Zugvögel

Tanja

Beitragvon Tanja » 16.03.2010, 13:47

Aktuelle Version
Der See liegt ruhig in der Abendsonne.
Ein Meer von Kranichen bedeckt das Ufer. Hie und da ein Flügelschlag. Ab und an ein Kranichruf. Gemächlich schreiten sie durch das Nass. Ihre Schnäbel tauchen immer wieder in das Wasser ein, auf der Suche nach Futter. Die Jungvögel scheinen die trügerische Ruhe zu spüren. Hektisch putzen sie ihr Gefieder, während die Altvögel geduldig ausharren.
Ein Trompeten schallt durch die Luft. Mit einem Mal setzen sich tausende von Kranichen in Bewegung. Sie laufen einige Schritte, breiten bei jedem Flügelschlag ihre Schwingen weit aus und strecken ihre langen Hälse nach vorne. Die Flügelschläge dröhnen im Abendhimmel. Die silbergrauen Riesen formieren sich. Steil steigen sie empor. Der See zittert. Große Schatten gleiten über das Land.
Ruhe kehrt ein.

Erste Version
Der See liegt ruhig in der untergehenden Abendsonne. Ein Meer von Kranichen bedeckt den sumpfigen Boden am Rande des Gewässers. Stille und Einvernehmen herrscht. Hier und da ein Flügelschlag. Ab und an ein Kranichruf. Gemächlich stapfen die langbeinigen Tiere durch das Nass. Mit ihren langen Schnäbeln tauchen sie noch einmal ein in das wattartige Wasser, auf der Suche nach Futter für die lange Reise, die bevor steht. Die Jungvögel sind unerfahren und scheinen die trügerische Ruhe zu spüren. Hektisch putzen sie ihr Gefieder, während die Altvögel geduldig ausharren. Die Ruhe vor dem Sturm.
Mit einem Mal wird es lauter. Ein erfahrenes Alphatier schlägt kräftig und erhaben mit den Flügeln und setzt sich vom Boden ab. Wasser und Matsch tropfen herab, während das Tier sich gen Himmel erhebt. Tausende von Kranichen folgen ihm aufgeregt und lautstark. Ein Trompeten gellt durch die Luft. Die Flügelschläge donnern im Abendhimmel und v-förmig formieren sich die gräulichen Riesen wie Flugzeuge bei einer Flugshow. Steil steigen sie empor. Der See zittert. Riesige Schatten bedecken das Land. Nur langsam kommt das Wasser zur Ruhe. Die Kraniche ziehen gen Süden.
Zuletzt geändert von Tanja am 22.03.2010, 18:18, insgesamt 5-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 19.03.2010, 08:22

gerne Tanja :)

(Interessant, dass du völlig "unkonstruiert" schreibst, während du deinen Kommentar an mich richtest, dich mir sozusagen erklären möchtest...)

Vielleicht schaffst du es irgendwann, beides zu verbinden: das Handwerk mit dem Ausdruck. Das wäre dann, nunja, wohl Kunst. Denn die geht übers "Talent" hinaus. Wobei ich beide Begriffe fragwürdig finde - und im Grunde auch egal. Fürs Schreiben, oder Herantasten ans Schreiben. Oder gar einen wunderbaren "Trivialroman" zu schreiben, der sich bombig verkauft und überdies richtig amüsant ist.

Vielleicht muss es auch erstmal ebenso egal sein, ob etwas "veröffentlichungswürdig" sein muss. (Ich weiß, das schreibt sich leicht, wenn man berühmt oder zumindest reich werden will ;). Vielleicht hiflt es, sich selbst zu fragen, warum man unbedingt veröffentlichungswürdige Texte schreiben will, wem gegenüber man was damit beweisen muss, sich selbst? Warum?

Und solche kleinen, kurzen Texte sind sicherlich geeigneter, den Weg zum eigenen Stil zu finden, als das, was du (mir ist nicht ganz klar, was du meinst), Skript nennst. Manchmal ist das, was man wollen zu müssen glaubt, gar nicht das, was man kann und mag.

Ein großer Traum von mir (neben allerlei anderen) ist, einen Krimi zu schreiben, also so einen, wie ich sie liebe: mit gut gearbeiteten Charakteren, einem spannenden Plot, mitreißenden, nachvollziehbaren Beziehungsebenen, philosophischen Gedanken - so ein Ding, das man in einem Rutsch liest und gleich den nächsten davon will. Und ich fürchte, es wird ein Traum bleiben.

herzlich
klara

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Beitragvon leonie » 19.03.2010, 09:59

Hallo, Ihr zwei,

Tanja, als ich gerade Deine Antwort an Klara las, ist mir aufgefallen, dass darin so gut wie keine Adjektive enthalten sind. Das ist mir aufgefallen, weil Dein Schreibstil dadurch völlig verändert erscheint. Mir kommt er - wie soll ich sagen - ehrlicher vor, authentischer. Auf mich wirken zu viele Adjektive schnell übertrieben, um nicht zu sagen, fast ein wenig aufdringlich (das ist mir schon öfter aufgefallen, auch in anderen Texten, ich , ich weiß jetzt natürlich nicht, wie repräsentativ ich als Leserin bin :-) ).
Jedenfalls habe ich Deine Antwort gern gelesen, mir scheint, Du bist auf der Suche, willst wissen, was Du willst (ich hoffe, ich trete Dir durch so eine Rückmeldung nicht zu nahe...)

Viele Grüße

leonie

Tanja

Beitragvon Tanja » 19.03.2010, 13:51

Hallo Klara und leonie!

Klara hat geschrieben:Vielleicht muss es auch erstmal ebenso egal sein, ob etwas "veröffentlichungswürdig" sein muss. (Ich weiß, das schreibt sich leicht, wenn man berühmt oder zumindest reich werden will ;). Vielleicht hiflt es, sich selbst zu fragen, warum man unbedingt veröffentlichungswürdige Texte schreiben will, wem gegenüber man was damit beweisen muss, sich selbst? Warum?

Berühmt....Reich....nein, ich möchte Leser erreichen, mit meinen Worten begeistern, sie für eine gewisse Zeit in eine andere Welt entführen. Wie du selber schreibst, nur mit anderen Worten, sie sollen die Nase nicht mehr zwischen den Buchdeckeln herausbekommen...
ABER den Anspruch, den ich dabei an mich stelle, der ist sehr hoch. Ich glaube, momentan, zu hoch. Ich will die perfekte Wortwahl und unterdrücke dabei meine innere Stimme, was ich wirklich schreiben will, was nach mir klingt und nicht nach konstruierten Worten.
Wie gesagt, dass ist mir sehr bewusst geworden durch meinen Kranichtext...

Klara hat geschrieben:Ein großer Traum von mir (neben allerlei anderen) ist, einen Krimi zu schreiben, also so einen, wie ich sie liebe: mit gut gearbeiteten Charakteren, einem spannenden Plot, mitreißenden, nachvollziehbaren Beziehungsebenen, philosophischen Gedanken - so ein Ding, das man in einem Rutsch liest und gleich den nächsten davon will. Und ich fürchte, es wird ein Traum bleiben.

Darf ich dich fragen, warum du glaubst, dass dies ein Traum bleiben wird? Wenn dir das zu persönlich ist, dann überlies die Frage einfach.

leonie hat geschrieben:Tanja, als ich gerade Deine Antwort an Klara las, ist mir aufgefallen, dass darin so gut wie keine Adjektive enthalten sind. Das ist mir aufgefallen, weil Dein Schreibstil dadurch völlig verändert erscheint. Mir kommt er - wie soll ich sagen - ehrlicher vor, authentischer. Auf mich wirken zu viele Adjektive schnell übertrieben, um nicht zu sagen, fast ein wenig aufdringlich (das ist mir schon öfter aufgefallen, auch in anderen Texten, ich , ich weiß jetzt natürlich nicht, wie repräsentativ ich als Leserin bin ).
Jedenfalls habe ich Deine Antwort gern gelesen, mir scheint, Du bist auf der Suche, willst wissen, was Du willst (ich hoffe, ich trete Dir durch so eine Rückmeldung nicht zu nahe...)

Ja leonie, so tief aus dem Herzen heraus, ohne auf etwas zu achten, schreibe ich sehr flüssig, finde immer die richtigen Worte und schreibe auch nicht konstruiert...
Du bist mir in keinster Weise zu nahe getreten, im Gegenteil!

Liebe Grüße, Tanja

derSibirier

Beitragvon derSibirier » 21.03.2010, 06:46

Hallo Tanja

Die unerfahrenen Jungvögel scheinen die trügerische Ruhe zu spüren.
Der Satz sagt nicht aus, was er aussagen soll und ist unmöglich zu lesen.
Vorschlag: Die Jungvögel scheinen die Anspannung zu spüren.
Alles Junggetier ist unerfahren, das brauchst du nicht zu erwähnen. Der Leser denkt auch gerne ein bisschen selbst.

"Mit einem Mal wird es laut. Die Kraniche synchronisieren sich. Tausende von Kranichen ihnen setzen sich lautstark in Bewegung." Unschöne Doppelung.


Ein Trompeten schallt durch die Luft. Sie laufen einige Schritte, ehe sie kraftvoll abheben. Sie breiten bei jedem Flügelschlag ihr Gefieder weit auseinander und strecken ihren langen Hals (Mehrzahl verwenden)nach vorne.

" V-förmig formieren sich die grauen Riesen."
sei mir bitte nicht böse, aber das ist wirklich nicht gut.
Vorschlag: Wie eine Armee aus grauen Soldaten bilden sie eine V-Formation.


Steil steigen sie empor. Der See zittert. Riesige Schatten bedecken das Land. Die Kraniche ziehen gen Süden.
Wie das? Die Sonne verschwindet doch gerade, also geht das nicht.

schöne Grüße
derSibirier

Tanja

Beitragvon Tanja » 21.03.2010, 13:42

Hallo Sibirier,

du hast anscheinend den Thread nicht verfolgt, deshalb kann ich dir sagen, dass viele von deinen Anmerkungen schon genannt wurden und ich den Text gerade einige Tage ruhen gelassen habe, ehe ich die Endversion hier posten wollte. In dieser Änderung sind auch ein paar von deinen Anmerkungen enthalten, dankeschön dafür!

Die überarbeitete Version hängt oben an.

Liebe Grüße, Tanja

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Beitragvon leonie » 22.03.2010, 19:38

Hallo Tanja,

das wird Dich jetzt nicht verwundern, aber mir gefällt diese reduzierte Variante besser. :-) . Du schreibst, Du liest jetzt andere Bücher als früher, vielleicht kannst Du da ja auch nochmal auf den Gebrauch der Adjektive achten. Ich finde das jedenfalls immer sehr spannend, danach noch einmal bewusst zu schauen, wie ein Autor das macht, den ich gerne lese...(Nicht nur bezüglich der Adjektive, aber eben auch...)

Viele Grüße an Dich!

leonie

Tanja

Beitragvon Tanja » 22.03.2010, 20:02

Hallo leoni,

erst tat ich mich sehr schwer, mit dieser verkürzten Version. Irgendetwas fehlte. Dann habe ich es ruhen lassen, am nächsten Tag nochmal angeschaut und so weiter. Heute kann ich sagen, dass es viel weniger Worte bedarf etwas auszusagen, als man oft meint. Ich lese diesen kürzeren Text viel intensiver als den längeren vorher.

Liebe Grüße, Tanja


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