Cento, blau

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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fenestra
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Beitragvon fenestra » 21.10.2009, 23:02

Im kupfernen Sand
am blaugrauen Grund schläft der Krebs
unter stummen Fischen.

Nur Möwen in den Marschen schreien heiser.
Heben sich die Flügel
dann schreibe keine Briefe.

Auf schimmernden Sandwegen und Sandalen
bring keine Blumen, ihr aufregender Duft
dem jungen Boden entrissen

schweigt in mein Kissen.
Ach könnten wir verwischen
Begierden, Ängste, Zögern oder Streben!

Janusköpfig zwischen Welten
summt dieses alte Kinderlied
und zerstückelt den Blick auf den Himmel.



Ein Cento ist ein Flickengedicht. Diese Art der Montage war schon in der Antike bekannt. Es besteht aus (höchstens minimal veränderten) Zeilen anderer Gedichte. Dieses Cento besteht aus Zeilen folgender Gedichte der blauen Anthologie:

Gebogener Strand von Louisa

meerwassertraumschaum von woitek

Unterwasserwelt von Last


Ebbe abends von Zaunkönig

Die Mücken von Thea

Septemberschnee von Paul Ost


Der ganze Park von Louisa

Astern von Caty

Der Ruf des Condors von Gabriella


sand geritzt von noel

Springflut von leonie

Nebelwelt von ferdi


Küstenkanal von Bilbo

nicht flüchtig von jondoy

Wie tief ist das Wasser? von Last

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 25.10.2009, 14:33

Und außerdem ist dir hier ein eigenständiges Gedicht gelungen, das prima für sich selbst steht/schwebt. ,-)


Danke! :drück:

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 25.10.2009, 15:22

Hallo fenestra,

mmmh, mich überzeugt es nicht, es bleibt irgendwie ein schales Gefühl zurück und das liegt wohl in der Form begründet und teilweise auch an deinen Erklärungen. (Ähnlich ging es mir auch bei deinen Variationen zu ferdis Zeilen.)
Was dir nun natürlich auf deinen Text bezogen nicht viel bringt, also nur als kleine Rückmeldung.
Ich war gespannt, wie es auf mich wirken wird und du hast das sicher handwerklich ganz hervorragend gemacht, aber ich merke, mir fehlt das, was für mich zu Texten gehört, sie ausmacht, die eigene Sprache, das eigene Wort, der Gedanke darin, das Herzblut oder die Seele, wie auch immer man es nennen mag.

Ich habe nicht versucht, das neu entstandene Gedicht inhaltlich in eine besondere Richtung zu lenken, sondern wollte es schweben lassen.

Vielleicht ist das der Grund, warum es mich nicht berührt, oder ich mich nicht darauf einlassen kann oder will, es ziemlich ernüchtert angeschaut habe mit diesem Gefühl, dass ich die Luftballone zwar schön finden kann, aber dass sie mich nicht tragen werden.
Vermutlich hast du da einen (vielleicht auch beneidenswerten) spielerischen Zugang. Ich wüsste gar nicht, warum ich das überhaupt versuchen sollte.

liebe Grüße
Flora

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 25.10.2009, 18:40

Liebe fenestra,

also dieses Zusammenfügen, sei es den Klang oder hier dieses Flickengedicht, das liegt dir wirklich. Für mich hast du da eine ganz besondere Begabung, weil du zum einen fein genug vorgehst und dann auch noch genug Selbstbewusstsein/Selbstgefühl - beides für die Wahl so wichtig.
Und so überzeugt mich auch dieser Text wieder sehr! Nicht nur im ersten Moment des Lesens und der Überraschung (die im übrigen auch wie bei Stefan auch bei mir auch eine leise Ahnung als Späher vorausschickte, so etwas wäre nämlich auch die Idee für mich gewesen...das gefällt mir sehr, dieses Zusammen. Und ich finde auch, dass du behutsam vorgegangen bist, nicht völlig willkürlich, aber auch verspielt/offen genug. So beschleicht mir nur an drei Stellen ein leichtes "Poetron"-gefühl (falls du (bestimmt!) schon mal von diesem Gedichteautomaten gehört hast) und zwar zweimal aufgrund der grammatischen Zusammenfügung, die mir sozusagen zu allgemein/passgenau erscheint und daher mich kurz entfernt:



Nur Möwen in den Marschen schreien heiser.
Heben sich die Flügel
dann schreibe keine Briefe.

Auf schimmernden Sandwegen und Sandalen
bring keine Blumen, ihr aufregender Duft
dem jungen Boden entrissen

Uns dann insgesamt driftet der Text etwas von seinem anfänglichen Metaphorikmaß ab - er beginnt mit der Zusammenfügung von Möwen und Briefen und endet bei Janusköpfig - weißt du, was ich meine? Die Kräftigkeit, betonte Bedeutsamkeit nimmt zu. Hier spürt man auch etwas das Arrangement.

Am meisten begeistern mich zugegebner Maßen die ersten beiden Strophen, die finde ich großartig und autark - danach wird es minimal wiederholend, gelungen aber natürlich immer noch!

Danke für diese tolle Idee!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 25.10.2009, 21:13

Liebe Flora,

aber ich merke, mir fehlt das, was für mich zu Texten gehört, sie ausmacht, die eigene Sprache, das eigene Wort, der Gedanke darin, das Herzblut oder die Seele, wie auch immer man es nennen mag.


gern hätte ich gewusst, ob du das auch geschrieben hättest, wenn du über die Machart dieses Gedichtes nichts gewusst hättest. Aber das werden wir jetzt nicht mehr herausfinden.

Zwar versuche ich bei einem solchen Text nicht, zu viele eigene Gedanken hineinzuzwängen, aber ich versuche schon, hinterher selbst etwas herauszulesen. Das mag ich gerade an diesen Zufallstechniken: Dass sie Assoziationen ermöglichen und Zusammenhänge erschließen, auf die man sonst nicht gekommen wäre innerhalb unserer ausgetretenen Denkpfade. Natürlich kann ich nicht erwarten, dass jeder Leser das genau so empfindet.

Mit dem Herzblut halte ich es beim Dichten eher so, wie Gottfried Benn es rät und wie es Ulrich Greiner in dem folgenden Interview erläutert:

http://www.literaturcafe.de/herzschmerz ... cast-2009/

"Der Dichter muss sein Material kalt halten."


Liebe Lisa,

Und dann insgesamt driftet der Text etwas von seinem anfänglichen Metaphorikmaß ab - er beginnt mit der Zusammenfügung von Möwen und Briefen und endet bei Janusköpfig - weißt du, was ich meine?


Ja, ich weiß genau, was du meinst. Auch mir selbst gefiel dieses Abdriften in "betonte Bedeutsamkeit" nicht hundertprozentig, ich wäre lieber bei diesen anfäglichen Stimmungsbildern geblieben. Dann ist es widerum sehr schwer, einen Schluss zu finden und so einen Text (auch rein grammatikalisch) rund zu bekommen. Daher habe ich dann doch zugelassen, dass der Text sich so weiter entwickelt. (Vielleicht auch, weil ich die Suche nach weiteren passenden Puzzle-Teilen zu früh aufgegeben habe).

Die beiden "Poetron"-Stellen (damit möchte ich dann aber doch lieber nicht verglichen werden *gg*) mag ich deshalb, weil sie eine Art Kipp-Wirkung haben. Der Leser stutzt, weil er mit dieser Fortführung des Satzes nicht rechnen konnte.

Heben sich die Flügel
dann schreibe keine Briefe.

Auf schimmernden Sandwegen und Sandalen
bring keine Blumen, ihr aufregender Duft

Außerhalb von logischen Erwägungen können diese beiden Anweisungen vielleicht wie etwas Magisches empfunden werden, wie Zaubersprüche. Aber das nimmt jeder Leser natürlich wieder anders auf.

Es freut mich sehr, dass du diesen Versuch insgesamt als gelungen betrachtest. Danke für deinen Kommentar, der mir selbst die Wirkungsweise dieses Textes noch bewusster gemacht hat.

Liebe Grüße
fenestra

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 26.10.2009, 15:00

Hallo fenestra,

"Der Dichter muss sein Material kalt halten."

Wenn ich nur diesen Satz nehme, kann ich mit ihm (wie du dir vermutlich denken wirst .-)) in Bezug zu meinem Schreiben und auch Lesen, wenig anfangen. (Ich habe auch Schwierigkeiten mit Schreib- oder gar Leseratgebern und am liebsten würde ich jetzt sofort ein Herz-Schmerz-Gedicht schreiben. ;-)) Sicher bedarf es einer gewissen Distanz, um überhaupt in Worte finden zu können, aber ohne dass sich der Autor (wieder oder überhaupt) hineinbegibt, brauche ich mich als Leser auch nicht bemühen, weil ich dort dann nichts finden werde, außer mich selbst und das ist auf Dauer wenig reizvoll.
Was ich dann jedoch erstaunlich finde, weil es mir irgendwie zwiespältig erscheint, wenn du dann selbst (im Heckenrosenfaden) schreibst:
Ich habe es satt, dass mir ständig Emotionslosigkeit vorgeworfen wird.

Warum sollte beim Leser Emotion, Wärme ankommen, wenn der Autor seine Material bewusst kalt hält?

Das mag ich gerade an diesen Zufallstechniken: Dass sie Assoziationen ermöglichen und Zusammenhänge erschließen, auf die man sonst nicht gekommen wäre innerhalb unserer ausgetretenen Denkpfade.

Das ist sicher ein interessanter Aspekt.

Liebe Grüße
Flora

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 26.10.2009, 15:37

Hallo Flora,

ich weiß auch nicht, ob ich dieses Benn-Zitat für übermäßig brauchbar halte, aber immerhin & doch: es ist vom "Material" die Rede. Das, was dem Leser Emotionen vermittelt, ist ja das aus diesem Material errichtete sprachliche Gebäude.

Hallo Fenestra, ich habe vor Urzeiten mal ein Cento-Sonett eingestellt hier (Der alte Streit), das hat aber wohl keinen bleibenden Eindruck hinterlassen ;-)

In deinem Text, der mir wie allen anderen gut gefällt, scheinen mir die Zeilen 11 & 12 etwas herauszustechen, als passten sie nicht ganz zum Rest - ob das wohl was mit dem Umstand zu tun hat, das "meine" Zeile dabei ist? Hm, ich glaube aber eher, es hängt an diesem "Ach", das in der heutigen Lyrik ja nicht weit entfernt vom Herz-Schmerz-Reim angesiedelt ist ;-) Die Aufzählung im nächsten Vers verstärkt den Eindruck wohl nur noch.

Ich werde mal schauen, dass ich mir den Band von Greiner irgendwo ausleihe; sowas interessiert mich ja immer :-) Obwohl ich jedem, der weiß, was er will und tut, den Herz-Schmerz-Reim zugestehe, ohne Wenn und Aber!

Ferdigruß.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

jondoy
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Beitragvon jondoy » 27.10.2009, 00:19

fenestra hat geschrieben:
Ich find, aus ihm ist die Luft mittlerweile irgendwie raus. Es wurde schon zu viel erklärt, dadurch verliert ein solcher Text seine Aura,


Diesen Eindruck hatte ich selbst, nachdem ich leonie erklärt habe, wie ich zu dem Text kam. Vermutlich finden einige meine Vorgehensweise bei der Zeilenauswahl wieder zu mechanisch, aber es ist so, dass ich den fremden Zeilen nicht meinen eigenen Willen und meine Gedanken aufdrücken wollte. So habe ich sie wie Luftballons behandelt, die ich aus ihrem Strauß herauslöste und fliegen ließ. Ich habe nicht versucht, das neu entstandene Gedicht inhaltlich in eine besondere Richtung zu lenken, sondern wollte es schweben lassen. Dies geht durch die Erläuterungen dazu vielleicht etwas verloren, aber andererseits sind wir ein Literaturforum, um voneinander zu lernen und über unsere Arbeit zu sprechen. Daher habe ich leonie ihre Frage gern beantwortet.


Hallo fenestra,

eigentlich bin ich schon zu müde, aber darauf will ich noch antworten.
Ich hab das geschrieben, doch es war weicher gemeint, als du es aufgefasst hast. Hab selbst hab ja kaum Erfahrungen damit, schreib ja so gut wie nie eigene Texte,
Ich find gut, dass du Leonie ihre Frage gerne beantwortet hast.

Wenn ich Kommentare schreibe, fang ich fast immer positiv an, wenn ich mich mit einem Text eingehend beschäftige, steck ich oft viel Energie rein, dann kann es passieren, das während des Schreibens meine Stimmung auf einmal umkippt, dann beginn ich meinen Kommentar zu verändern, versuche ihn negativer gestalten, das ist meine Erfahrung.

Zitat:
"So habe ich sie wie Luftballons behandelt, die ich aus ihrem Strauß herauslöste und fliegen ließ."

Mit so einem Satz kann ich viel anfangen, das kommt meinem Wesen entgegen.
Ich hab mir heute während des Tages eine Begründung dafür parat gelegt. Ich weiss nicht, ob ich die noch einigermaßen hinkrieg. Ich erleb es bei kleinen Kindern. Die haben so eine unbändige Lebensfreude, das würde ich nie glauben, wenn ich es nicht selbst erleben würde. Da sind wir Erwachsene alt dagegen. Wir lassen keine Luftballone mehr steigen. Einfach so. Höchstens, wenn ein Gewinnspiel dranhängt. Glücklich der, der sich das bewahren kann. Es ist eine Fähigkeit.

Ich kann auch Floras Kritik verstehen. Ich bin ja selbst einer, der hinter Worten allzugern "Tieferes" zu finden sucht, vielleicht ist meine Position irgendwie mittendrin. Ich könnt mir ohne das eine und ohne das andere es nicht vorstellen.
Hab die nachfolgenden Kommentare heute alle gelesen. Hab festgestellt, das die Luft aus dem Text noch nicht raus war. Das ich mich geirrt hab. Alle nachfolgenden Kommentare haben mich bereichert.

Ferdi, auch dich nehme ich mittlerweile mehr wahr. Du bist eine sehr eigene Persönlichkeit. Das zeigt sich nicht nur an deinen Comics, die weit ab vom Main-Stream liegen.

Jetzt mach ich einfach Schluss, weil ich müde bin.

Gruß,
Stefan

ps. Ich seh, das der Kommentar doppelt dasteht. Es lässt sich nicht löschen.

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leonie
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Beitragvon leonie » 27.10.2009, 19:20

Ach, genau, ich wollte Dir noch sagen, fenestra, dass für mich der Text nichts dadurch verliert, dass ich jetzt die Entstehungsgeschichte kenne...

Liebe Grüße

leonie

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 27.10.2009, 21:23

Liebe Flora,

natürlich bringt dieser von mir zitierte Benn-Satz ohne Zusammenhang nicht viel, ich wollte aber nun nicht das ganze Interview referieren, wer möchte, kann es sich ja mal anhören. Wie du selbst und auch ferdi schon schrieb, geht es ja um eine gewisse Distanz beim Gestalten mit der Sprache und nicht um eigene Gefühlskälte. Ich habe manchmal das Gefühl (!), dass diese Dinge hier vermischt werden und einige der Meinung sind, man müsse direkt aus der kalten Wut, der heißen Liebe, der größten Not heraus einen Text schreiben, damit er diese Höhen und Tiefen auch herüberbringt. Ich persönlich glaube schon an einen echten Impuls, der zum Schreiben notwendig ist, an eine Begeisterung, etwas, das einen berührt hat (bei dem Cento war das eben die Vielfalt eurer Texte). Aber danach kommt dann doch die Feinarbeit, zu der eben die Distanz nötig ist. Ich denke, da sind unsere Meinungen gar nicht so weit voneinander entfernt.

Lieber ferdi,

danke für den Link zu "Der alte Streit"! Ich habe wirklich gestaunt! Die Metrik, die Reime, alles wie aus einem Guß. Und das ist bei einem Sonett ja erheblich schwieriger, als bei freien Versen. Auch die darauffolgende Diskussion über den "Schaffensprozess" habe ich mit Interesse gelesen. Kunst als Recycling von bereits Dagewesenem - das ist allgegenwärtig. Was ist schon wirklich neu?

Die Zeilen 11 und 12 in meinem Cento - ich finde, sie kommentieren ein wenig das Vorangegangene, bei dem eine Gelassenheit, ein Unterlassen, regiert. Wie schon gesagt, ich habe dem Gedicht seinen Lauf durch eure Texte gelassen. Es ist ein mögliches Gedicht von vielen.

Lieber Stefan, interessant, wie du über dein Kommentieren schreibst! Ich bin mir auch oft unsicher, wie meine Kommentare wohl ankommen. Die Sprache ist trügerisch, von der Stimmung des Lesenden hängt auch noch viel ab. Danke für deine Worte trotz Müdigkeit - und dass du ein paar Ballons wieder aufgeblasen hast. ;)

Liebe leonie .... und? Hast du's schon selbst ausprobiert?

Viele Grüße
fenestra

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.10.2009, 22:06

Hallo fenestra,
Ich habe manchmal das Gefühl (!), dass diese Dinge hier vermischt werden und einige der Meinung sind, man müsse direkt aus der kalten Wut, der heißen Liebe, der größten Not heraus einen Text schreiben, damit er diese Höhen und Tiefen auch herüberbringt. Ich persönlich glaube schon an einen echten Impuls, der zum Schreiben notwendig ist, an eine Begeisterung, etwas, das einen berührt hat (bei dem Cento war das eben die Vielfalt eurer Texte). Aber danach kommt dann doch die Feinarbeit, zu der eben die Distanz nötig ist.

das ist so ein Thema, das wir auch immer wieder hier im Forum haben. Was inspiriert einen zum Schreiben. Was ist der Impuls.
Bei mir z.B. ist das oft tatsächlich Wut, Ohnmacht oder Traurigkeit. Aber am häufigsten kommen meine Impulse durch songtexte. Durch nur ein Wort oder einen Satz darin. Dies dann verbunden mit meinem momentanen Gemütszustand und der Melodie des songs führt zum Schreiben. Und dies fast immer, wenn ich überhaupt nicht damit rechne. (Aber das geht wohl jedem so. Kaum einer setzt sich hin und sagt sich: so, jetzt schreibe ich ein Gedicht.)
Aber dann, da stimme ich dir zu, kommt die Feinarbeit. Und das geht nur mit etwas Abstand. Es gibt sehr selten Texte, die ich spontan schreibe und auch so lasse. Das sind echte Schnappschüsse und sehr rar.

Saludos
Mucki

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 15.11.2009, 23:48

Nachtrag:

Zu diesem Text habt ihr mir vielfältige und interessante Eindrücke geschrieben. Es ergab sich u.a. für mich die Frage, inwiefern eure Sichtweise davon beeinflusst war, dass ihr vorher von der Machart des Textes wusstet. Als Gegenprobe hatte ich einen Text in die Rubrik Publicus gesetzt:

http://www.blauersalon.net/online-liter ... 937#132937

Leider wird im Publicus kaum diskutiert, sei es, weil man keine Möglichkeit hat, noch gemeinsam am Text zu arbeiten, sei es, weil man das Gefühl hat, die "Rezension" soll besonders gut formuliert sein oder auch, weil der Dialog zum Autor fehlt. Wie auch immer: Gabriella vielen Dank für die schöne Rezension!

Da ich leider keine weiteren Meinungen dazu von euch bekam (außer einer PN, auch dafür herzlichen Dank!), werde ich die Machart jetzt outen: Es handelt sich ebenfalls um ein Cento. Ich habe die Quellenangabe nun dort ergänzt.

lg
fenestra

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.11.2009, 00:35

Hallo fenestra,

das finde ich ja spannend. Also auch "Die Menge der Legenden von der wir nicht sprechen" ist ein Cento. Und wieder fügt sich jede Zeile wunderbar zur nächsten, klasse. :daumen:

Saludos
Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 16.11.2009, 22:57

och wie gemein, fenestra, ich habe das erkannt und bin bisher nur nicht dazu gekommen, das zu schreiben :-( (komme aber noch), aber schon zu sehen, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag (der Titel musste es einfach sagen)

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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