Was blieb, das war der Schnee

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 29.04.2006, 15:30

Da stand'st du
gingst auf mich zu
ebenholzfarben umrahmt das Gesicht.
Sicher wären mir
Purpurrosen lieber gewesen
und maigrüne Blätter an den Bäumen.

Da gingst du auf mich zu,
und warst verweht.
Nur im Auge
bist du
und tief im Bild-Gedächtnis.

Was bliebt,
das war der Schnee
von deinem Fuß
zerdrückt
und heute längst geschmolzen.

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 29.04.2006, 16:41

Hallo moshe.c,

du spielst mit den Schneewittchenfarben um eine kurze Begegnung zu erzählen, die nur einen unbekannten Moment andauerte, das gefällt mir schon mal. Auch den Blickwinkel auf kleine Momente zu richten gefällt mir.


Allerdings würde ich die Logik des Gedichts noch etwas verbessern, denn in der ersten Strophe heißt es: ebenholzfarben umrahmt das Gesicht.
Sicher wären mir
Purpurrosen lieber gewesen
....

wegen des sicher wäre mir lieber würde ich diese Thematik in der zweiten Strophe noch aufnehmen, in etwa:


Und trotzdem als du auf mich zugingst, war da etwas an dir, was mich faszinierte, doch schon warst du verweht....(das ist kein sprachlicher Vorschlag , ich versuche nur zu erklären, wie ich die Logik des Gedichts unterstützen würde). Denn sonst fragt man sich, warum du überhaupt die anderen Farben erwähnst und kommt zu dem Schluss, dass sie nur um ihrer selbst Willen dort stehen...oder man fragt sich: Ja, aber warum ist der Moment dann erwähneswert?

Sprachlich:

Ich würde die beiden da's in den ersten beiden Strophen und das "das" in der letzten Strophe Streichen...das schafftf einen schöneren Lesefluss.

In der letzten Strophe müsste es noch "bleibt" heißen. Oder besser noch: Blieb.

Märchengrüße,
Lisa

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 29.04.2006, 19:22

Hallo Lisa, wehrte blaue Salon-Dame !

Vielen Dank für die Antwort.

Auf den Zusammenhang zu Schneewittchen bin ich nicht gekommen: Interessant für mich selbst. Die Frau meiner Begegnung sah tatsächlich so aus und die Umstände, einschließlich meiner eigenen, auch.

Die Faszination und Ursache für dieses Gedicht liegt in dem Moment der Begegnung, der Begegnungen die immer wieder passieren und , soweit ich weiß, Frauen und Männern gleichermaßen immer wieder passieren.

Manchmal schaue ich auch zu, wie es anderen passiert, und bin begeistert von diesen Momenten, die ich als absolut poetisch, lyrisch empfinde. Es sind Momente der tiefen Bereicherung des Lebens, die aber vorbeistreichen, vergehen, und eben nur in der Erinnerung bleiben, manchmal als verpasste Möglichket

Und dann ist das 'Da', das 'Damals, das 'Dort', so wichtig in der Erinnerung.

Da bleibt der kleine Momennt der Erinnung in all der Farbigkeit in uns haften und bereichert das Leben, ich denke speziell, wenn man älter wird, oder?

( Ach, könnte ich den Text nur vorlesen ), denn es kommt oft auf die Betonung an.

In der letzten Strophe heißt es tatsächlich 'blieb', ein unverzeihlicher Schreibfehler von mir
.
So verbleibe ich denn ebenfalls fürs erste mit besten Märchengrüßen

moshe.c



P.S. Eine Rubrik Märchen, ich meine richtige Märchen, nicht Phantasy, nicht Science-Fiction, nicht Horror, usw. wäre nicht schlecht.

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 29.04.2006, 19:34

Hallo moshe.c

eine Märchenecke wäre mehr als wünschenswert. Noch ist der salon aber leider zu klein,als dass sich so eine Rubrik halten könnte. Unter "andere Kurzprosa" müssen sie daher noch ihren Platz einnehmen.

Liebe Grüße,
Lisa

Louisa

Beitragvon Louisa » 29.04.2006, 19:40

Hallo moshe.c!

Dieses Gedicht gefällt mir sehr gut, die märchenhafte Bildsprache, der nüchterne Tonfall. -Wunderbar!

Aber "zerdrückt" hört sich nicht so schön an. Vielleicht fällt Dir noch etwas besseres ein.

"belaufen" / "zertreten" (auch nicht gut) vielleicht.

Ansonsten kein Kritikpunkt.

Liebe Grüße, louisa

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 29.04.2006, 20:39

hallo louisa!

Ich mache mir Gedanken, und melde mich.

Hallo Lisa:

Es stimmt, das der Blaue Salon noch sehr klein ist, aber um sich zu profilieren wäre eine Spezialisierung in Bereiche, die andere nicht haben, ja geradezu wümschenswert.

Wir haben doch eine wunderbare Tradition in Richtung Märchen und auch Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, die dieses fortsetzten und erweiterten. ( Siehe Max Dauthendey und Herrmann Hesse ). Aber wer kennt das schon.

Liebe Grüße moshe.c

Und die ganze Literatur aus den 20er und 30er bis hin zur Ballade.

Ich nehem deinen Hinweis auf und poste mal ein Märchen in 'andere Kurzprosa'

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 29.04.2006, 21:38

Lieber moshe c.,

Mir gefällt Dein Gedicht gut.
Ich habe nur noch einige Ideen zur Sprache:
Im Titel und der letzten Strophe, würde ich das "das" streichen.
In der ersten Strophe finde ich das apostrophierte stand´st du etwas gekünstelt.
In der zweiten Strophe würde ich nicht den ganzen Satz wiederholen, vielleicht nur:
Du gingst auf mich zu
Und warst verweht.
Ich denke, das „Bild“ vor Gedächtnis könnte auch wegfallen. Auge und Gedächtnis bringen das, was Du meinst, gut rüber.

Bin gespannt auf mehr!

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 30.04.2006, 12:16

Liebr Moshe,

die Bilder dieses Textes finde ich großartig. Da kommt jemand mit einer eigenen Stimme!

Zu Louisas "zerdrückt". Wie wäre denn

Was blieb,
war meine Spur im Schnee
der heute
schon längst nicht mehr liegt

Liebe Grüße
max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 01.05.2006, 19:04

Liebe Louisa. lieber Max!

Wie wäre es denn damit für den Schluß:

Was blieb,
das war der Schnee
von deinem Fuß
geprägt
und heute längst geschmolzen.

Ich werde das Gedicht dann in den nächsten Tagen editieren

mit liebem Gruß moshe.c


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 34 Gäste