Chanukah
Orit und Bernd verließen immer gemeinsam das Haus auf dem Weg zur Schule. Solange sie zurück denken konnten, hatten sie dort mit ihren Familien gelebt. Orit unten und Bernd oben. Heute war es kalt, leicht unter null Grad, aber eine bestimmte Klarheit hing in der Luft, halt Dezember-Klarheit.
Bernd trottete ein wenig mürrisch aus dem Haus und wartete gleich neben der Haustür auf Orit. Die Tür öffnete sich und Orit kam fröhlich durch die Tür gehüpft, in neuen bunten Kleidern.
„Du siehst aber schön aus!“, entfuhr es Bernd.
„Na klar, Chanukah, Chanukah ...“, summte Orit, und hüpfe von Bein zu Bein an Bernd vorbei.
„Ich hab mir von meinem Chanukah-Geld neue bunte Kleider gekauft, wie ich sie schon immer wollte“, hüpfte Orit, und Bernd beeilte sich nachzukommen.
„Ja, aber, was ist denn Chanukah-Geld?“, fragte Bernd.
Orit blieb stehen. „Bekommst du denn jetzt nichts? Es ist doch Chanukah-Zeit.“
Bernd schaute auf den Boden, sagte: „Nee, jetzt noch nicht, aber zu Weihnachten, da bekomme ich auch was, vom Weihnachtsmann unterm Tannenbaum.“
„Na siehste, es kommt auch zu dir, das Geschenk mit dem Licht.“
Und sie hüpfte weiter und summte: „Auch Bernd kriegt was, Bernd kriegt was ...“ Bernd versuchte hinterherzukommen, war bald außer Atem und stapfte hinterher.
Orit stoppte bei Mesut, dem Gemüsehändler, der immer eine Banane, einen Apfel, oder eine Birne für die beiden hatte. Das nahmen sie dann mit in die Schule.
„Hey, Mesut, geht’s dir gut?“, fragte Orit, als sie vor dem Laden stoppte.
„Ah, Orit, ich hab schon auf dich gewartet. Heute habe ich etwas Besonderes für dich. Aber wo ist denn Bernd?“
„Der kommt gleich um die Ecke. Was hast du denn für mich?“
„Erdbeeren, Orit, ich habe Erdbeeren aus dem Land deiner Väter. Die sind so gut wie die Datteln von dort.“
„Erdbeeren, mitten im Winter? Mesut, du spinnst ja wohl ... so gut wie die Datteln sollen sie sein? Na, das glaube ich nicht.“
Bernd kam um die Ecke geschlittert und Orit fing ihn mit den Armen auf, flüsterte ihm ins Ohr: „Der Mesut spinnt heute. Er sagt, er hat Erdbeeren, die so gut sind wie Datteln. Lass dir nichts anmerken, wenn er dir davon erzählt.“
Bernd rappelte sich zurecht, und stand wieder gerade auf den Beinen.
„Hey, Bernd, willst du eine Erdbeere?“
„Ich weiß nicht.“
„Doch, probier mal, echt gut.“
Bernd schaute Orit an, aber die war mit ihrem verrutschten Schulranzen beschäftigt.
„Na, gib mal her, wenn es denn sein muss“, und tatsächlich gab ihm Mesut eine Erdbeere, so rot, wie Erdbeeren sind, fast so kalt, wie es an diesem Tag war.
Bernd steckte die Erdbeere in den Mund und wurde rot.
„Mesut, Mesut, das ist ja wirklich eine Erdbeere, und wie die schmeckt! Fast wie eine Dattel!“
„Na, das habe ich Orit doch auch schon gesagt, aber die wollte ja noch nicht einmal probieren.“
Orit war inzwischen schon weitergehüpft und Bernd sagte noch: „Danke, Mesut“, und dann hastete er Orit hinterher.
Orit hüpfte und hüpfte immer weiter, bis Bernd sie an der großen Buche einholte.
„Orit, nun bleib doch mal stehen, ich will dir etwas erzählen“, und Orit drehte sich um und wartete.
„Orit, Orit, der Mesut ...“, und er stolperte und fiel der Länge nach in den Schnee.
Orit lachte, aber während Bernd wieder aufstand, bewegte sich der große Baum, schüttelte Schnee ab, und eine tiefe Stimme kam aus dem Stamm: „Wer rührt an meinen Wurzeln in dieser Zeit?“
Die beiden schauten sich an und erstarrten.
„Wer wagt es, meinen Winterschlaf zu stören?“, war deutlich zu hören.
„Entschuldige, ich bin nur gestolpert“, haspelte Bernd eiligst und schmiegte sich ängstlich an Orit.
„Wir wollten eigentlich nur vorbeigehen“, fügte Orit hinzu.
„Man geht an mir nicht einfach so vorbei“, sagte die Stimme des Baumes. „Wer seid ihr denn?“, fragte er weiter.
„Ich bin Orit, und das ist Bernd, und wir wollen nur zur Schule“, antwortete Orit mutig.
„So, zur Schule wollt ihr, hm, aber da lernt ihr doch gar nicht Richtiges, haha“, brummte die Stimme.
„Aber doch“, antwortete Orit. „Die Lehrer sagen uns alles, und wir lernen es.“
„Hahaha“, lachte der Baum. „Die Lehrer, hahaha, na da bin ich ja froh, dass ihr mich aufgeweckt habt“, und der Baum wackelte vor Lachen, dass auch noch der letzte Schnee von ihm fiel. Dann bog er einige zarte Äste herab, umfasste die beiden und hob sie in die Luft vor seinen Hauptstamm.
„Hilfe!“, schrie Orit. Bernd wurde auch ganz schlecht und er verlor seine rote Pudelmütze. Der Baum bog ein weiteres Ästchen herab und setzte damit die Mütze vorsichtig wieder auf Bernds Kopf.
„Ihr braucht keine Angst zu haben“, kam es aus dem knorrigen Stamm. „Ich liebe Kinder, und vor allem die, die etwas wissen wollen.“ Und schwenkte dabei die beiden ganz dicht vor seinen dicken Stamm. Die Rinde öffnete sich an einer Stelle, ein hölzernes Tor wurde sichtbar, welches sich knarrend öffnete. Dort hinein schwenkte der Baum mit seinen Ästen die beiden und setzte sie vorsichtig ab.
Beide standen nebeneinander auf einer weiten, weißen Fläche, in deren Mitte ein kleines flackerndes Licht brannte. Ringsrum waren nur schwarze glatte Wände zu sehen.
„Bernd, mir ist so unheimlich“, flüsterte Orit.
„Mir auch“, flüsterte Bernd zurück.
Eine Weile passierte gar nichts, die beiden bewegten sich nicht, wagten kaum zu atmen und das Licht flackerte ein wenig.
Dann erfasste die beiden ein kleiner Lufthauch und wisperte: „ Was wollt ihr hier?"
Die beiden schauten sich an und es wisperte wieder: „Was wollt ihr?“
Orit fasste sich ein Herz und flüsterte zurück: „Wir wollen gar nichts. Wir wurden hier abgestellt.“
„Hier wird man nicht einfach so abgestellt. Was wollt ihr?“, wisperte es zurück.
„Wir wollen wirklich nichts“, flüsterte Bernd etwas lauter. „Der Baum hat uns hierher gebracht.“
„Soso der Baum, ja also der Baum. Ich werde mich erkundigen.“
Dann war wieder Stille und das Licht flackerte fast gar nicht.
Ein neuer Lufthauch entstand und wisperte: „Der Baum hat euch ausgewählt. Ihr werdet die Erneuerung des Lichts auf die Welt bringen, aus der ihr kommt.“
„Wir? Wieso denn wir?“, entfuhr es den beiden fast gleichzeitig.
„Der Baum sagt, weil ihr so gut zusammenpasst.“
Die beiden schauten sich an und ein freudiges Lächeln war in ihren Augen zu sehen.
„Stimmt“, flüsterte Orit noch leise vor sich hin.
„Habt keine Angst vor dem, was jetzt passiert“, wisperte die Luft. „Habt ganz einfach Vertrauen.“ Dann war wieder Stille.
Leise bewegte sich die Luft mehr und mehr, das kleine Licht flackerte aufgeregt. Eine Hülle bildete sich um Orit und Bernd, wie ein Luftballon und sie fingen an zu schweben, schwebten über die Flamme, von der sich kleine Fünkchen lösten, die sich auf die Hülle ihres Ballons setzten.
Nach einiger Zeit funkelte der Ballon mit Orit und Bernd darin wie eine Zauberkerze. Eine Weile sahen die beiden Kinder gar nichts.
Schließlich konnten sie wieder etwas sehen und erkannten, wie ihr Ballon von Wohnzimmer zu Wohnzimmer auf der Erde flog, von Weihnachtskranz zu Chanukah-Licht, von Chanukah-Licht zu Yule-Licht, und sich jeweils ein kleines Fünkchen von ihrem Ballon löste und auf ein Licht dort niederging.
Am Schluss, als nur noch ein Fünkchen an ihrem Ballon übrig war, schwebten sie im Wohnzimmer von Orit. Das letzte Fünkchen löste sich von ihrem Ballon und sprang auf die Bommel von Bernds roter Pudelmütze. Orit sah es und gab sich Mühe, nicht laut zu kichern.
Die beiden landeten sanft auf dem Teppich und der Ballon war verschwunden.
Bernd sah Orit an: „Das war aber toll!“, sagte er. „Kommt das von dir?“
„Ich weiß nicht“, sagte Orit, „Mir kommt es so vor, als ob es von dir kommt. Vielleicht ist es ja wegen uns beiden.“
Orit konnte den Blick kaum von dem lustig flackernden Fünkchen auf Bernds Bommel wenden, und versuchte angestrengt, nicht zu kichern, als sie wieder einen Lufthauch spürte und ein Wispern hörte: „Bernd soll das zweite Chanukah-Licht anzünden, hörst du, hörst du?“
Orit sprang auf und lief zu ihrem Vater, der dort Gebete murmelnd auf und ab ging. „Papa, Papa, darf der Bernd heute den Chanukah-Leuchter anzünden? Bitte, bitte.“
Der Vater stoppte, murmelte noch das Gebet zu Ende und schaute Orit nachdenklich an.
„Hm, hm, eigentlich spricht nichts dagegen. Ja, aber du musst es ihm genau erklären“, und setzte seine Gebete fort.
Orit rannte zu Bernd und gab ihm ein Küsschen auf die Wange. „Du, der Papa hat gesagt, du darfst heute das Chanukah-Licht anzünden, ist das nicht toll?“, und das Licht auf Bernds Bommel flackerte aufgeregt.
„Aber, aber ...“, stotterte Bernd, „ich weiß gar nicht, wie das geht.“
„Das macht doch nichts, ich werde es dir erklären“, sagte Orit und schaute Bernd stolz an.
„Schau mal, da an dem Fenster steht er, der Chanukah-Leuchter. Der hat acht Arme, weil es einmal vor sehr langer Zeit ein Wunder gab. Da brannte das geweihte Öl für das Licht im Tempel acht Tage, obwohl es normalerweise nur für einen Tag gereicht hätte. Und das feiern wir, bis zum heutigen Tag. In der Mitte vom Leuchter ist der Shamash, das ist der Diener, mit dem man die Kerzen jeden Tag neu anzündet. Jeden Tag kommt eine Kerze dazu und am letzten Tag brennen alle acht und so lange dauert Chanukah – acht Tage und jeden Tag wird es heller. Ist das nicht prima?“
„Ja, finde ich auch“, stimmte Bernd zu. „Aber was muss ich denn genau machen?“
„Wenn Papa mit seinen Gebeten gleich fertig ist, wird er den Shamash anzünden und dann machen wir das andere Licht aus. Er gibt dir den Shamash und du zündest dann die neue, zweite Kerze damit an. Und dann die erste von gestern. Wenn du damit fertig bist, schauen wir für ein halbes Stündchen ganz einfach auf das Licht, freuen uns über den Glanz und dann gibt’s was Tolles zu essen.“
„Ok, und wann geht es los?“, fragte Bernd.
„Na gleich, ok?“
„Ok“, erwiderte Bernd.
Orits Vater legte das Gebetbuch zur Seite und ging zum Chanukah-Leuchter, nahm den Shamash aus der Halterung und zündete ihn an. Orits Mutter knipste das Licht aus, Bernd stand auf und ging zum Vater. „Bernd, schön, dass du bei uns bist. Hat dir Orit alles gut erklärt?“
„Ich glaube ja“, antwortete Bernd.
Der Vater gab Bernd den Shamash und trat einen Schritt zurück. In dem Moment sprang das Licht von Bernds Bommel flackernd in das Licht des Shamash. Nur Orit sah es und freute sich.
Bernd zündete die neue Kerze an, dann die von gestern, steckte den Shamash in die Halterung in der Mitte, ging zurück zu Orit und gab ihr ein Küsschen auf die Wange.
Mit leuchtenden Augen schauten alle in Stille auf das schöne Licht.
chanukah
Hallo Moshe,
ich hatte den Text gelesen, war mir unsicher. Ich habe ihn heute wieder gelesen, bin mir immer noch unsicher und schreibe trotzdem.
Warum ich unsicher war, ist dir sicher klar. Du benutzt den Namen Orit. Orit kennen wir im Salon natürlich alle. Orit ist hier ein jüdisches Mädchen, das einen christlichen Freund hat: Bernd, Ich dachte, ehrlich gesagt, dass Du Bernd sein könntest. Du merkst schon, ich kann den Text nicht unter den üblichen Schlegel-Regeln lesen und kommentieren. Das funktioniert nicht, da der Name Orit für mich mit moshe verbunden ist, jemanden den ich als Forumsuser kenne, und nicht zu vergessen, Orit kenne ich auch als Forumsuserin.
Also, Orit hat einen christlichen Freund. religiöse oder sonst welche Feindseligkeiten sind beiden fremd, sie mögen sich, eine sehr schöne Freundschaft. Es gibt eine Art Traumsequenzszene , in der Orit Bernd im Verdacht hat, er könne die Welt veränden (negativ?). Aber die ist schnell überwunden. Orit wünscht sich, ihr Freund Bernd würde am Chanukah-Fest teilnehmen und überedet ihren skeptisch wirkenden Vater. Es wird ein schönes Fest. Von den Erdbeeren, die nach Datteln schmecken, von der Chanukahbeschenkung, die mit Weihnachten verglichen wird, prägt die Note der Freundschaft und der Verbundenheit jenseits der Vorurteile anderer (Orit und Bernd zeigen nun wirklich keine Vorurteile) den Text. Orit und Bernd lassen sich von niemanden und nichts in ihrer Freundschaft beirren. Sie sind Freunde und das ist gut so.
Ich breche dann mal alle Schlegelregeln und motze an diesen beiden Stellen:
Sie ist schon im vorherigen Satz am Laden gestoppt. Der Satz ist eine Wiederholung, einfach weglassen.
Orit will unbedingt, dass Bernd eine Erdbeere probiert, ist dann aber mit ihrem Schulranzen beschäftigt. Die Kinder, die ich kenne, hätten die Reaktion auf das Essen abgewartet und auf Schulranzen gepfiffen.
Das war dann die Motzerei. Ansonsten habe ich diesen warmherzigen Text gern gelesen.
Jürgen
ich hatte den Text gelesen, war mir unsicher. Ich habe ihn heute wieder gelesen, bin mir immer noch unsicher und schreibe trotzdem.
Warum ich unsicher war, ist dir sicher klar. Du benutzt den Namen Orit. Orit kennen wir im Salon natürlich alle. Orit ist hier ein jüdisches Mädchen, das einen christlichen Freund hat: Bernd, Ich dachte, ehrlich gesagt, dass Du Bernd sein könntest. Du merkst schon, ich kann den Text nicht unter den üblichen Schlegel-Regeln lesen und kommentieren. Das funktioniert nicht, da der Name Orit für mich mit moshe verbunden ist, jemanden den ich als Forumsuser kenne, und nicht zu vergessen, Orit kenne ich auch als Forumsuserin.
Also, Orit hat einen christlichen Freund. religiöse oder sonst welche Feindseligkeiten sind beiden fremd, sie mögen sich, eine sehr schöne Freundschaft. Es gibt eine Art Traumsequenzszene , in der Orit Bernd im Verdacht hat, er könne die Welt veränden (negativ?). Aber die ist schnell überwunden. Orit wünscht sich, ihr Freund Bernd würde am Chanukah-Fest teilnehmen und überedet ihren skeptisch wirkenden Vater. Es wird ein schönes Fest. Von den Erdbeeren, die nach Datteln schmecken, von der Chanukahbeschenkung, die mit Weihnachten verglichen wird, prägt die Note der Freundschaft und der Verbundenheit jenseits der Vorurteile anderer (Orit und Bernd zeigen nun wirklich keine Vorurteile) den Text. Orit und Bernd lassen sich von niemanden und nichts in ihrer Freundschaft beirren. Sie sind Freunde und das ist gut so.
Ich breche dann mal alle Schlegelregeln und motze an diesen beiden Stellen:
fragte Orit, als sie vor dem Laden stoppte.
Sie ist schon im vorherigen Satz am Laden gestoppt. Der Satz ist eine Wiederholung, einfach weglassen.
Bernd schaute Orit an, aber die war mit ihrem verrutschten Schulranzen beschäftigt.
Orit will unbedingt, dass Bernd eine Erdbeere probiert, ist dann aber mit ihrem Schulranzen beschäftigt. Die Kinder, die ich kenne, hätten die Reaktion auf das Essen abgewartet und auf Schulranzen gepfiffen.
Das war dann die Motzerei. Ansonsten habe ich diesen warmherzigen Text gern gelesen.
Jürgen
Kerzen – vom Zeitgeist entzündet
Religion ist in erster Linie destruktiv. Nichts hat im Laufe der Menschheitsgeschichte mehr Leben gekostet, nichts hat mehr Kriege ausgelöst, als die unzähligen Streitereien darüber, wie man einen bestimmten Gott anbeten sollte. Beispiele anzuführen wäre langweilig, sie sind hinlänglich bekannt.
Zwar hat sich der Mensch spätestens ab dem 19. Jahrhundert von der Vorstellung einer allesüberwaltenden Gottheit emanzipiert, hat an ihre Stelle die empirische Wissenschaft gestellt, musste aber nach zwei Weltkriegen feststellen, dass auch dies nicht unbedingt zum Frieden beitrug. Das Modell einer säkularisierten Weltgesellschaft war zwar eine Alternative, aber keine bessere. Zumal sie das intrinsekative Bedürfnis des Menschen, sich einer höheren Macht zuzuwenden völlig außer Acht gelassen oder zumindest unterschätzt hatte. Die Folge war, dass das Religiöse sich ins Politische oder Soziale verflüchtigte, wobei das spirituelle Feld gänzlich dem Esoterischen und Phantastischen überlassen wurde. Diese Flucht hat der Religion nicht geschadet. Nicht in den sogenannten aufgeklärten Gesellschaften, in denen das Soziale eine hohen Stellenwert einnimmt. Und dort, wo Politik nichts anderes ist, als der unmittelbare Reflex auf urbane oder auch globale Entwicklungen, kann die Religion sämtliche rationellen Argumentationslücken füllen, wenn es darum geht, aggressive und reaktionäre Regierungshandlungen zu verteidigen.
Die also seit fast zweihundert Jahren todgesagte Religion ist lebendiger den je. Und da sie nicht weniger destruktiv ist, wie seit Anbeginn, aber mittlerweile von so vielen wieder geschätzt wird, ist man allgemein bedacht, ihr einen Mäntelchen der Liebe umzuhängen. Am liebsten zur Weihnachtszeit. Jahreszeitlich bedingt scheinen die Unstimmigkeiten sowieso einzufrieren. Da ist eine globale Friedensbotschaft mehr als opportun. Man gefällt sich darin, ein guter Mensch zu sein und das S.O.S. Kinderdorf bekommt sein Obolus, genau wie der verlauste Bettler in der Fußgängerzone. Friedensbotschaften donnern von allen Kanzeln und selbst der iranische Psychopath scheint mal einen Gang heruntergeschaltet zu haben.
Trotz aller Weihnachterei beißen sich aber die meisten lieber die Zunge ab, als von diesem Fest als der Geburt Gottes zu sprechen. Von Jesus redet kaum jemand. Bibelfilme laufen nur in schwach frequentierten Spartensendern. Die führenden Sender spielen dagegen zur Primetime Harry Potter und den Herrn der Ringe. In den Videotheken leiht man sich Pans Labyrinth und die Brücken von Narnja. Kein Zufall, wie mir scheint. Denn der weihnachtlichen Friedensbotschaft mag keiner mehr so recht Glauben schenken. Zumal nach der Abschaffung Gottes, niemand mehr da ist, dem man eine solche große Aufgabe zutrauen kann. Dann also die Flucht in eine Fantasiewelt, in der weiße Zauberer, androgyne Elfen oder mutierte Superhelden beherzten Menschenkindern helfen, die Welt vom Bösen zu befreien. Ein mutiger Mensch zu sein, reicht nicht aus. Man braucht zumindest die Hilfe eines mythischen Wesens mit übermenschlichen Fähigkeiten. Darunter geht es nicht. ( Außer man ist Bruce Willis).
Der Mensch ist immer auf der Flucht vor der von ihm nicht zu beeinflussenden, grausamen Realität. Es gab Zeiten, da konnte er nach belieben sich in vielfältige Räusche stürzen, religiöse oder pflanzliche. In dem Maße aber, wie der Gesundheitswahn und political correctness voranschreiten, wird die Flucht ins Esoterische zunehmen.
Jetzt habe ich zwar weit ausgeholt, aber bin trotzdem immer dicht an moshes Geschichte geblieben. Denn sie ist ein Beweis, für das oben Geschriebene. Auch hier haben wir einerseits das Religiöse als trennendes Element, daneben den Wunsch des Menschen, diese Trennung zu überwinden, Frieden zu schaffen. Und dann das Mythische, Übermenschliche, was den gutherzigen Erdenbürgerlein hilft, diesen Frieden zu bewirken. Diese Geschichte bedient den Zeitgeist, vielleicht mehr, als dem Autor bewusst ist.
Die Geschichte wartet mit einigen interessanten Einzelheiten auf. So ist es Bernd, der Christ, der die Erdbeeren, die wie Datteln schmecken probiert. Das passt insofern, als vor allem die katholische Religion eine durch und durch sinnliche ist. Orit dagegen zieht es zur Schule, den Räumen der Gelehrsamkeit. Sie lässt sich von Geschichten über Erdbeeren, die wie Datteln schmecken nicht ablenken. (Außer, sie würde etwas darüber in einem Buch lesen).
Auch dass es gerade ein Baum ist, der zu den Kindern spricht, scheint nicht zufällig zu sein. Der Baum des Lebens spielt, in erster Linie in der jüdischen, aber auch der christlichen Religion eine nicht unerhebliche Rolle.
Orit und Bernd werden in einem Luftballon um die Welt geschickt um Kerzen zu entzünden und damit Frieden zu stiften. Gerade hier trifft die Geschichte den, nach naiven und einfachen Lösungen suchenden Zeitgeist, der vor der komplexen, globalen Realität längst kapituliert hat.
Am Ende ist Bernd zu Gast bei Orits Familie und darf sogar die Chanuka Kerzen entzünden. Obwohl er ein Christ ist. Nur muss er sich dessen bewusst sein, was er macht. In dieser Szene liegt das verborgen, was die wirkungsvollste Waffe gegen das Dilemma unserer Welt wäre. Toleranz, Verständnis, der Wunsch etwas über den anderen zu lernen, den anderen in seine religiöse Welt zu begleiten, ohne die eigene deswegen aufgeben zu müssen.
Aber soweit wird es nie kommen. Dessen ist sich der Autor offenbar bewusst. Deswegen hat auch er Zuflucht genommen, zum Mystischen und Mythischen. Dabei wäre eine Geschichte ohne sprechenden Baum, ohne Umherfliegen im Ballon, eine Geschichte zweier Kinder, die religiöse Brücken spielerisch und neugierig überwinden, die schönere, tröstlichere, aber um vieles unrealistischere Geschichte gewesen.
Religion ist in erster Linie destruktiv. Nichts hat im Laufe der Menschheitsgeschichte mehr Leben gekostet, nichts hat mehr Kriege ausgelöst, als die unzähligen Streitereien darüber, wie man einen bestimmten Gott anbeten sollte. Beispiele anzuführen wäre langweilig, sie sind hinlänglich bekannt.
Zwar hat sich der Mensch spätestens ab dem 19. Jahrhundert von der Vorstellung einer allesüberwaltenden Gottheit emanzipiert, hat an ihre Stelle die empirische Wissenschaft gestellt, musste aber nach zwei Weltkriegen feststellen, dass auch dies nicht unbedingt zum Frieden beitrug. Das Modell einer säkularisierten Weltgesellschaft war zwar eine Alternative, aber keine bessere. Zumal sie das intrinsekative Bedürfnis des Menschen, sich einer höheren Macht zuzuwenden völlig außer Acht gelassen oder zumindest unterschätzt hatte. Die Folge war, dass das Religiöse sich ins Politische oder Soziale verflüchtigte, wobei das spirituelle Feld gänzlich dem Esoterischen und Phantastischen überlassen wurde. Diese Flucht hat der Religion nicht geschadet. Nicht in den sogenannten aufgeklärten Gesellschaften, in denen das Soziale eine hohen Stellenwert einnimmt. Und dort, wo Politik nichts anderes ist, als der unmittelbare Reflex auf urbane oder auch globale Entwicklungen, kann die Religion sämtliche rationellen Argumentationslücken füllen, wenn es darum geht, aggressive und reaktionäre Regierungshandlungen zu verteidigen.
Die also seit fast zweihundert Jahren todgesagte Religion ist lebendiger den je. Und da sie nicht weniger destruktiv ist, wie seit Anbeginn, aber mittlerweile von so vielen wieder geschätzt wird, ist man allgemein bedacht, ihr einen Mäntelchen der Liebe umzuhängen. Am liebsten zur Weihnachtszeit. Jahreszeitlich bedingt scheinen die Unstimmigkeiten sowieso einzufrieren. Da ist eine globale Friedensbotschaft mehr als opportun. Man gefällt sich darin, ein guter Mensch zu sein und das S.O.S. Kinderdorf bekommt sein Obolus, genau wie der verlauste Bettler in der Fußgängerzone. Friedensbotschaften donnern von allen Kanzeln und selbst der iranische Psychopath scheint mal einen Gang heruntergeschaltet zu haben.
Trotz aller Weihnachterei beißen sich aber die meisten lieber die Zunge ab, als von diesem Fest als der Geburt Gottes zu sprechen. Von Jesus redet kaum jemand. Bibelfilme laufen nur in schwach frequentierten Spartensendern. Die führenden Sender spielen dagegen zur Primetime Harry Potter und den Herrn der Ringe. In den Videotheken leiht man sich Pans Labyrinth und die Brücken von Narnja. Kein Zufall, wie mir scheint. Denn der weihnachtlichen Friedensbotschaft mag keiner mehr so recht Glauben schenken. Zumal nach der Abschaffung Gottes, niemand mehr da ist, dem man eine solche große Aufgabe zutrauen kann. Dann also die Flucht in eine Fantasiewelt, in der weiße Zauberer, androgyne Elfen oder mutierte Superhelden beherzten Menschenkindern helfen, die Welt vom Bösen zu befreien. Ein mutiger Mensch zu sein, reicht nicht aus. Man braucht zumindest die Hilfe eines mythischen Wesens mit übermenschlichen Fähigkeiten. Darunter geht es nicht. ( Außer man ist Bruce Willis).
Der Mensch ist immer auf der Flucht vor der von ihm nicht zu beeinflussenden, grausamen Realität. Es gab Zeiten, da konnte er nach belieben sich in vielfältige Räusche stürzen, religiöse oder pflanzliche. In dem Maße aber, wie der Gesundheitswahn und political correctness voranschreiten, wird die Flucht ins Esoterische zunehmen.
Jetzt habe ich zwar weit ausgeholt, aber bin trotzdem immer dicht an moshes Geschichte geblieben. Denn sie ist ein Beweis, für das oben Geschriebene. Auch hier haben wir einerseits das Religiöse als trennendes Element, daneben den Wunsch des Menschen, diese Trennung zu überwinden, Frieden zu schaffen. Und dann das Mythische, Übermenschliche, was den gutherzigen Erdenbürgerlein hilft, diesen Frieden zu bewirken. Diese Geschichte bedient den Zeitgeist, vielleicht mehr, als dem Autor bewusst ist.
Die Geschichte wartet mit einigen interessanten Einzelheiten auf. So ist es Bernd, der Christ, der die Erdbeeren, die wie Datteln schmecken probiert. Das passt insofern, als vor allem die katholische Religion eine durch und durch sinnliche ist. Orit dagegen zieht es zur Schule, den Räumen der Gelehrsamkeit. Sie lässt sich von Geschichten über Erdbeeren, die wie Datteln schmecken nicht ablenken. (Außer, sie würde etwas darüber in einem Buch lesen).
Auch dass es gerade ein Baum ist, der zu den Kindern spricht, scheint nicht zufällig zu sein. Der Baum des Lebens spielt, in erster Linie in der jüdischen, aber auch der christlichen Religion eine nicht unerhebliche Rolle.
Orit und Bernd werden in einem Luftballon um die Welt geschickt um Kerzen zu entzünden und damit Frieden zu stiften. Gerade hier trifft die Geschichte den, nach naiven und einfachen Lösungen suchenden Zeitgeist, der vor der komplexen, globalen Realität längst kapituliert hat.
Am Ende ist Bernd zu Gast bei Orits Familie und darf sogar die Chanuka Kerzen entzünden. Obwohl er ein Christ ist. Nur muss er sich dessen bewusst sein, was er macht. In dieser Szene liegt das verborgen, was die wirkungsvollste Waffe gegen das Dilemma unserer Welt wäre. Toleranz, Verständnis, der Wunsch etwas über den anderen zu lernen, den anderen in seine religiöse Welt zu begleiten, ohne die eigene deswegen aufgeben zu müssen.
Aber soweit wird es nie kommen. Dessen ist sich der Autor offenbar bewusst. Deswegen hat auch er Zuflucht genommen, zum Mystischen und Mythischen. Dabei wäre eine Geschichte ohne sprechenden Baum, ohne Umherfliegen im Ballon, eine Geschichte zweier Kinder, die religiöse Brücken spielerisch und neugierig überwinden, die schönere, tröstlichere, aber um vieles unrealistischere Geschichte gewesen.
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