisa und Woitek,

danke für euer Interesse an meinen wenigen Zeilen.
Dass das braun in Klammern so viele Rätseleien entfachen würde, hätte ich gar nicht erwartet.
Woitek, deine Ausführungen zur Farbenpsychologie sind sehr interessant... braun ist tatsächlich eine ziemlich ambivalente Farbe, und deshalb für die Dichtung wohl einerseits ganz gut geeignet. Und dann doch wieder nicht, da bei ihrer Verwendung zu viele gegensätzliche Eindrücke erzeugt werden.
Hätte der Titel Stille (schwarz) gelautet, hätte das wahrscheinlich keine Fragen aufgeworfen.
Jedenfalls hat dieser Titelbeisatz noch eine ganz andere Bedeutung, die ich jetzt aber erst einmal nicht offenlegen möchte, nur so viel, es handelt sich eigentlich um eine Art Widmung.
Mich würde übrigens auch gerne interessieren, was ihr denkt, worum es in diesen 4 Versen eigentlich geht - für mich persönlich ging es nämlich darin um etwas anderes, als das, was man wohl als erstes annehmen würde (obwohl: ich bin mir nicht ganz sicher, was man als erstes annehmen würde, deshalb würde ich ja gerne euere Meinung hören).

Also, wer noch Lust hat, ein bisschen zu rätseln.....

cyberpoet

Beitragvon cyberpoet » 25.03.2006, 11:28

hallo julek!

dein text wirkt auf mich in seiner kürze sehr klar und prägnant. für mich klingt es nach trennung, nach verlassen worden und mit gebrochenem herz zurückgeblieben sein. zu verletzt, dass es zum einen erstarrt und verstummt ist und zum anderen auch nicht mehr den mut aufbringt, sie je wieder auf das "risiko" einer beziehung einzulassen.

bin gespannt, ob das halbwegs an deine intention mit diesem text herankommt!

lg aus wien

cyberpoet

Gast

Beitragvon Gast » 25.03.2006, 13:20

Julek hat geschrieben:Stille

Als sie miteinander brachen
wurde ein Herz nur gebrochen.
Es schwieg-
Und hat nicht mehr gesprochen.


Hallo Julek,
ich schreib mal drauf los, wie deine Verse bei mir angekommen sind:
Ein ehemals lyrisches "Wir" bricht miteinander
Mir fällt auf, dass das zwar korrektes Deutsch ist, aber wieso heißt es eigentlich "Miteinander" und nicht "Widereinander" oder "Gegeneinander", denn mit "Mit" also "Gemeinsam" ist ja wohl Schluss, wenn zwei brechen... fiel mir so ein...
:-s

Es geht eigentlich um nur das eine Herz, was bricht.
Mit anderen Worten, da macht Jemand Schluß, ist offenbar
nicht betroffen denn es bricht nur ein Herz, was dann schweigt, das heißt, es stirbt tatsächlich jemand, verursacht durch das Beziehungsende, oder im übertragenen Sinn ist nicht mehr liebesfähig.
Wenn ein Herz nicht mehr spricht, schlägt es vielleicht noch "nebenbei", aber derjenige, in dessen Brust es pumpt spürt keine Gefühle mehr.
Damit endet alles Leben.
Ich meine Leben ohne Liebe geht nicht.
Das wäre genauso wie wenn man einer Pflanze das Licht nimmt.
Also ist es "herzlos", oder mit einem schweigenden Herzen, so als ob man schon gestorben ist, allerdings bin ich mir sicher, dass auch Gefühle widerkehren, wenn man es zulässt.

Ich habe extra nur überflogen, was bisher geschrieben wurde... sondern auf deine Aufforderung reagiert.
Ansonsten beeindruckt mich, die Art wie du schreibst und auch Kritik übst, positiv.

Wochenendgrüße
Gerda

Louisa

Beitragvon Louisa » 25.03.2006, 19:49

Hallo Julek.

Das ist ein schönes, kleines Werk von Dir.

Vor allem das miteinander brechen ist mir neu und klingt sehr gut.

Ich glaube auch: Liebespaar - Trennung - (Bessere?) Hälfte ist betrübt

Oder ist es ganz anders, als wir alle denken?

Braun ist eine Widmung, ja? Ob braun sich wohl freuen würde?

Ein gutes Gedicht, Louisa

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 25.03.2006, 20:01

Also, natürlich tippe auch ich auf Trennung und all dem, was alle anderen bisher gesagt haben.

Bei "braun" allerdings fallen mir hier im Bezug zu "Herzen brechen" immer spontan Lebkuchenherzen ein, klingt vielleicht blöd, ist aber nun mal so. Natürlich kriege ich in diesem Zusammenhang die Lebkuchenherzen nicht untergebracht...

Bin mal gespannt auf die Lösung...

Gruß
Frank

Julek

Beitragvon Julek » 26.03.2006, 14:19

Hallo, liebe Interpreten, eure Reaktionen freuen mich.

Ich glaube, die meisten haben mehr oder weniger auf den Bedeutungsbereich Liebespaar
Trennung[, das Brechen eines Herzens, das im übertragenen Sinne im Schweigen versinkt, getippt - das steckt in jedem Falle in diesen Versen und macht sie deshalb sicher vielseitig anwendbar.
Tatsächlich aber beziehen sich sowohl das Herz als auch das Schweigen auf etwas konkretes, eher gesagt auf jemand konkreten, eine dritte Person nämlich, ein anderes Herz, vielleicht das wirklich echte Herz der ganzen Geschichte.... Ich sag jetzt mal nicht alles, es ist vielleicht auch nicht wichtig, meine eigentliche Intention zu kennen.... schließlich hat das Gedicht ja auch so so manchen unter euch berührt, und dass unterschiedliches verstanden werden kann, finde ich keinen Schaden - im Gegenteil.

Gerda, ich denke, du warst auf jeden Fall mit deinen Ausführungen schon ziemlich nah dran.
Das "miteinander brechen" ist schon so ein Wunder unserer Sprache.
Man kann ja z.B. auch "Brot miteinander brechen", was etwas positives und wirklich gemeinsames ist. - Aber auch das Brechen einer gemeinsamen Verbindung ist allzu oft etwas, das nicht einseitig begangen wird, sondern zusammen - wenn auch gegeneinander. Aber ich denke, diese Ausdrücke sind sowieso keine vollständigen Gegensätze, im Sport etwa treten ja auch Wettbewerber gegeneinander an, und doch ist ihr Tun auch ein Miteinander (oder sollte es zumindest sein..... damit möchte ich natürlich nicht sagen, dass das Leben und die menschlichen Beziehungen direkt mit Sportarten und deren Spielregeln zu vergleichen seien . Dieser Vergleich kam mir nur gerade im Zusammenhang mit miteinander/gegeneinander in den Sinn).
By the way: deine Wortschöpfung "Bon soir Dresdesse" fand ich ganz wunderbar - ich schreibe das jetzt hier, weil ich sonst nochmal nach dem Gedicht fahnden müsste, es wurde ja glaube ich schon vor einiger Zeit gepostet.

Louisa, tja, ob braun sich freuen würde, da bin ich mir nicht so sicher....

Frank, ich mag Lebkuchenherzen ganz gern, an diese gedacht habe ich aber beim Schreiben natürlich nicht :smile: Aber wie ich vorhin schon sagte.... miteinander brechen kann man vieles, natürlich auch Lebkuchenherzen.

Schönen Sonntag euch allen!

Louisa

Beitragvon Louisa » 26.03.2006, 14:43

Natürlich ist es wichtig Deine "eigentliche Intention" zu kennen.

Mich interessiert es zumindest.

Vielleicht sind sie ja auch miteinander aufgebrochen...nein.

Ein "drittes Herz" schreibst Du...mm...eine Dreiecksbeziehung?

Ein Herz, das einfach so im Raum schwebt? Das Herz der Welt?

Ich bin gespannt.

Herzliche Grüße, Louisa

Julek

Beitragvon Julek » 26.03.2006, 14:55

Hm, seltsamerweise habe ich das Gefühl, dass ich die ganze Geschichte nicht preisgeben kann..... dass das Gedicht dadurch an Wert verlöre.
Nur so viel (erst einmal): es ist wirklich konkreter gemeint - nicht das Herz der Welt. Wenn das Herz der Welt schweigen würde, das wäre ja wirklich schlimm. Ich denke, so weit sind wir noch nicht, oder?
Also, es ist schon ein menschliches Herz....


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