Die Freunde werden auch immer schwieriger

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leonie
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Beitragvon leonie » 28.01.2007, 13:11

Nur die wörtliche Rede im Schlabberdeutsch:

Wir waren über das lange Wochenende mal wieder bei Ilse und Herbert. Da fahren wir immer hin, einmal im Jahr, für ein paar Tage. Die können ja nicht weg wegen der Katzen. Und der Kaninchen. Sagen sie jedenfalls.

Es war ja auch ganz schön. Aber auf der Rückfahrt, da sag ich zu meinem Klaus: „Also, der Herbert könnte sich auch mal was Neues kaufen. So schlecht verdient der doch nich.“ Klaus brummt. „Den grünen Pulli hatte der vor drei Jahren schon an, der is an den Ärmeln schon bald durch. Dass Ilse das aber auch nich merkt.“

Klaus brummt wieder. Das macht der immer. Brummen. So tief, hinten in der Kehle.

„Ich mein, da muss man doch 'n bisschen drauf achten“, sag ich. „Die Ilse könnte doch mal mit dem Einkaufen gehen. Mach ich doch auch mit dir.“

„Hm,“ Klaus drückt aufs Gaspedal.
„Nu ras doch nich immer so“, sag ich. „Da wird mir ganz schlecht von“. Aber er muss ja unbedingt an dem Laster vorbei.

„Dabei is Ilse doch sonst so etepetete“, sag ich. „Die putzt ja dauernd hinter einem her. `Nen richtigen Fimmel hat se, das wird immer schlimmer... Na, war ja auch ´n Schweinewetter. Aba man kann doch nich jedes Mal die Schuhe ausziehen.“

„Mensch, pass doch auf“, sag ich. „Da vorne is rot.“ „Hm“, brummt Klaus und tritt voll auf die Bremse. Manchmal denk ich, das macht der extra...

„Und mit dem Essen“ sag ich. „Die weiß doch, dass ich keine Paprika mag. Aber was kocht se? Chili. “Du, hab ich gesagt, Ilse, kannste mir vielleicht `n bisschen ohne Paprika machen. Und tu da man auch nicht so viele Bohnen rein, da krieg ich immer so Blähungen von.“
Hat se dann ja auch gemacht, hat ja auch wohl geschmeckt. Obwohl `n bisschen viel Bohnen warn da immer noch drin.“

Klaus brummt. Naja, der isst ja alles. Dem könnt man auch `ne Dose Chappi warm machen.
"Aba dass man das immer sagen muss“, sag ich. „Hätt se doch auch mal was andres machen können.
Morgen brat ich uns erstmal `n anständiges Kotelett.“

Ich bin jedenfalls froh, wenn wir wieder zuhause sind, habe ich gedacht. Die Freunde werden auch immer schwieriger. Nächstes Jahr fahren wir da gar nicht mehr hin. Die haben ja nicht einmal gesagt, dass wir wiederkommen sollen.
Unhöflich werden sie auch noch.

Alles im Schlabberdeutsch:

Wir warn über das lange Wochenende mal wieder bei Ilse und Herbert. Da fahren wir immer hin, einmal im Jahr, fürn paar Tage. Die können ja nicht weg wegen der Katzen. Und der Kaninchen. Sagen se jedenfalls.

Es war ja auch ganz schön. Aber auf der Rückfahrt, da sag ich zu meinem Klaus: „Also, der Herbert könnte sich auch mal was Neues kaufen. So schlecht verdient der doch nich.“ Klaus brummt. „Den grünen Pulli hatte der vor drei Jahren schon an, der is an den Ärmeln schon bald durch. Dass Ilse das aber auch nich merkt.“

Klaus brummt wieder. Das macht der immer. Brummen. So tief, hinten in der Kehle.

„Ich mein, da muss man doch 'n bisschen drauf achten“, sag ich. „Die Ilse könnte doch mal mit dem Einkaufen gehen. Mach ich doch auch mit dir.“

„Hm,“ Klaus drückt aufs Gaspedal.
„Nu ras doch nich immer so“, sag ich. „Da wird mir ganz schlecht von“. Aber er muss ja unbedingt an dem Laster vorbei.

„Dabei is Ilse doch sonst so etepetete“, sag ich. „Die putzt ja dauernd hinter einem her. `Nen richtigen Fimmel hat se, das wird immer schlimmer... Na, war ja auch ´n Schweinewetter. Aba man kann doch nich jedes Mal die Schuhe ausziehen.“

„Mensch, pass doch auf“, sag ich. „Da vorne is rot.“ „Hm“, brummt Klaus und tritt voll auf die Bremse. Manchmal denk ich, das macht der extra...

„Und mit dem Essen“ sag ich. „Die weiß doch, dass ich keine Paprika mag. Aber was kocht se? Chili. “Du, hab ich gesagt, Ilse, kannste mir vielleicht `n bisschen ohne Paprika machen. Und tu da man auch nicht so viele Bohnen rein, da krieg ich immer so Blähungen von.“
Hat se dann ja auch gemacht, hat ja auch wohl geschmeckt. Obwohl `n bisschen viel Bohnen warn da immer noch drin.“

Klaus brummt. Naja, der isst ja alles. Dem könnt man auch `ne Dose Chappi warm machen.
"Aba dass man das immer sagen muss“, sag ich. „Hätt se doch auch mal was andres machen können.
Morgen brat ich uns erstmal `n anständiges Kotelett.“

Ich bin jedenfalls froh, wenn wir wieder zuhause sind, hab ich gedacht. Die Freunde werden auch immer schwieriger. Nächstes Jahr fahrn wir da gar nich mehr hin. Die ham ja nichmal gesagt, dass wir wiederkommen sollen.
Unhöflich werden se auch noch.


Erstfassung:

Waren wir doch über das lange Wochenende mal wieder bei Ilse und Herbert. Da fahren wir immer einmal im Jahr hin, für ein paar Tage. Die können ja nicht weg wegen der Katzen und der Kaninchen. Sagen sie jedenfalls.
Es war ja auch ganz schön. Aber auf der Rückfahrt, da sag ich zu meinem Klaus: „Sag mal, hast Du das auch bemerkt, ich glaube, der Herbert, der wäscht sich nicht richtig. Und der hatte auch die ganze Zeit denselben Pulli an.“ Klaus brummt. „Zu nah durfte man dem nicht kommen. Ob Ilse das gar nicht merkt?“
Klaus brummt wieder. Das macht der immer. Brummen. So tief, hinten in der Kehle.

„Ich mein, da muss man doch ein bisschen drauf achten“, sag ich. „Die Ilse könnte ihm doch morgens die Kleider hinlegen. Mach ich doch auch bei dir. Oder meist du, der will das nicht?“
„Hm,“ brummt Klaus und drückt aufs Gaspedal.

„Naja“, sagt er schließlich, „die Ilse war früher auch anders. Irgendwie lockerer. Die putzt ja jetzt dauernd hinter einem her. So schön ist das ja auch nicht, wenn sie da immer mit nem Lappen steht. Ich mein, man kann doch nicht jedes Mal, wenn man reinkommt, die Schuhe ausziehen. Und bei dem Schweinewetter, na ja.“

„Pass auf“, sag ich. „Da vorne is rot.“ „Jaja“, brummt Klaus, „bin doch nicht farbenblind.“

„Ja, mit der Ilse, das is mir auch aufgefallen,“ sag ich. „Auch mit dem Kochen. Die weiß doch nun, dass ich keine Paprika mag. Und was kocht se? Chili, mit Paprika. “Du, hab ich gesagt, Ilse, kannst mir vielleicht ein bisschen ohne Paprika machen. Und tu man da auch nicht so viele Bohnen rein, da krieg ich immer so Blähungen von“
Hat se dann ja auch gemacht, hat ja auch gut geschmeckt, obwohl bisschen viel Bohnen warn immer noch drin.“ Klaus brummt. „Aber das man das immer sagen muss. Hätt se doch auch mal was andres machen können.“

„Ich mag diesen neumodernen Kram sowieso nich so“, sagt Klaus, „mir wär ein anständiges Kotelett lieber.“

Ich bin jedenfalls froh, wenn wir wieder zuhause sind, hab ich gedacht. Die Freunde werden auch immer schwieriger. Die ham auch gar nicht gesagt, dass wir nächstes Jahr wiederkommen sollen. Unhöflich werden se auch noch.
Zuletzt geändert von leonie am 02.02.2007, 22:23, insgesamt 13-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 28.01.2007, 13:26

Hallo,

die Idee ist gut (obwohl nicht neu), aber die Umsetzung noch nicht, finde ich.

Aus mehreren Gründen:
1. Die Rückspiegelung funktioniert noch nicht richtig, (außer zum Schluss), weil man unwillkürlich die Partei der Besucher ergreift, wenn jemand sich nicht wäscht: Das MUSS auffallen. Es wird noch nicht klar genug, dass die eigentlich Komplizierten die meckernden Besucher sind. Vielleicht müssten die Anlässe fürs Meckern banaler sein? Kein ungewaschener Gastgeber, sondern einer mit unmodischen Hemden/zu modischen Hemden? Oder so.
2. Die Logik: Der Gastgeber stinkt - aber seine Frau wischt mit dem Lappen hinterher?? Passt nicht zusammen.
3. Das Mundartliche wird nciht richtig durchgezogen. Man kann es nicht richtig zuordnen - Berlinerisch? Rheinland? Einfach nur Schlampiges Sprechen?
4. Die Beziehung des Besucherpärchens miteinander ist undeutlich. Wäre vielleicht klarer, wenn Er nur brummt und nur Sie redet?

LG
Klara

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Beitragvon leonie » 28.01.2007, 14:10

Liebe Klara,

danke für die Rückmeldung. Es war mal so ein Prosaversuch. Es sollte eher schlampiges Sprechen sein, in Mundart bin ich mir zu unsicher. Hast Du noch Ideen, wo man das verstärken könnte?
Ich habe mal versucht, Deine Anregungen umzusetzen. Jetzt kommt die Frau natürlich besonders schlecht weg, aber man muss ja in solchen Texten vielleicht auch nicht fair sein :-)

Liebe Grüße

leonie

Gast

Beitragvon Gast » 28.01.2007, 14:15

Liebe leonie,

Klara hat schon wichtige Hinweise gegeben. Idee ist gut und amüsant genug um Zwischenmenschliches, was gedanklich bei einem Besuch auffläuft, mal in Worte zu fassen.
ich habe auf Grund der Sprache Schweirigkeiten das Pärchen altermäßig und auch zeitlich einzuordnen.
Kleinigkeite, aber nicht schön, so etwas:
leonie hat geschrieben: da sag ich zu meinem Klaus: „Sag mal, hast Du das auch bemerkt,

Außerdem finde ich, das in dem Moment, in dem die Erzählerin, davon spricht, dass sie Klaus die Sachen rauslegt, für mich schon klar ist wer da spinnt...
Ich glaube es lässt sich mehr rausholen aus diesem Resumee eines Besuchs.
Ilses Putzfimmel und Herberts Geruch werfen hier (unfreiwillig) ein anderes Problem in den Raum. (er wäscht sich nicht mehr weil sie zu viel putzt) ;-)
ich würde mich darauf konzentrieren, dass die Unterhaltung über die "Missstände" einen Spannungsbogen bekommt, also mit Kleinigkeiten beginnen, die dann nicht nur mehr und größer werden, sondern in die sich die Erzählerin u auch immer mehr reinsteigert.

Liebe Grüße
Gerda

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Beitragvon leonie » 28.01.2007, 14:31

Liebe Gerda,

jetzt haben unsere Postings sich überschnitten. Ich habe inzwischen einiges geändert. Ich möchte aber den Spannungsbogen nicht zu sehr "überziehen". Schließlich will die Erzählerin im Grunde ja immer noch als unkompliziert gelten....

Was meist Du?

Liebe Grüße

leonie

Peter

Beitragvon Peter » 29.01.2007, 08:20

Hallo Leonie,

also das hab ich gern gelesen! Schön, wie sich die Protagonistin allmählich "vereinzelt". Am Anfang glaubt man ihr ja noch, aber dann - beginnt sich ihre Stimme zu lösen. Am Anfang ist sie reflektierend, plötzlich wird sie reflexiv! Sie hält der Prot. einen Spiegel vor. Und darin, und das scheint mir die Kunst, erscheint ein Bild, ihr Bild, wie sie es selbst nicht begreift. Und dieses Bild ist nicht bösartig, und nicht überzeichnet, sondern es ist lebendig! Es ist wahr.

Und natürlich der Titel, er schießt den Text ab. Sehr gekonnt!

Humor als Erhellung...

Die zweite Version finde ich besser als die erste. Auch, weil du in der zweiten das Wort ganz bei der Protagonistin lässt. Das stimmt, weil es ist ja ihre Welt! Und wir dürfen ahnen, wie diese wirklich ist.

Liebe Grüße,
Peter

Gast

Beitragvon Gast » 29.01.2007, 12:48

Liebe leonie,
die zweite Version ist schlüssiger, ja, gefällt mir besser.
Die wörtliche Rede finde ich an manchen Stellen noch nicht real genug und manche Formulierungen könntest du überdenken.
Aber bitte bekomm jetzt keinen Schrecken, ich schreibe mal zwischen die Zitate, wo du meiner Ansicht noch ein bisschen überarbeiten müsstest.

leonie hat geschrieben:Waren wir doch über das lange Wochenende mal wieder bei Ilse und Herbert.

Besser: Über das lange Wochenende waren wir mal wieder....

leonie hat geschrieben:Da fahren wir immer hin, einmal im Jahr, fürn paar Tage. Die können ja nicht weg wegen der Katzen. Und der Kaninchen. Sagen se jedenfalls.


Die besuchen wir immer einmal im Jahr...

Für mich ergibt sich die Frage, ob du deine Protag. außerhalb der wörtlichen Rede auch in Umgagnsdeutsch erzählen lassen möchtest.
Vielleicht, würde ich hier schreiben: Sagen sie jedenfalls, wobei diese Äußerung bereits reflektive Gedankenansätze zeigt und du überlegen solltest, sie evtl. ganz weg zu lassen.

leonie hat geschrieben:Es war ja auch ganz schön. Aber auf der Rückfahrt, da sag ich zu meinem Klaus: „Also, der Herbert könnte sich auch mal was Neues kaufen. So schlecht verdient der doch nich.“ Klaus brummt. „Den grünen Pulli hatte der vor drei Jahren schon an, der war an den Ärmeln schon bald durch. Dass Ilse das aber auch nich merkt.“


Der ist an den Ärmeln...

Ich glaube, du kannst häufig das "sag ich" weg lassen.
Zum Beispiel so: Auf der Rückfahrt unterhalte ich mit Klaus über den Besuch. "Also der Herbert...."

"Klaus brummt", finde ich hingegen ist gut, charakterisiert das (männliche)
;-) Desinteresse am Gespräch, da stört mich die 2malige Wdhlg. nicht.

leonie hat geschrieben:Klaus brummt wieder. Das macht der immer. Brummen. So tief, hinten in der Kehle.
„Ich mein, da muss man doch ein bisschen drauf achten“, sag ich. „Die Ilse könnte doch mal mit dem einkaufen gehen. Mach ich doch auch mit dir.


'n bisschen

"sag ich" einfach weg lassen. Ist doch klar wer redet.

Einkaufen M. M. Großschreibung

leonie hat geschrieben: „Hm,“ Klaus drückt aufs Gaspedal.
„Nun ras doch nich immer so“, sag ich. „Da wird mir ganz schlecht von“. Aber er muss ja unbedingt an dem Laster vorbei


Statt Nun = Nu ras...
sag ich: weg

leonie hat geschrieben:„Dabei ist Ilse doch sonst so etepetete“, sag ich. „Die putzt ja jetzt dauernd hinter einem her. Nen richtigen Fimmel hat die, das wird immer schlimmer... Ich mein, man kann doch nicht jedes Mal die Schuhe ausziehen. Bei dem Schweinewetter.“


sag ich: weg
hat se wäre vielleicht besser als hat die
Dabei is Ilse, ohne "t" konsequenterwesie
Anmerkung:
Unlogisch, gerade bei Schweinewetter ist das Wechseln der Schuhe eher selbstverständlich.

leonie hat geschrieben:„Pass auf“, sag ich. „Da vorne is rot.“ „Hm“, brummt Klaus und tritt voll auf die Bremse. Manchmal denk ich, das macht der extra.


Vielleicht: "Mensch Klaus, pass auf, da vorn is rot".
sag ich: weg

leonie hat geschrieben:„Und mit dem Essen“ sag ich. „Die weiß doch, dass ich keine Paprika mag. Aber was kocht se? Chili. “Du, hab ich gesagt, Ilse, kannste mir vielleicht `n bisschen ohne Paprika machen. Und tu da man auch nicht so viele Bohnen rein, da krieg ich immer so Blähungen von“
Hat se dann ja auch gemacht, hat ja auch wohl geschmeckt. Obwohl `n bisschen viel Bohnen warn da immer noch drin.“


Vielleicht so, ohne "sag ich":
"Und mit dem Essen, Klaus, die muss doch wissen...."
Hier statt gesagt, vielleicht so:
"Du Ilse", hab ich gemeint, "kannste mir ..."

leonie hat geschrieben:Klaus brummt. Naja, der isst ja alles. Dem könnt man auch `ne Dose Chappi warm machen. "Aber dass man das immer sagen muss“,sag ich. „Hätt se doch auch mal was andres machen können.
Morgen brat ich uns erstmal `n anständiges Kotelett.“

Wörtl. Rede: "immer muss man das sagen, Ilse hätt doch auch mal..."
sag ich: weg

leonie hat geschrieben:Ich bin jedenfalls froh, wenn wir wieder zuhause sind, hab ich gedacht. Die Freunde werden auch immer schwieriger. Nächstes Jahr fahrn wir da gar nich mehr hin. Die ham ja nich mal gesagt, dass wir wiederkommen sollen.
Unhöflich werden se auch noch.
Dass es die Gedanken der Protag. sind, ist sowieso klar.



Es sind meist Kleinigkeiten, die mich noch stören.

Liebe Grüße
Gerda

Klara
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Beitragvon Klara » 29.01.2007, 14:04

Hallo Leonie,
ich könnte mir gut vorstellen, dass daraus ein herrlich witziger Sketch werden kann. Hab das dringende Gefühl, dein Text müsste GESPROCHEN werden (weiß nicht, ob von einer oder zwei Personen, glaub mehr von einer), so Else-Stratmann-like, weißt du?
Also richtig Theater, nicht nur Audio.

Ich versuch mal (nimms ir nicht übel), versuchs auch mal auf Berlinisch, aber nur weil ich Rheinland erst recht nicht kann. Ruhrgebiet wäre noch besser:

[Ein Mann und eine Frau sitzen auf zwei Stühlen. Er hält ein Spielzeugsteuerrad und imitiert Autofahren. Beide sind zwischen 45 und 55 Jahre alt, sehen spießig aus, nicht von der ganz billigen Sorte, sondern Klassiker: langweilige Kleidung, die Frau ein bisschen geblümt, der Mann in etwas gezwängt, das man legeren Freizeitlook nennen könnte. Sie verdienen offenbar genug, aber ihre Sprache ist eher ungebildet.]

Er (stellt fest): Wir hätten ma lieba zuhause bleiben solln.
Sie (gespielt wohlerzogen entsetzt): Klaus, wir warn eingeladen!
Er (grummelt): Trotzdem.
Sie: War doch nich dit erste lange Wochenende bei Ilse und Herbert, wat haste denn plötzlich! Und die könn doch nich weg!
Er: Ja, dit sagen se!
Sie: Wejen die Katzen.
Er (verdreht die Augen) und de Kaninchen, ick weeß schon.
Sie: Er war doch ooch janz schön…
Er: (schnaubt)
Sie: Aber der Herbert könnte sich echt mal wat Neuet zum Anziehn koofen. So schlecht verdient der doch nicht.
Er: Sagt er, ja.
Sie: Den grün Pulli hatte der vor drei Jahren schon an, so durchgeschubbert wie die Ärmel aussehn.
Er: (schnaubt)
Sie: Dat die Ilse dit ab ooch nich merkt…!
Er: (brummt)
Sie: Ick meen, da muss man doch’n bisschen druff achten..“
Er: (brummt)
Sie: Die Ilse könnte doch ma mit dem shoppen gehen. Mach ick doch ooch mit dir.
Er: (stöhnt, drückt aufs Gaspedal)
Sie: Nu ras doch nich immer so! Da wird mir ganz schlecht von.
Er: Kiek ma raus.
Sie: Wie bitte?
Er: Da issn Laster, da müssen wa dran vorbei.
Sie: (hält sich am Stuhl fest, atmet schneller) Dabei is die Ilse doch sonst so etepetete.
Er: (lehnt sich entspannter zurück, der Überholvorgang ist abgeschlossen)
Sie: (löst ihre Hände vom Stuhl) Die putzt ja dauernd hinter eim her, hat ja’n richtigen Fimmel. Und dit wird immer schlimmer.
Er: Dit stimmt, die hat’n Fimmel. Ick meene, man doch nich jedes Mal die Schuhe ausziehen! Bei dem Schweinewetter!
Sie: Ebent! Ej, pass uff, da vorne is rot!
Er: (tritt auf die Bremse)
Sie: (drückt den Oberkörper zuerst nach vorn, dann nach hinten) Sachma, Klaus, machst du dit extra?
Er: (grinst) Wat denn?
Sie: Und mit dit Essen, ja, die weeß doch, da tick keene Paprika mag. Aber wat kocht se? Chili!
Er: (brummt)
Sie:Dabei hat sogar jebeten, dat sie mir vielleicht in bisschen ohne Paprika machen soll. Du, Ilse, hab ick jesagt, ick vertrage dit Zeug nich. Und jib man ich so ville Bohnen dazu, dit bläht immer so, weeßte…
Er: (lässt einen fahren) Jeschmeckt hats abr.
Sie (rümpft die Nase): Ja, schon, aber da warn immer noch zu viele Bohnen drin.
Er: Er ist ja ooch allet. Dem könnte man auch ne Dose Chappi warm machen.
Sie: Aber dass ick dit immer sagen muss. Hätt se doch ma von selbst druff kommen können. Morgen braut ich uns erstma’n anständijet Kotelett, wa?
Er: Ick bin froh, wenn wa wieder zuhause sind.
Sie: Die Freunde wern halt auch immer schwieriger.
Pause
Sie: Du, nächstes Jahr fahrn wa nicht mehr hin. Die ham ja nich mal jesagt, dat wa wiedakomm solln.
Er: Hm.
Pause.
Er: Unhöflich wern se ooch noch.

Das ist nur vorläufig, und ich hätte Zweifel an derm Berlinern - sowohl technisch als auch überhaupt.
Nur so als Idee, für ne Szene.
Wie dann manches sprachlich besser funktionierte, könnte man wohl nur beim Live-Test rauskriegen. Am lebenden Objekt, und dann mitschreiben, was funktioniert.

LG
Klara

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Beitragvon leonie » 29.01.2007, 15:01

Lieber Peter,

danke, Dein Lob freut mich sehr. Auch, dass Du es so verstanden hast, wie ich es mir dachte...

Liebe Gerda,

danke, dass Du Dich so ausführlich mit dem Text auseinandergesetzt hast.
Einige Deiner Vorschläge arbeite ich ein.
Ich wollte gern den ganzen Text in der Sprache der Protaonisten und da gehört das häufige "sag ich" dazu (Kennst Du solche Leute nicht, die ständig, wenn sie etwas erzählen, "sag ich" sagen?).
Und dass sie die Schuhe nicht ständig wechseln will, ist ja im Grunde gerade die Unverschämtheit, die die Prot genauso schwierig macht wie sie ihre Freunde findet. Nur merkt sie das an sich selber nicht.

Liebe Klara,

ein Sketch darüber ist vermutlich wirklich das angemessenste. Denn diese Frau würde das ja auch niemals so aufschreiben....Ich würde aber doch dazu tendieren, nur die Frau reden zu lassen und den Mann nur brummen zu lassen.
Das Berlinerische ist einfach wunderbar! Danke, dass Du Dir soviel Mühe damit gemacht hast!!!

Liebe Grüße

leonie

Gast

Beitragvon Gast » 29.01.2007, 16:56

Liebe leonie,

doch, klar kenn ich solche Leute, (flüchtig) ;-)aber als Geschichte kommt es störend bei mir an, zu langweilig.
Klara hat den Nerv getroffen.
Ich dachte auch schon daran, dat dat Kabaree iss, un jesproche jehööt. ;-)

Liebe Grüße
Gerda

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Beitragvon leonie » 29.01.2007, 20:25

Liebe Gerda,

ich glaube auch, Sketch oder Kabarett wäre vermutlich der richtig Ort, auf jeden Fall gesprochen und dann mit den "sag ich" (oder noch besser im Dialekt, aber ich kann leider keinen).

Ich bin in diesen humorigen Sachen doch recht ungeübt. Aber ein bisschen Spaß gemacht hat es mir doch....

Liebe Grüße

leonie :-)

Gast

Beitragvon Gast » 30.01.2007, 00:04

Liebe leonie,

Humor ist eine ernste Angelegenheit, zumindest wenn man ihn zu Papier bringen möchte, dass der Leser auch versteht. ;-)
Abgesehen davon, dass für das Schreiben von Prosa einiges an Übung nötig ist, wie ich ja gerade auch "übe" zu verstehen.

Also, in diesem Sinn frohes Schaffen
Gerda

Herby

Beitragvon Herby » 30.01.2007, 22:29

Liebe leonie,

bei einem meiner viel zu seltenen Besuche hier in der Prosaabteilung entdeckte ich Deinen Text, und kann nur sagen, der ist ja nun wirklich aus dem prallen Leben gegriffen! Während des Lesens und danach liefen in meinem Kopf Szenen von fast wortgleichen Unterhaltungen ab (etliche davon tatsächlich im Auto auf der Rückfahrt!), denen beizuwohnen ich in der Vergangenheit mehr als einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte.

Es sei jetzt einmal dahingestellt, ob das eine typisch deutsche oder einfach nur menschliche Eigen- bzw. Unart ist, die Du auf den Punkt bringst, es ist Dir jedenfalls mehr als gut gelungen!

Sehr gerne gelesen!

LG Herby

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Beitragvon leonie » 31.01.2007, 16:16

Lieber herby,

danke für Deine Rückmeldung.
Ehrlich gesagt habe ich nur eigene Gedanken von mir (ich dachte letztens wirklich über einen Freund, er wird immer schwieriger und fragte mich dann, wie andere das bei mir wohl empfinden, denn ehrlich gesagt war ich auch schon mal unkomplizierter als zur Zeit) auf ein komplett anderes Thema angewendet und dann ziemlich überzeichnet und es einer anderen in den Mund gelegt (Ich hoffe, dass ich selber nie so sprechen werde...).
Dass Du solche Szenen wirklich miterlebt hast, erschüttert mich ein wenig und zugleich finde ich es auch lustig.
Ein wenig davon steckt vermutlich in vielen von uns, ich kann mich davon jedenfalls nicht ganz frei sprechen, auch wenn es sich in meinen Gedanken moderater gestaltet als in den Worten dieser Frau....

Liebe Grüße

leonie


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