nachtgedicht (keine lyrik)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klara
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Beitragvon Klara » 02.08.2007, 00:17

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Zuletzt geändert von Klara am 09.03.2008, 14:05, insgesamt 5-mal geändert.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 02.08.2007, 01:59

Hallo Klara,

diesen Text finde ich ... attraktiv. Ein anderes Wort fällt mir nicht ein, denn zunächst geht es wohl weniger um Bilder, vielmehr um Kritik; eine Kritik, die ich nachvollziehen kann, und zwar sowohl allgemein, als auch auf Klaras (pardon, Lyrichs) stets wiederkehrende zwiespältige Situation (Deine "Lebenssuche" ist dank der vorausgegangen Texte der letzten Monate relativ nachvollziehbar, wodurch dieser Text umso interessanter wird). Deine Kritik ist auch sympathischerweise wieder ein bisschen inspiriert durch aktuelle Forendialoge. Alles in allem, inklusive der Platzierung in der Lyrikrubrik, finde ich das Konzept originell. In der zweiten Hälft kommen dann doch Bilder hinzu. Die kann ich nachfühlen, vor allem jene Zeilen um das bemerkenswerte Wort "Vorgeruch" herum, werden in meinem Kopf sehr lebendig.


Cheers

Pjotr

Klara
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Beitragvon Klara » 02.08.2007, 11:26

Hi Pjotr,

danke für deinen Kommentar.
"Attraktiv" wäre das letzte, was mir dazu einfällt - aber du meinst es sicherlich anders, als ich in der Lage zu verstehen bin (dazu muss man wissen: gegen das Wort "attraktiv" bin ich allergisch, weil ich finde, dass es nichts sagt).

"Lebenssuche" hingegen gefällt mir als Wort. Das trifft sicherlich auf das lyrische Ich zu: "Ich" sucht das Leben! Und es tut ihm weh wie einem Kind, wenn das Leben manchmal nicht erlaubt ist. Aus tausend Gründen. Je erwachsener man wird, desto weniger Leben scheint erlaubt zu sein, und desto weniger scheint das Leben erlaubt zu sein. Das Lebendige. Das Geschehenlassen. Insofern ist es ein trauriger Text (Hier steht die Hörversion, vielleicht wird es dann weniger "attraktiv" ,-)) http://www.blauersalon.net/online-liter ... 1629#71629
Und insofern ist es natürlich auch ein persönlicher Text, der tatsächlich - aram würde schimpfen, wenn er noch mitläse - direkt nach dem Schreiben in dre Nacht gepostet wurde. Man braucht ja immer mal wieder ein bisschen Adrenalin, nicht wahr - und die Nervosität auf Reaktionen etwas völlig ungesicherten Textes bringt Adrenalin ,-)

Aktuelles Forumsgeschehen hat - zumindest bewusst - nichts mit der Textentstehung zu tun - aber interessant finde ich, dass du es so liest. (Ich wüsste allerdings nicht, auf welche Forumsgespräche du dich beziehst? Verrätst du mir das?

Lieber Gruß
Klara

Sam

Beitragvon Sam » 02.08.2007, 12:54

Hallo Klara,

ein Gedicht mit eingebauter Rückversicherung. Eines, das erklärt, keines zu sein, das sogar vom LI beiseite geschoben wird, aber, anstatt aufzugeben, sich dann doch noch in den Vordergrund schiebt, ab der Mitte, trotzig auf den Boden stampft, um dann am Ende in die Bedeutungslosigkeit wegewischt zu werden: es reicht nicht.
Bis dahin aber darf es machen, was es will, es ist ja keine Lyrik, nicht mal was literarisches. Weil es mal wieder die Erwartungen enttäuscht. Die Erwartungen des LI in ihm Ausruck zu finden. Wie schon sooft davor. Offenbar ist es einfach nicht möglich, das Leben so einzufangen, wie es ist. Es bräuchte soviel mehr, als nur ein Gedicht. Es bräuchte nächteweise Küsse und Salz. Ja, es bräuchte Salz...., um dem heimeligen Geruch zu entkommen, der einem schon an der S-bahn zu überkommen scheint und eigenartigerweise aufamten lässt. Das ist Zwiespältig, wie so manches in dem Gedicht, das ja auch das einer erträumten oder tatsächlichen Treulosigkeit sein könnte. Aber das Gedicht braucht auf nichts zu achten, denn es ist ja keines. Es wollte ja von Anfang an viel mehr, als es kann und wollte eigentlich auch gar nichts. Eigentlich wollte es nur da sein. Aber nur da sein, auch das reicht nicht.

Schwierig. Am Ende ist es ein Gedicht über das Dichten, wie sie wohl zu tausenden in den Schubladen der Dichter liegen. Zumindest jener, die an sich und ihrere Dichtung immer wieder zweifeln. Und zweifellos gehören viel dieser Gedichte genau dorthin, in die Schublade. Entstehen sie doch zumeist übernacht, spontan, selten im nüchternen Zustand und kommen über einen weinerlichen, selbstmitleidigen Ton nicht hinaus. Auch wenn man sich brav hinter einem LI zu verstecken glaubt, die beschworenen Zweifel sind doch echt.

Ob ich soetwas dann gerne lese oder nicht, hängt, da bin ganz ehrlich, sehr davon ab, wer es geschrieben hat. Ob es mir das Gefühl gibt, irgendwo zwischen den Zeilen lesen zu dürfen, auf eine Art, die sich mir sonst verbietet. Man lässt den Autor ja immer ganz draussen. Das ist auch gut so, denn draussen schreibt er gut. Aber vielleicht ist er hier jetzt mal drinnen und zeigt Unzulänglichkeit ganz bewusst, um auf seine Angst genau davor hinzuweisen. Wer weiß.

Wie dem auch sei. Gerne gelesen.

Liebe Grüße

Sam

Klara
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Beitragvon Klara » 02.08.2007, 13:18

Oh Sam, ich mag deinen Kommentar!

(er ist sicherlich besser, durchdachter etc als das Gedicht, das keines sein will ,-))

Du guckst so genau hin, und bist dabei doch nicht gemein, das ist groß.

Feigheit, Angst, Vernunft sind manchmal schwer voneinander zu entscheiden.

Aber betrunken ist da gar nichts im Text - eher das Gegenteil, findest du nicht: Nüchternheit tropft aus jeder Pore...
Ob ich soetwas dann gerne lese oder nicht, hängt, da bin ganz ehrlich, sehr davon ab, wer es geschrieben hat.

Etwas Ähnliches hatte ich gestern Abend auch noch überlegt: DAss ich so etwas (wie das da oben) nur manchmal gerne läse, je nachdem, wie ich gestimmt wäre. Das Bekenntnishafte und zugleich Unentschiedene würde mir wohl bald auf den Geist gehen ,-)
Und ich hab auch überlegt, ob es weinerlich oder selbstmitleidig ist. Und dann hab ich gedacht: "Na, dann ist es halt so. Ist ja kein Gedicht. Ist ja nur ein Nachtgedicht. Ist ja nur - whatever." Ich dachte, die Illusion des Vertrauens und der Vertrautheit in den Räumen dieses Blauen Salons wäre mittlerweile groß genug, um solcherlei Ungesichertes zu posten.

Dank dir ganz herzlich
Klara

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 02.08.2007, 15:22

Hi Klara,

"attraktiv" meine ich wortwörtlich im Sinn von "anziehend". Ich meine das positiv, nicht schönredend. Ich hätte es deutsch schreiben sollen.

"Aktuelles Forumsgeschehen": Der Block, der mit "zerfressen" beginnt und mit "literarisch" endet, empfinde ich stellenweise als aufmerksamen Wink zu hiesigen Grundsatzdiskussionen.

Ich hatte mir schon gedacht, dass Du soeben erst nach Hause gekommen warst und vermutlich auf dem nächtlichen Heimweg den Text im Kopf schon halb vorbereitet hattest. Der Text beginnt relativ rational und geht dann über in den spontanen Blues, der auch wahr ist, in meinen Augen. Noch mehr Konstruktion braucht der Text für mich nicht. Ich finde ihn anziehend. Ich mag die Mischung und Spannung aus Ratio und Blues.

Werde jetzt Deine Hörversion laden.


Cheers

Pjotr


P.S.: Meine vier Bilder, aus 2001, 2002, 2003 und 2004 widme ich nachträglich, im Namen der skurrilen Gespaltenheit, der leidenschaftlichen Musikerin und der leidenschaftlichen Mutter. Beiden.
Zuletzt geändert von Pjotr am 02.08.2007, 16:13, insgesamt 1-mal geändert.

Sam

Beitragvon Sam » 02.08.2007, 15:48

Hallo Klara,

Aber betrunken ist da gar nichts im Text - eher das Gegenteil, findest du nicht: Nüchternheit tropft aus jeder Pore...

Ja, das stimmt. Ich bezog meine Aussage generell auf Gedichte, die den dichterischen Selbstzweifel zum Thema haben und gerne des Nachts im trunkenen oder wenigstens angetrunkenen Zustand entstehen. Wie die meinen z.B. :-)

Du guckst so genau hin, und bist dabei doch nicht gemein,

Das ist ein sehr schönes Kompliment. Vielen Dank! Ich bin mir selber oftmals viel zu gemein, aber man kommt ja nicht raus, aus seiner Haut. ,-)

Lieben Gruß

Sam

Caty

Beitragvon Caty » 02.08.2007, 16:45

Liebe Klara, ich gebrauche auch ein Wort, das dir nicht gefallen wird, das Gedicht zu bezeichnen: Es kokettiert. Tief im Innern glaubt das LI doch selbst nicht an das, was es da geschrieben hat, sonst würde es nämlich nicht schreiben. Und als Entschuldigung dafür, dass es nicht gründlich genug ausgearbeitet ist, taugt das Gedicht nicht, dazu ist es eben selbst nicht gründlich genug ausgearbeitet. Es hat eine Stelle, die mir ganz gut gefällt: der Vorgeruch der S-Bahn. Ansonsten habe ich beim Lesen des Gedichts eher das Gefühl gehabt, dass es "schwatzt": Du gibst gutbekannte Allgemeinplätze von dir (Salz auf der Haut, das Strahlen der Augen). Kurz: Ich halte dies Gedicht für die 1. Rohfassung eines Gedichts. Soll man dazu überhaupt etwas sagen?

Herzlich Caty

P.S. Die 3. Person Singular Konjunktiv I von brauchen ist: brauchte. Nicht "bräuchte". Obwohl man das immer wieder falsch hört und liest.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.08.2007, 16:51

Nee, Caty, als Kokettieren lese ich Klaras Zeilen überhaupt nicht, sondern als ehrliche, sich selbst ernüchternde Eigenreflexion.

Klara,
vor allem, nachdem ich deine Hörversion dazu gehört habe, spricht mich dein Text sehr an. Das liegt wohl daran, dass ich mich darin wiederfinde, solchen Gedanken sind mir alles andere als fremd.
Ich hab das sehr gern gelesen und gehört.
Saludos
Mucki

Caty

Beitragvon Caty » 02.08.2007, 17:08

Ja, Mucki, deine "Ehrenrettung" ist ja lieb, aber ich habe hier auch nur meine eigene Meinung aufgeschrieben, nicht deine, an dich dachte ich dabei überhaupt nicht. Caty

Klara
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Beitragvon Klara » 02.08.2007, 17:09

Hallo Caty,

danke für deine Einschätzung.

ich gebrauche auch ein Wort, das dir nicht gefallen wird, das Gedicht zu bezeichnen: Es kokettiert. Tief im Innern glaubt das LI doch selbst nicht an das, was es da geschrieben hat, sonst würde es nämlich nicht schreiben.
Das Wort "kokettieren" gefällt mir aber durchaus ,-) Natürlich kokettiert dieser Text, vor allem mit sich selbst und den eigenen Unzulänglichkeiten. Sonst wäre er ja nicht geschrieben worden.

als Entschuldigung dafür, dass es nicht gründlich genug ausgearbeitet ist, taugt das Gedicht nicht, dazu ist es eben selbst nicht gründlich genug ausgearbeitet.

Eine Entschuldigung sollte es nicht sein (ich finde auch nicht, dass es eine brauchte) - und ob es genug ausgearbeitet ist, weiß ich noch nicht. Aber kann es vielleicht sein, dass du an mancher Stelle nicht gründlich genug liest? Denn es gibt keinen
Vorgeruch der S-Bahn
, auch kein
Salz auf der Haut,
- möglicherweise er-liest du dir Gemeinplätze, wo gar keine stehen?

Kurz: Ich halte dies Gedicht für die 1. Rohfassung eines Gedichts. Soll man dazu überhaupt etwas sagen?

Auf jeden Fall! Deshalb steht es ja hier! Wenn es Konsens ist oder den Moderatoren zweckdienlich erscheint, kann der Text sofort in die Mottenkiste - äh, Textwerkstatt. Da wäre er vielleicht besser aufgehoben, aber ich habe gar nicht drüber nachgedacht, weil ich ihn so gern in Liebeslyrik stellen wollte. Da stand er nun - wenn er zu roh ist für die Liebe, kann er in die Werkstatt.

Danke auch für den Hinweis zu "bräuchte" und "brauchte". Das werde ich noch mal nachprüfen. Ich bin so an dieses "bräuchte" gewöhnt, dass "brauchte" mir in diesem Text überkandidelt vorkäme... hm.

Hallo Mucki,
freut mich, dass du etwas damit anfangen kannst!
als Kokettieren lese ich Klaras Zeilen überhaupt nicht, sondern als ehrliche, sich selbst ernüchternde Eigenreflexion.

Ich fürchte, das eine schließt das andere nicht aus - insbesondere, wenn die Widersprüchlichkeit ausdrücklich Thema ist.

Herzliche Grüße (und danke, dass ihr ein so unvollkommenes Nicht-Werk in so hilfreicher Weise besprecht)
Klara

Klara
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Beitragvon Klara » 02.08.2007, 17:17

EDIT

Caty, mit dem "Schwatzen" könntest du Recht haben, so bitter das für die Schreiberin natürlich ist.

Aber Spaß macht es trotzdem :razz:

Klara

Klara
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Beitragvon Klara » 02.08.2007, 17:37

Hi Pjotr, du bist süß.

Wenn ich mal Geld hab, kauf ich dir ein Bild ab. Das ist ein Gelöbnis!

K.

Caty

Beitragvon Caty » 02.08.2007, 19:23

ich bräuchte nächteweise küsse
heißen schlamm auf der haut
und das salz, das salz…

Liebe Klara, ich glaube schon, dass ich richtig gelesen habe. Wie ist denn das mit dem Salz sonst gemeint als "Salz auf der Haut"?

Gut, also das mit der S-Bahn verhält sich anders. Aber es wäre sehr schön und sehr treffend.
Denn es gibt einen ganz typischen S-Bahn-Geruch, und den hatte ich beim Lesen assoziiert.

Aber ich bin nicht dafür, halbausgearbeitete Texte zur Diskussion zu stellen. Das hat sowas von Schmollmündchen.

Herzlich Caty


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